IEF, 7.5.2019 – Voraussichtlich am 22.5.2019 soll im Parlament von Neuseeland die zweite Lesung (von insgesamt drei) der „End of Life Choice Bill” stattfinden. Das rechtliche Begutachtungsverfahren ist beendet und kam zum Ergebnis, dass der Entwurf in seiner jetzigen Form nicht praktikabel sei. Verschiedene Gruppierungen erheben nun immer lauter ihre Stimme gegen die Legalisierung von assistiertem Suizid.

„End of Life Choice Bill” – Verlauf

Der Gesetzesentwurf wurde bereits 2015 von dem Abgeordneten David Seymour initiiert. In der ersten Lesung am 13.12.2017 stimmten 76 Abgeordnete für und 44 gegen den Entwurf. Die Begutachtung und Überarbeitung des Entwurfs durch ein Justizgremium endete im März 2019. Das Gremium veröffentlichte seinen Bericht am 9.4.2019.  Dem Gremium lagen laut Bericht 39.159 Einreichungen von betroffenen Gruppen und Individuen vor sowie 1.350 mündliche Aussagen von 77 Organisationen und 1273 Individuen. 90 Prozent der schriftlichen Einreichungen lehnten den Gesetzesentwurf ab. Das Gremium kam zu dem Schluss, dass der Gesetzesentwurf in seiner jetzigen Fassung nicht verabschiedet werden könne.

Der Entwurf sieht die Legalisierung von Tötung auf Verlangen und assistiertem Suizid für Personen über 18 Jahren vor, die an einer „unheilbaren Krankheit, die voraussichtlich innerhalb der nächsten sechs Monate zum Tod führen wird“, oder einer sonstigen „schweren und unheilbaren Krankheit“ leiden, deren „Leistungsvermögen sich in einem fortgeschrittenen Stadium des irreversiblen Abbaus“ befindet und deren „unerträgliches Leiden auf keine für sie tolerierbare Art gelindert“ werden kann.

Laut „Radio New Zealand“ soll Premierministerin Jacinda Ardern das Gesetz unterstützen. Offiziell soll es keine Parteiempfehlung für das Abstimmungsverhalten geben, sodass die Abgeordneten frei nach ihrem Gewissen abstimmen werden. Der Ausgang der Abstimmung könne daher nicht abgeschätzt werden.

#DefendNZ kämpft gegen den Entwurf

Seit Initiierung des Gesetzes formierte sich u.a. die Gruppierung „#DefendNZ – Vote No to assisted suicide“, die gegen eine Legalisierung von assistiertem Suizid kämpft und durch ihre Kampagne Abgeordnete zu einem “Nein” bewegen möchte. „Eine Legalisierung könnte vulnerable Personen dazu zwingen, den Tod zu verlangen, ausgelöst durch Gefühle von Depression, Angst, Einsamkeit oder die Sorge, eine Bürde zu sein“, argumentiert „DefendNZ“. Und weiter: „Die Sicherheit und das Wohlbefinden der verletzlichsten Bürger zu riskieren, entspricht nicht dem Wesen unseres Landes.“ In den letzten Wochen veröffentlichte die Plattform zahlreiche persönliche Dokus von Menschen, die sich aufgrund persönlicher Betroffenheit gegen den Gesetzesentwurf aussprechen. So spricht Kylee Black, eine 32 Jahre alte Frau, die mit dem Ehlers-Danlos Syndrom geboren wurde und im Rollstuhl sitzt, über ihre Geschichte. „Ich benötige zahlreiche Spezialisten und gehe mehrmals im Jahr ins Krankenhaus. Ich weiß, dass meine Pflege viel Geld kostet. Aber ich weiß auch, dass ich einen Beitrag zur Gesellschaft leiste“, so Black. Wenn assistierter Suizid legalisiert werde, sei auch Werbung dafür erlaubt. Sie wolle nicht von Werbung für assistiertem Suizid angesprochen werden. Sie erlaube sich, über ihre Abhängigkeit und unheilbare Krankheit zu trauern, aber dann treffe sie wieder die Entscheidung, leben zu wollen und sich auf das Positive zu fokussieren. Kylee sagt, in der Debatte werde immer die „Wahlmöglichkeit“ („Choice“) betont, diese sei jedoch in einem Zustand wie dem ihren ein „relativer Begriff“. Denn, „wenn Du ein ganz auf andere Menschen angewiesenes Leben führst und teure Behandlungen benötigst, um zu leben, gleichzeitig aber die legale Möglichkeit hast, Dein Leben zu beenden, könntest Du unter Druck kommen, das Angebot anzunehmen“, so Kylee Black. Weitere eindrückliche Zeugnisse finden sich auf der Website von #DefendNZ.

Top-Anwälte und Juristen: „Gefährlicher, nicht zweckdienlicher Gesetzesentwurf“

Auch eine Gruppierung von Rechtsanwälten und juristischen Akademikern hat sich als „Lawyers for Vulnerable New Zealanders (LVNZ)“ mit dem Slogan „Aufstehen für vulnerable Neuseeländer gegen die End of Life Choice Bill“ formiert. Wie LVNZ berichtet, unterstützen bereits Top-Anwälte und Professoren neben mehr als 75 anderen Anwälten und juristischen Akademikern das offene Statement gegen den Gesetzesentwurf. Die Juristen mit unterschiedlichem ideologischen und politischen Hintergrund sprechen sich in der Veröffentlichung gegen eine Legalisierung von assistiertem Suizid aus und warnen Parlamentarier und Bürger vor den Gefahren, wenn der Entwurf in Recht gegossen würde. Assistierter Suizid sei nach derzeitiger Gesetzeslage ein strafbares Delikt. Würde diese Regelung geändert, ergäbe sich eine grundlegende Verschiebung im neuseeländischen Recht, der medizinischen Praxis und der medizinischen Ethik. Eine Legalisierung von assistiertem Suizid hätte dadurch einen grundlegenden Einfluss auf die Gesellschaft. „Wir glauben, dass der Status unserer zivilisierten Gesellschaft daran gemessen wird, wie wir mit den schwächsten Gliedern umgehen und wie wir sie schützen“, so die Juristen. „Wir befürchten, dass viele vulnerable Mitglieder unserer Gemeinschaft (ob unheilbar oder chronisch krank, behindert oder psychisch krank) einem größeren Risiko von verfrühtem Tod durch Totschlag oder Suizid ausgeliefert sein werden, als Ergebnis von Unterlassung, Zwang oder anderen Formen von Missbrauch, genauso wie Falschdiagnosen oder irrtümlichen Prognosen.“ Ihrer Einschätzung nach und mit den Erfahrungen anderer Länder, in denen assistierter Suizid legal sei, sei es kaum möglich, ein „sicheres Regelwerk“ zu assistiertem Suizid zu implementieren. Das Risiko zum Missbrauch einer Legalisierung von assistiertem Suizid sei sehr hoch. Außerdem weisen die Juristen darauf hin, dass es zu „schädlichen sozialen Symptomatiken“ führen könne, wenn Suizid als „gute und würdevolle Handlung beworben“ werde. LVNZ kritisiert weiter, dass das Parlament nun über einen „extrem gefährlichen“ Gesetzesentwurf abstimmen solle, den das rechtliche Gremium in seinem Bericht für nicht ausführbar gehalten hatte, auf der anderen Seite aber auch unsicher scheine, ob der Entwurf überhaupt reparabel sei und wenn ja, auf welche Weise. Gehe man vom Bericht des rechtlichen Begutachtungsgremiums aus, entstehe der Eindruck, der Entwurf sei nicht reparabel. „Als Juristen halten wir die End of Life Choice Bill nicht für den Zweck geeignet und nicht korrigierbar“, so das abschließende Urteil von LVNZ. (TSG)

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