US / Abtreibung: Zusendung der Abtreibungspille bleibt untersagt
IEF, 15.01.2021 – Der US Supreme Court bestätigt die Auflagen der Arzneimittelbehörde (FDA) in Bezug auf die Zusendung der Abtreibungspille.
In einem seit Monaten anhängenden Fall hat das amerikanische Höchstgericht am 12. Jänner 2021 endgültig entschieden, dass die im Zusammenhang mit der Abtreibungspille geltenden Verfügungen der U.S. Food and Drug Administration (FDA) auch während und trotz der Corona-Pandemie gelten.
Corona-Pandemie als Grund für Aufweichung von Abtreibungsregelungen
Begonnen hat alles damit, dass das American College of Obstetricians and Gynecologists gemeinsam mit einigen sich für die Abtreibung einsetzenden Organisationen die FDA im Mai letzten Jahres verklagt hatte mit der Begründung, dass das Erfordernis, die Abtreibungspille persönlich abzuholen, Schwangere und Ärzte unnötig einem Infektionsrisiko aussetze.
Das angerufene Bezirksgericht im Bundesstaat Maryland hob daraufhin, unter Berufung auf die mit der Pandemie im Zusammenhang stehende, unverhältnismäßige Belastung des Frauenrechts auf Abtreibung, die Anordnung der FDA im Juli 2020 auf, woraufhin die Abtreibungspille übers Internet bezogen werden konnte. (Das IEF hat dazu berichtet)
FDA-Sicherheitsauflagen in Bezug auf die Abtreibungspille
Die FDA begründet die für die Abtreibungspille geltenden Auflagen mit den Gesundheitsrisiken, die der Schwangeren durch die Einnahme der Abtreibungspille erwachsen. Jedes Medikament werde von der Behörde einer regelmäßigen Analyse unter Berücksichtigung aller vorhandenen und vom Produzenten gelieferten Daten unterzogen. Aufgrund der erfolgten Risikobewertung ordnete die FDA 2011 und erneut 2016 an, dass die aus den Mitteln Mifepriston und Misoprostol bestehende Abtreibungspille nur von zertifiziertem Personal in bestimmten Gesundheitseinrichtung der Schwangeren persönlich übergeben werden dürfen. Zertifiziertes Fachpersonal muss unter anderem dafür ausgebildet sein, die Schwangerschaftsdauer zu berechnen und Eileiterschwangerschaften zu erkennen – beides Faktoren, die das mit der Einnahme der Abtreibungspille im Zusammenhang stehende Gesundheitsrisiko erhöhen bzw. folgenreiche Nebenwirkungen nach sich ziehen können.
Anrufung des US Supreme Court
In Anbetracht der möglichen Gesundheitsrisiken zeigte sich die Trump Administration mit der Entscheidung des Bezirksgerichts von Maryland nicht einverstanden und rief den Supreme Court an, er möge die FDA Anordnung wieder in Kraft setzen. Dieser beschloss letzten Oktober, den Fall an das Gericht in Maryland zurück zu delegieren und ordnete an, dass dieses innerhalb von 40 Tagen eine erneute Entscheidung unter Berücksichtigung neuer Vorbringen der Regierung zu treffen habe. Nachdem das Bezirksgericht die Entscheidung nicht abändern wollte und argumentierte, dass sich seit dem ersten Beschluss die Umstände während der Corona-Pandemie sogar verschlechtert hätten, rief die FDA erneut das US Höchstgericht an, das die Anordnung der FDA schließlich wieder in Kraft setzte.
Achtung der Gerichte vor Regierungsentscheidungen in Fragen der öffentlichen Gesundheit
Sechs der neun Höchstrichter stimmten für das von der FDA angeordnete Verbot der Zusendung der Abtreibungspille über die Apotheke oder das Internet. Höchstrichter Roberts argumentierte in der Urteilsbegründung, dass es in dem Fall nicht darum ginge, festzustellen, ob durch die FDA-Verfügung das Frauenrecht auf Abtreibung unverhältnismäßig eingeschränkt sei, sondern ob das Bezirksgericht aufgrund der eigenen Einschätzung der Corona-Pandemie-Auswirkungen die Aufhebung der Verfügung rechtmäßig angeordnet habe. Dabei hielt er fest, dass ein Gericht die Entscheidungen politisch rechenschaftspflichtiger Institutionen, vor allem jener, die die öffentliche Gesundheit beaufsichtigen, grundsätzlich respektieren sollte.
Eine unterschiedliche Bewertung der Rechte in der Corona-Pandemie
Damit verwies er auch auf die „dissenting opinion“ von Höchstrichter Alito zu der vom Höchstgericht im Oktober in der selben Sache gefällten Entscheidung, in der Alito die Inkonsequenz gegenüber anderen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Coronakrise kritisierte. Die Religionsfreiheit beispielsweise hätte man von Regierungsseite stark eingeschränkt, indem die Kirchen etwa nicht vom Lockdown ausgenommen wurden. Abtreibungsrechte würde man aber, mit dem Argument einer Sicherheitsmaßnahme, ausweiten wollen, schrieb etwa Alito.
Lediglich eine Schikane?
Kritik an der aktuellen Entscheidung übte hingegen Höchstrichterin Sotomayor, die die wiedereingesetzte Verfügung, die eine persönliche Abholung der Abtreibungspille vorschreibt, als „ungerechtfertigte, irrationale und unangemessene Belastung“ für Frauen bezeichnete. Ihrer Meinung nach, handle es sich bei der Auflage der FDA um eine Schikane, zumal das Medikament lediglich in der Klinik persönlich abgeholt werden muss, während die Einnahme zu Hause ohne Aufsicht erfolgen könne.
Die Abtreibungspille in Österreich
In Österreich darf die medikamentöse Abtreibung bis zum Ablauf der 9. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden. Bis vor kurzem musste die Abtreibungspille in Krankenhäusern und Zentren, die selbst Schwangerschaftsabbrüche durchführen, persönlich abgeholt und das erste Mittel (Mifepriston) in Gegenwart eines Arztes eingenommen werden. Im Juli letzten Jahres wurde die Regelung jedoch vom Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) überraschend geändert, womit die Abtreibungspille nun bei allen niedergelassnen Gynäkologen bezogen werden kann. Das Erfordernis der persönlichen Abholung bleibt jedoch weiterhin bestehen, zumal der Arzt feststellen muss, ob nicht Kontraindikationen für die Einnahme der Pille bestehen, zu denen u.a. eine nicht bestätigte Schwangerschaft, eine neun Wochen übersteigende Schwangerschaftsdauer oder eine vermutete Eileiterschwangerschaft gehören. Mehr dazu lesen sie im IEF Beitrag hier. (AH)
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