heiliger Josef
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INT / Kirche: Mit Hoffnung gegen alle Hoffnung – Was uns der Mann ohne Worte heute zu sagen hat

IEF, 04.03.2025 – In Zeiten schneller Entrüstung, Krisen und fehlender Vorbilder zeigt der heilige Josef Alternativen auf.

Tiefe, undurchdringliche Nacht, unerbittlicher Regen, ein Weg, der sich langsam in Schlamm und Pfützen verwandelt. Ein protestierender Esel, ein weinendes Kind, eine stoische junge Mutter. Die Angst, dass hinter jeder Biegung die Palastwache des Herodes auftauchen könnte: Und ein Mann, der die Verantwortung für den verletzlichen Säugling mitträgt, der die Hoffnung der Welt ist. Der heilige Josef hat in der Vorstellungskraft der Kirche Christi einige Metamorphosen durchgemacht; vom in die Jahre gekommenen Witwer zum milde dreinblickenden Lilienträger. Wie Father Donald Calloway, Erfinder der Weihe an den Heiligen Josef kritisiert, ist das Bild vom Heiligen Josef manchmal etwas verweichlicht. Tatsächlich wirkt es manchmal so, als sei Josef einfach ein nützliches Zahnrädchen im Apparat der Weihnachtsgeschichte. Ein Hindernis steht im Weg, der Engel liefert Josef die Lösung, Josef gehorcht, Problem gelöst. Doch so einfach ist es nicht.

Josef ist ein „gerechter“ Mann, mit dem gerechten Plan, zu heiraten. Dann der „Skandal“: Seine Verlobte Maria ist schwanger. Allerdings nicht von ihm. Eine kleine Welt bricht zusammen. Das gemeinsame Leben, auf das Josef sich zweifellos eingestellt hatte, ist zerschlagen. Josef muss wütend gewesen sein und sicherlich traurig. Aber weil er eben ein „gerechter“ Mann ist, der Selbstkontrolle walten lassen kann, will er seine Verlobte nicht bloßstellen. Er entschließt sich für eine Trennung in aller Stille.

So schön es klingt, eine direkte Botschaft von Gott zu erhalten – der Traum, der Josef auffordert, bei Maria zu bleiben und Jesus als Gottes Sohn großzuziehen, verlangt einen großen Vertrauensvorschuss. Josef glaubt Gott, dass er nicht Opfer eines Betrugs geworden ist: Er bietet Zweifel, Misstrauen und verletztem Stolz die Stirn. Papst Franziskus schreibt im Apostolischen Schreiben zum 150. Jahrestag der Erhebung des Heiligen Josef zum Schutzpatron der ganzen Kirche „Patris Corde“: „Josef lässt seine Überlegungen beiseite, um dem Raum zu geben, was geschieht. Wie rätselhaft es ihm auch erscheinen mag, er nimmt es an, übernimmt Verantwortung dafür und versöhnt sich mit seiner eigenen Geschichte.“

Josef vertraut auf Gott – und Gott vertraut auf Josef

Folgt die Volkszählung: Maria auf dem Esel, der beschwerliche Weg nach Bethlehem. Es gibt keine Verwandten, die sich am Ankunftsort um Maria kümmern könnten, kein Arzt, keine Hebamme. Schließlich kann Josef seiner kleinen Familie nicht einmal ein Zimmer in einer Herberge bieten. Schwer zu glauben, dass Josef sich in diesem Moment nicht gefragt hat, warum die göttliche Vorsehung Zeit für Engelschöre hat, aber ihm und seiner Frau kein Zimmer freihalten kann.

Papst Franziskus betont in „Patris Corde“, dass Gott eben nicht durch eine „Rettung von Oben“-Aktion alles richtet: „Der Himmel greift ein, indem er auf den kreativen Mut dieses Mannes vertraut, der, als er bei der Ankunft in Bethlehem keinen Ort findet, wo Maria gebären kann, einen Stall herrichtet und so bereitet, dass er für den in die Welt kommenden Sohn ein möglichst behaglicher Ort wird.“ Eine gewaltige Herausforderung. Josef muss fast verzweifelt gewesen sein, bis er endlich – zumindest – einen Stall auftreiben kann. Man könnte es ihm nicht verdenken, hätte er während dieser Nacht, gelegentlich mit Selbstzweifeln gerungen, oder mit Enttäuschung über die notdürftige Bleibe.

Wenn, dann ließ er sich davon nicht beirren: Die weihnachtliche Krippe zeigt Josef nicht peinlich berührt, verzweifelt oder beschämt, sondern in verzückter Anbetung des Gottessohnes. „Jesu Kommen in unsere Mitte ist ein Geschenk“, lehrt Franziskus in „Patris Corde“,  „auf das ein jeder sich mit seiner konkreten Geschichte versöhnen möge, auch wenn er sie nicht ganz versteht.“ Für Papst Franziskus ist die Fähigkeit des Annehmens Teil der „Gabe der Stärke, die vom Heiligen Geist kommt“. Nur der Herr könne uns die Kraft geben, das Leben so anzunehmen, wie es ist, „und selbst dem, was darin widersprüchlich, unerwartet oder enttäuschend ist, Raum zu geben.“

Widersprüchlich, unerwartet und enttäuschend: Das ist auch die Botschaft des Engels, dass der König der Welt, das Kind Jesus, in Lebensgefahr schwebt. Von einem Tag auf den andern muss die junge Familie nach Ägypten fliehen. Hastiges Packen, ein eiliger Fluchtplan, dann die Ankunft in der Fremde ohne die eigene Werkstatt. Obwohl ihn ein Engel auf diesen Weg geschickt hatte, stand Josef vor folgenschweren Entscheidungen: Welcher Weg ist sicherer? Welcher schneller? An welchem Ort können wir rasten, wie schnell wieder aufbrechen? Josef hatte den Engel Gottes nicht auf der Kurzwahltaste.

Papst Franziskus stellt in „Patris Corde“ ebenfalls die Frage, warum Gott in dieser Zeit nicht „direkt und klar“ eingeschritten ist. Doch Gott wirke durch Ereignisse und Menschen, wie durch den „kreativen Mut“ Josefs, so der Heilige Vater: „Josef ist der Mann, durch den Gott für die Anfänge der Erlösungsgeschichte Sorge trägt.“

Gott wirkt durch schwache Menschen

Laut Papst Franziskus erfüllt sich die Heilsgeschichte „gegen alle Hoffnung […] voll Hoffnung“ (Röm. 4,18). Gott verlasse sich nicht nur auf die guten und starken Seiten seiner Kinder. In Wirklichkeit realisierten sich seine Pläne durch und trotz unserer Schwachheit. Indem Josef trotz seiner Schwäche und Fehlbarkeit für Jesus ein guter Vater ist, spiegelt er das Erbarmen Gottes mit seinen Kindern wider. Sein Leben ist Beispiel für die Demut, die es braucht, um sich vom eigenen Versagen nicht entmutigen zu lassen: Besonders angesichts der Vollkommenheit Gottes nicht. Die Sündlosigkeit Marias und Jesu hätte Josef frustrieren können. Immerhin war er der einzige in der Familie, der mit der Erbsünde zu ringen hatte. Stattdessen nährte die Nähe zu Jesus Josefs Liebe zu Gott.

Kontrolle abgeben: Josef als Vorbild für Männer

Für jeden geht ein besonderer Auftrag aus dem Leben und Zeugnis des heiligen Josef hervor. Es fordert dazu auf, in einer entrüstungsfreudigen Welt die Verantwortung für unseren Nächsten zu übernehmen und beispielsweise sorgfältig abzuwägen, ob öffentliche Anschuldigungen oder Urteile angemessen sind.

Besonders für Männer ist der Heilige Josef ein Beispiel für die Verantwortung gegenüber Frauen – und zwar allen Frauen; möglichen Partnerinnen genauso wie Müttern, Schwestern oder Nachbarinnen. 

Papst Franziskus führt Josefs Anliegen, Maria vor Schande zu bewahren auf dessen „Edelmut des Herzens“ zurück, für die der Heilige auch uns ein Vorbild ist. „Heute stellt sich Josef dieser Welt, in der die psychische, verbale und physische Gewalt gegenüber der Frau offenkundig ist, als Gestalt eines respektvollen und feinfühligen Mannes dar, der, obwohl er nicht im Besitz aller Informationen ist, sich zugunsten des guten Rufs, der Würde und des Lebens Marias entscheidet,“ so Franziskus in einer Predigt vom 8. September 2017 in Villavicencio, Kolumbien.

Neben einem entstellenden, hasserfüllten Männerbild blüht heute ein vermeintlich traditionelles Männerideal auf, das Verantwortung mit Kontrollbedürfnis verwechselt. Wer den heiligen Josef zum Vorbild hat, dem kann das eigentlich nicht passieren: Josef ist der ideale Vater, der ideale Ehemann, der ständig seine Kontrolle abgeben muss – und zwar an Gott. Er kann nicht kontrollieren, ob Marias Sohn wirklich vom Heiligen Geist ist, er kann nicht einmal kontrollieren, wie Jesus heißen soll, wo er zur Welt kommt oder wo er aufwächst. Sein ganzes Lebenskonzept ist mit seiner Verlobung mit Maria umgeworfen.

Josef gibt sich ohne Stolz oder Ego hin, indem er Maria und Jesus innerhalb seiner Möglichkeiten nach bestem Wissen und Gewissen beschützt, Jesus unterrichtet, und als einziger Sünder in der Familie seine Aufgabe wahrnimmt, die Gebete zu leiten – und den Rest Gott zu überlassen. So ermöglichte er es Jesus in einer Atmosphäre der Güte und Liebe aufzuwachsen; an Weisheit, Alter und Gnade zuzunehmen, wie es der Evangelist Lukas ausdrückt (Lk 2,52).  

So lehrt uns Josef, dass der Glaube an Gott auch bedeutet, daran zu glauben, dass dieser selbst durch unsere Ängste, unsere Zerbrechlichkeit und unsere Schwäche wirken kann“, so Papst Franziskus. „Manchmal wollen wir alles kontrollieren, aber er hat alles wesentlich umfassender im Blick.“ Der Papst betont: „Und [Josef] lehrt uns, dass wir uns inmitten der Stürme des Lebens nicht davor fürchten müssen, das Ruder unseres Bootes Gott zu überlassen.“

Der Heilige Vater war vorausschauend, die Kirche ihrem Patron Josef wieder zuzuwenden: Denn der Mann ohne Worte hat uns viel zu sagen: Durch sein Handeln, ohne das die Heilsgeschichte nur Hoffnung geblieben wäre. (sdu)

 

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