Sterbehilfe Umfrage
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AT / Lebensende: Wie stehen die Österreicher zur „Sterbehilfe“

IEF, 26.04.2021 – Die in den letzten Monaten vom Ludwig Boltzmann Institut und der ÖGHL durchgeführten Studien liefern zum Teil unterschiedliche Ergebnisse.

Nur 27% fühlen sich ausreichend informiert

Die aktuellste repräsentative Studie zum Thema „Selbstbestimmung am Lebensende“ stammt vom Ludwig Boltzmann Institute Digital Health and Patient Safety (LBI DHPS). Sie wurde in Kooperation mit dem Institut für Ethik und Recht in der Medizin der Universität Wien und der Österreichischen Plattform für Patientensicherheit im April 2021 durchgeführt. Befragt wurden 2000 in Österreich wohnhafte Personen im Alter zwischen 18 und 80 Jahren. Eine erste Präsentation der Ergebnisse erfolgte während der vom Institut für Ethik und Recht in der Medizin (IERM) veranstalteten Online-Tagung „Beihilfe zum Suizid“ am 22. April 2021.

Die Studienautoren erkundigten sich im Rahmen einer Umfrage nach den moralischen, ethischen und religiösen Einstellungen der Österreicher, sowie nach ihren Vorstellungen bezüglich der rechtlichen und organisatorischen Regelung der Suizidassistenz, heißt es in einer Presseaussendung des LBI. Unter anderem wurde die Kenntnis der Begriffe „aktive, passive, direkte und indirekte Sterbehilfe“ bzw. Beihilfe zum Suizid abgefragt. Dabei gaben 80% der Studienteilnehmer an, zu wissen was „Sterbehilfe“ sei. Jedoch lediglich 27% fühlten sich ausreichend über „Sterbehilfe“ informiert. Die Mehrheit der Befragten (65% ) sprach sich dafür aus, dass der Zugang zur „Sterbehilfe“ Personen mit unheilbaren, schulmedizinisch austherapierten Erkrankungen vorbehalten sein sollte. Im Vergleich dazu wurde die Inanspruchnahme der „Sterbehilfe“ unabhängig von Krankheit nur von 18% der Teilnehmer befürwortet.

Zustimmung zu VfGH-Entscheidung um knapp 20%-Punkte weniger als bei ÖGHL Studie

Gefragt nach der jüngsten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) mit der das Verbot der Beihilfe zum Suizid aufgehoben wurde, gaben 61% der Befragten an, mit dem Urteil d‘accord zu sein. Das sind um knapp 20%-Punkte weniger als bei der in der Woche zuvor publizierten Studie der Österreichischen Gesellschaft für Humanes Leben (ÖGHL). 22% bedauerten, dass ab 2022 die Beihilfe zum Suizid nicht mehr strafbar sei und 17% hatten keine Meinung zu dem Thema. Interessant in dem Zusammenhang sei, dass obwohl mehr als die Hälfte die Zulassung der Suizidbeihilfe befürwortete, nur weniger als die Hälfte (47%) „Sterbehilfe“ selbst unter Umständen in Anspruch nehmen würde und 34% auch bereit wären, diese selbst zu leisten. Als häufigste Gründe für die Inanspruchnahme der Suizidassistenz wurden die Angst, den Mitmenschen zur Last zu fallen und den Angehörigen Leid zu bereiten, nicht unter Schmerzen leidend sterben zu wollen und „die Verkürzung des Unaufhaltsamen“ genannt.

Des Weiteren sprachen sich 71% der Studienteilnehmer dafür aus, dass Beihilfe zum Suizid von Ärzten geleistet werden solle und das obwohl in der aktuellen Diskussion viele Ärzte „Sterbehilfe“ ablehnen und als inkompatibel mit ihrem Heilungsauftrag betrachten würden. 72% der Befragten fanden auch, dass psychologische Unterstützung für Beihilfeleistende verpflichtend sein sollte.

Tendenziöse Sterbehilfe-Studie im Auftrag der ÖGHL

Auch die Österreichische Gesellschaft für ein humanes Lebensende (ÖGHL) beauftragte das Meinungsforschungsinstitut INTEGRAL mit der Durchführung einer Umfrage zur „Sterbehilfe“ im März 2021. Dabei wichen die Ergebnisse der Studie zum Teil erheblich von jenen der LBI Studie ab. So sollen laut der ÖGHL 80% der 1000 von INTGRAL befragten, in Österreich wohnhaften Personen das „Sterbehilfe“-Urteil des VfGH befürworten – also beinahe um 20%-Punkte mehr als in der vom LBI durchgeführten Umfrage.

Kurz nach Veröffentlichung der Studienergebnisse durch die ÖGHL wurde auch Kritik am Studienkonzept laut. So zog der ehemalige Ärztekammerpräsident, Otto Pjeta, in einem Leserbrief die Aussage, dass 80% der Österreicher assistierten Suizid und 57% dessen Durchführung durch Vereine befürworten würden, im Hinblick auf den Auftraggeber in Zweifel. Wie die kathpress berichtet, habe die Gesellschaft für humanes Lebensende bereits im Vorjahr angekündigt, als erster Verein in Österreich „Sterbehilfe“ anbieten zu wollen und sei auch maßgeblich an dem Verfahren vor dem VfGH beteiligt gewesen.

Bedenken im Zusammenhang mit der Studie äußerte auch der in der Bischofskonferenz für „Lebensschutz“ zuständige Bischof Hermann Glettler. Er wies unter anderem darauf hin, dass die ÖGHL nur 16- bis 69-Jährige befragen ließ und damit die Gruppe jener ausklammerte, die von Krankheit und Autonomieverlust am Lebensende besonders betroffen sei. Als bedenklich stufte Bischof Glettler zudem die Antwortoptionen in der Umfrage ein. So hätte es bei den Fragen nach der Ausweitung der „Sterbehilfe“ immer mehrere Optionen für ein „Ja“ mit jeweils einladend formulierten Begründungen gegeben. Die einzige Option mit einem „Nein“ zu antworten, wäre hingegen mit dem Zusatz, dass der VfGH diese wahrscheinlich wieder aufheben werde, versehen gewesen.

„Höchst sensible und vorsichtige Gesetzesänderung“

Aus Anlass des am Montag im Justizministerium angelaufenen „Dialogforum Sterbehilfe“ plädierte Bischof Glettler für auch vom Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung eingeforderte Schutzregeln gegen Missbrauch (kathpress). Die Legalisierung der Suizidbeihilfe dürfe nicht dazu führen, dass der Gesetzgeber oder die Gesellschaft festlegen, „wann ein menschliches Leben noch lebenswert sei, und wann nicht“.  Dringend notwendig sei auch eine bessere Aufklärung in der Bevölkerung zum Thema „Sterbehilfe“. Der Bischof verweist dabei auf die Ergebnisse der LBI Studie, wonach nur 27% der Befragten sich in dem Thema genügend informiert fühlten. Mehr Information sei auch deshalb wichtig, denn „je mehr sich die Menschen mit aktiver Sterbehilfe und ihren Konsequenzen auseinandersetzen“ würden, „desto weniger könnten ihr zustimmen“.

Glettler warnt auch vor der Unterscheidung zwischen „gutem“, d.h. gesellschaftlich anerkanntem und „schlechtem“ Suizid. Jeder Suizid sei eine „Tragödie, nicht Ausdruck von Freiheit“. Deshalb müsse Suizidprävention auch weiterhin oberstes Staatsziel bleiben. Besorgt blickt der Bischof zudem auf die zunehmende Ökonomisierung des Lebens. Das Leben werde immer mehr nach Leistung und Ertrag für die Gesellschaft beurteilt, was ältere Personen, aber auch Personen mit psychischen und physischen Beeinträchtigungen unter Druck setzen würde. Viele würden sich als Last und Kostenfaktor betrachten und unter Rechtfertigungsdruck geraten. Gerade diese vulnerablen Personen, sowie pflegende Angehörige gelte es daher in Zukunft besonders zu schützen, so Bischof Glettler abschließend.

Dialogforum im Justizministerium

Das Dialogforum zielt darauf ab, mit Experten und Vertretern von Religionsgemeinschaften, Hilfsorganisationen und Pflegeeinrichtungen die beste Vorgehensweise nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs zu erörtern und mögliche gesetzliche Regelungen des assistierten Suizids auszuarbeiten. Als Vertreterin der Österreichischen Bischofskonferenz ist Dr. Stephanie Meckens, Leiterin der Politikabteilung des Instituts für Ehe und Familie (IEF), mit dabei (Das IEF hat berichtet). Am ersten Forumstag standen der Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung im Fokus. Die 26-köpfige Expertenrunde habe dem Justizministerium deutlich gemacht, dass im Bereich Hospiz und Palliativ Care bisher „erst der halbe Weg gegangen wurde“, berichtet dazu etwa Merckens gegenüber der kathpress. Dabei wären Palliativ- und Hospizversorgung sowie psychosoziale Begleitung in Krisensituationen wesentliche Säulen der Suizidprävention. Es brauche daher einen flächendeckenden Ausbau, eine finanzielle Absicherung und einen individuellen Rechtsanspruch auf Versorgung in diesen Bereichen, so Merckens.(AH)

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