Joe Biden
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US / Pro-Life: Was vom neuen US-Präsidenten zu erwarten ist

IEF, 01.02.2021 – Anlässlich der Inauguration von US-Präsident Joseph R. Biden Jr. (Dem) äußerte sich der Vorsitzende der amerikanischen Bischofskonferenz  José H. Gomez, Erzbischof von Los Angeles, hoffnungsvoll, dass der neue Präsident als Katholik in einen Dialog mit Vertretern der Kirche eintreten werde. Die Hoffnung wehrte allerdings nicht lange.

Erzbischof Gomez betonte eingangs in seinem am Tag der Amtseinführung veröffentlichten Schreiben, dass er dafür bete, dass die Wunden heilen würden, die diese Pandemie verursacht habe und darum, dass die heftigen politischen und kulturellen Spaltungen gemildert werden.

Bischöfe sind nicht parteipolitisch

Katholische Bischöfe seien keine parteipolitischen Akteure in der nationalen Politik, sondern Seelsorger, so Gomez weiter. In jeder Gemeinde im ganzen Land würden katholische Pfarren, Schulen, Krankenhäuser und die Geistlichkeit eine wesentliche Kultur des Mitgefühls und der Fürsorge bilden, die Frauen, Kindern und älteren Menschen, Armen und Kranken, Gefangenen, Migranten und Ausgegrenzten diene, unabhängig von ihrer Rasse oder Religion. Wenn sich die Kirche zu Fragen des öffentlichen Lebens in Amerika äußere, versuche sie, an das Gewissen zu appellieren und Prinzipien vorzugeben, die im Evangelium und den Soziallehren der Kirche ihre Wurzeln haben. Diese würden sich auch in der Bill of Rights und der Unabhängigkeitserklärung widerspiegeln.

Kirche arbeitet mit allen zusammen

Seit vielen Jahren versuche die Katholische Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten Katholiken und andere Menschen, die guten Willens sind, bei ihren Überlegungen zu politischen Fragen durch Veröffentlichungen von Positionen unter dem Titel „Forming Consciences for Faithful Citizenship“ zu begleiten. Die jüngste Ausgabe befasse sich mit einer breiten Palette von Anliegen zu Abtreibung, Euthanasie, Todesstrafe, Einwanderung, Rassismus, Armut, Umweltschutz, der Reform der Strafjustiz, der wirtschaftlichen Entwicklung und dem internationalen Frieden. In diesen und anderen Fragen führe die Gläubigen ihre Pflicht zur Nächstenliebe und ihre moralischen Prinzipien zu umsichtigen Urteilen und Positionen, die sich nicht in links oder rechts bzw. nach den Programmen der beiden großen politischen Parteien kategorisieren lassen. Die Amtskirche arbeite mit jedem Präsidenten und jedem Kongress zusammen. Bei manchen Themen stehen sie eher auf der Seite der Demokraten, bei anderen auf der Seite der Republikaner. Die Prioritäten der Kirche seien jedoch niemals parteiisch.

Biden: Frommer Katholik

Die Bischöfe freuten sich auf die Zusammenarbeit mit dem neuen Präsidenten – insbesondere, da Biden der erste US-Präsident seit 60 Jahren sei, der sich zum katholischen Glauben bekenne. Wie bei jeder Regierung werde es selbstverständlich Bereiche geben, in denen man übereinstimme und eng zusammenarbeite, und Bereiche, in denen prinzipielle Meinungsverschiedenheiten und starke Gegensätze bestehen würden. In einer Zeit des wachsenden und aggressiven Säkularismus in der amerikanischen Kultur, in der religiöse Gläubige mit vielen Herausforderungen konfrontiert seien, werde es jedoch erfrischend sein, mit einem Präsidenten zusammenzuarbeiten, „der die Bedeutung des religiösen Glaubens und der religiösen Institutionen auf eine tiefe und persönliche Weise versteht“. Bidens Frömmigkeit und persönliche Geschichte, sein bewegendes Zeugnis darüber, wie sein Glaube ihm in Zeiten der Dunkelheit und Tragödie Trost gebracht habe, sein langjähriges Engagement für die Priorität des Evangeliums für die Armen – all das sei für Erzbischof Gomez „hoffnungsvoll und inspirierend“.

Kritische Maßnahmen versprochen

Es sei jedoch die Aufgabe der Bischöfe als Seelsorger „das Evangelium in all seiner Wahrheit und Kraft zu verkünden“ auch wenn die Wahrheiten des Evangeliums der Meinung weiten Teilen der Gesellschaft zuwiderlaufen würden. Daher müsse darauf hingewiesen werden, so Gomez, dass Präsident Biden versprochen habe, bestimmte politische Maßnahmen zu verfolgen, „die moralische Übel vorantreiben und das menschliche Leben und die menschliche Würde bedrohen würden“ und zwar vor allem in den Bereichen Abtreibung, Verhütung, Ehe und Geschlecht. In seinem Brief benennt Erzbischof Gomez als wichtige Themen offene Fragen im Bereich menschlicher Sexualität und Familie, sowie die Abschaffung der Todesstrafe und das Streben nach einem Gesundheitssystem und einer Wirtschaft, die „wirklich den Menschen dienen“ würden.

Ablehnung der Abtreibung bleibt „überragende Priorität“

Für die Bischöfe der Nation bleibe die anhaltende Ungerechtigkeit der Abtreibung die „überragende Priorität“. „Überragende“ bedeute jedoch nicht „ausschließliche“. „Wir haben tiefe Sorgen ob der vielen Bedrohungen des menschlichen Lebens und der menschlichen Würde in unserer Gesellschaft. Aber wie Papst Franziskus lehrt, können wir nicht schweigen, wenn in unserem Land Jahr für Jahr fast eine Million ungeborener Leben durch Abtreibung beseitigt werden.“, so Gomez.

Abtreibung ist auch Thema der sozialen Gerechtigkeit

Abtreibung sei ein direkter Angriff auf das Leben, der auch die Frau selbst verwunde und die Integrität der Familie untergrabe. Sie sei nicht nur eine private Angelegenheit, sondern werfe beunruhigende und grundlegende Fragen der Mitmenschlichkeit, der Solidarität und der Einbeziehung in die menschliche Gemeinschaft auf. Nicht zuletzt sei Abtreibung auch Thema der sozialen Gerechtigkeit. Man könne die Realität nicht ignorieren, dass die Abtreibungsraten unter den Armen und Minderheiten viel höher seien und dass regelmäßig Kinder abgetrieben würden, die mit Behinderungen geboren wären, so Gomez weiter.

Im Wahlkampf Ausweitung von Abtreibung gefordert

Anstatt weitere Ausweitungen von Abtreibung und Empfängnisverhütung durchzusetzen, wie es Präsident Biden versprochen habe, sei Gomez hoffnungsvoll, dass der neue Präsident und seine Regierung mit der Kirche und anderen Menschen guten Willens zusammenarbeiten werde, um die komplexen kulturellen und wirtschaftlichen Faktoren anzusprechen, die Abtreibung begünstigen und Familien entmutigen. Ziel sei es, eine vernünftige Familienpolitik zu etablieren, die die entscheidende Bedeutung von starken Ehen und Elternschaft für das Wohlergehen von Kindern und die Stabilität von Gemeinschaften anerkennt. „Wenn der Präsident, mit vollem Respekt für die Religionsfreiheit der Kirche, sich auf dieses Gespräch einlassen würde, wäre das ein großer Schritt zur Wiederherstellung des zivilen Gleichgewichts und zur Heilung der Nöte unseres Landes.“, so der Erzbischof.

Gomez Hoffnung wurde aber bereits postwendend enttäuscht. Bereits innerhalb der ersten Tage seiner Präsidentschaft kündigte Biden an, die bisherige Unterscheidung von Abtreibung und Familienplanung aufgeben zu wollen. Die amerikanischen Bischöfe sahen sich dazu gezwungen, mit einer Erklärung vom 29.1 dJ zu betonen, dass Abtreibung kein Instrument der Familienplanung sei wie etwa Familienberatung oder Empfängnisverhütung. Eine anderslautende Regelung mit dem Folgeeffekt staatlicher Anerkennung und Förderung sei daher strikt abzulehnen (Stichwort: Titel X Program).

Neue Einigkeit in der Gesellschaft

Präsident Bidens Aufruf zur nationalen Heilung und Einheit sei auf allen Ebenen willkommen. „Er ist dringend notwendig, da wir uns mit dem Trauma in unserem Land auseinandersetzen, das durch die Coronavirus-Pandemie und die soziale Isolation verursacht wurde und das die intensiven und lange schwelenden Spaltungen unter unseren Mitbürgern nur noch verschlimmert hat“, schloss Gomez sein Schreiben.

Erste Amtshandlung: Direktive zu LGBT-Rechten

Direkt am ersten Tag nach seinem Amtsantritt traf Präsident Biden erste Weichenstellungen im Bereich LGBT-Rechte, indem er eine Direktive unterschrieb, die sich gegen die vermeintliche Diskriminierung von Transgender Personen richtet. Wie die New York Post berichtet,  ist darin unter anderem die Formulierung enthalten, dass sich transgender Kinder keiner Diskriminierung im Schulsport ausgesetzt sehen sollen. Konkret bedeutet dies, dass die Administration des neuen Präsidenten wieder Transfrauen, also Männern die nun als Frau leben, an Wettkämpfen für Frauen teilnehmen lassen will. Diese Einstellung ist durchaus umstritten und hat zu Gesetzen in einzelnen Bundesstaaten geführt (das IEF hat berichtet). Hierbei geht es um das Problem, dass Transfrauen für gewöhnlich körperliche Vorteile gegenüber Frauen haben und so häufig Wettkämpfe gewinnen und Rekorde brechen. Da in den USA viele Sportlerinnen auf den Erfolg und damit verbundene Stipendien angewiesen sind um ihren Bildungsweg abzuschließen, erwachsen aus dieser Entscheidung massive Folgen für die Gleichberechtigung. (KL)

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