AT / Abtreibung: Zugang zur Abtreibungspille Mifegyne wird überraschend erweitert
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IEF, 08.07.2020 – Laut dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) dürfen künftig auch niedergelassene Gynäkologen die Abtreibungspille Mifegyne verschreiben.
Ohne Einbeziehung der Öffentlichkeit und quasi über Nacht wurde bekannt, dass das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) die Abgabe der Abtreibungspille nun auch durch niedergelassene Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe bewilligt hat. Bisher durfte das Medikament nur an Krankenhäusern und Zentren, die selbst Schwangerschaftsabbrüche durchführen, ausgegeben werden.
Die sogenannte Abtreibungspille setzt sich eigentlich aus zwei Medikamenten zusammen. Eines davon ist Mifegyne mit dem Wirkstoff Mifepriston, der den für die Aufrechterhaltung der Schwangerschaft notwendigen Schwangerschaftsgelbkörper zerstört. Dadurch wird die Nährstoffversorgung gestoppt, die schließlich zum Tod des Embryos führt. Damit das Kind nicht in der Gebärmutter bleibt, sind innerhalb von 36 bis 48 Stunden Prostaglandine (Topogyne) von der Schwangeren einzunehmen, welche die Gebärmutter zusammenziehen und dadurch die Ausstoßung des Fruchtsackes mit dem verstorbenen Embryo bewirken.
Die medikamentöse Abtreibung darf in Österreich bis zum Ablauf der 9. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden.
Eine gesundheitsgefährdende Tendenz
Obwohl der Beschluss der BASG überraschend kam, reiht er sich doch in eine international zu beobachtende Tendenz, Frauen den Zugang zur Abtreibung oft unter Missachtung von Schutzbestimmungen zu erleichtern. So hat England beispielsweise während der Corona-Pandemie erlaubt, dass sich Frauen bis zur 10. Schwangerschaftswoche die Abtreibungspille nach Hause schicken lassen können und das lediglich nach einem Gespräch übers Telefon oder ein anderes digitales Medium mit einem Arzt oder Mitarbeiter des Gesundheitswesens. Das IEF hat berichtet.
Die Befürworter der neuen österreichischen Regelung, darunter die Grünen und die SPÖ, sehen in der Änderung des Zulassungsbescheids durch das BASG vor allem eine Erleichterung für ungewollt schwangere Frauen. Für diese sei der medikamentöse Schwangerschaftsabbruch nun zugänglicher, da die oftmals langen Anfahrtswege zu Kliniken entfallen würden. Auch der Abtreibungsarzt Christian Fiala begrüßt die Änderung grundsätzlich, warnt jedoch vor damit verbundenen möglichen Risiken. Es sei zu befürchten, dass die Abgabe der Abtreibungspille künftig auch ohne Qualitätssicherung, Beratung oder Nachkontrolle erfolgen könnte. Bei Komplikationen im Zusammenhang mit dem medikamentösen Schwangerschaftsabbruch müssten Frauen dann wieder an Krankenhäuser verwiesen werden, zitiert der Standard den Wiener Abtreibungsarzt in einem Bericht.
Unklare Regellung bei Ausgabe der Abtreibungspille
Unklar ist noch, wie die Ausgabe der Pille künftig aussehen wird. Die Grünen behaupten in ihrer Presseaussendung, dass die Abtreibungspille, die nun auch Gynäkologen verschreiben dürfen, von den Schwangeren in einer Apotheke abgeholt werden könne. Diese Behauptung finde jedoch keine Bestätigung in den dem IEF vorliegenden aktualisierten Fachinformations-Texten des BASG zur Mifegyne und Topogyne, so Dr. Stephanie Merckens, Biopolitikerin und Juristin am Institut für Ehe und Familie (IEF). In den Fachinformations-Texten heißt es vielmehr, dass die Einnahme von Mifegyne weiterhin in Gegenwart eines Arztes zu erfolgen hat. Diese Regelung habe vor allem eine Schutz- und Abklärungsfunktion, so Merckens. Der Arzt müsse nämlich überprüfen, ob nicht etwaige Gegenanzeigen für den medikamentösen Abbruch vorliegen. Zu den Kontraindikationen gehört unter anderem eine nicht durch Ultraschallscan oder biologische Tests bestätigte Schwangerschaft, eine 9. Wochen übersteigende Schwangerschaftsdauer oder eine vermutete Eileiterschwangerschaft. Der Fachinformationstext der BASG spricht außerdem von einem zweiten Termin innerhalb von 36 – 48 Stunden nach Einnahme des ersten Arzneimittels und der Notwendigkeit einer Nachuntersuchung (3. Termin) innerhalb von 14 – 21 Tagen nach der Einnahme von Mifepriston zur Überprüfung der vollständigen Ausstoßung des Embryos und des Gebärmuttergewebes. Dadurch soll einerseits überprüft werden, ob die vaginale Blutung aufgehört hat und andererseits ob es tatsächlich zu einer Abtreibung kam.
Senkung der Hemmschwelle als gewaltiger Rückschritt
Daran dass die Abtreibungspille nicht so sicher und unkompliziert in der Anwendung ist, wie dies oft dargestellt wird, erinnert Jugend für das Leben in einer Presseaussendung anlässlich der Bekanntgabe des BASG-Beschlusses und weist auf die zahlreichen möglichen Nebenwirkungen von Mifegyne und Topogyne hin. Viele Frauen würden nach der Einnahme der Medikamente über starke Unterleibsschmerzen klagen. Häufige Nebenwirkungen seien außerdem langanhaltende und starke Blutungen sowie Erbrechen. Frauen hätten sich nach einer medikamentösen Abtreibung auch häufig an Hilfsorganisationen mit der Klage gewandt, dass „die Nebenwirkungen und die psychische Belastung vom Gynäkologen verharmlost bzw. gar nicht angesprochen worden“ seien. Viele hätten auch bedauert, dass der Zugang zur Abtreibung „zu leicht“ sei und sie getäuscht worden wären.
Jugend für das Leben weist in ihrer Presseaussendung noch auf eine weitere Problematik hin. Bei der medikamentösen Abtreibung, bei der das Kind aufgrund von Unterversorgung nach einem „oft mehrtägigen Kampf qualvoll im Mutterleib stirbt“, würde die Schwangere häufig sehen und mitbekommen, wie das Kind abgeht. Dies sowie grundsätzlich der Abtreibungsprozess würden bei den betroffenen Frauen vielfach ein Trauma verursachen, mit dem diese dann alleingelassen werden.
Frauen werden unter Druck gesetzt und alleine gelassen
Auch Petra Plonner, die Erstunterzeichnerin von #fairändern, nimmt in einer Presseaussendung zu dem Thema Stellung. „Durch diesen Bescheid sind wir in Österreich einen katastrophalen weiteren Schritt rückwärts gegangen. Wenn es eine Steigerung von „allein“ gibt, dann ist es diese Zulassung“, so Plonner. Ungewollt Schwangeren würde man durch den leichteren Zugang zur Abtreibung signalisieren, dass sie mit einer ungeplanten Schwangerschaft und dann auch den Folgen einer Abtreibung selbst zurechtkommen müssten.
Plonner zeigt zudem auf, dass durch den leichteren Zugang zum medikamentösen Abbruch, Frauen noch mehr unter Druck gesetzt werden könnten, ihr Kind abzutreiben. Ihnen würde die Abtreibungspille als eine schnelle Lösung präsentiert, ohne dass sie über die psychische Belastung und die Nebenwirkungen aufgeklärt werden. Die Frauen würden dann oft eine übereilte Entscheidung treffen, die sie nicht selten bitter bereuen. (AH)