Menschenrechte
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PL / Politik: Was hinter den „LGBT-freien Zonen“ in Polen steckt

IEF, 02.10.2020 – Bei der Berichterstattung zu den von einigen Gemeinden verabschiedeten Resolutionen vermischen sich Fakten mit Fake News.

Etwa hundert polnische Gemeinden, vorwiegend im Südosten des Landes, haben Resolutionen erlassen, die in der Presse und von internationalen Institutionen zum Teil heftig kritisiert wurden. Dabei scheint sich der Vorwurf, die genannten Gemeinden hätten sich zu „LGBT-freien Zonen“ erklärt und würden LGBT-Personen diskriminieren, oft auf falsche oder zumindest unvollständige und ungenaue Informationen zu stützen. Besonders auffällig dabei ist, dass Resolutionen, die die Rechte von Familien fördern wollen, unterschiedslos in denselben Topf mit Resolutionen, die sich gegen eine Verbreitung der „LGBT-Ideologie“ richten, geworfen werden. Hier ein Versuch faktischer Rekonstruktion:

Eine Antwort auf die Warschauer LGBT-Erklärung

Alles begann im Februar 2019, als der Warschauer Bürgermeister, Rafał Trzaskowski, eine LGBT-Erklärung (polnisch) verabschiedete, die u.a. den Schutz der Rechte von LGBT-Personen und die Einbindung von Sexualerziehungsprogrammen auf Grundlage der WHO-Kriterien in Warschauer Schulen garantieren sollte. Die Erklärung wurde von vielen Seiten kritisiert. Unter anderem wurde ihr vorgeworfen, die Meinungsfreiheit und das Recht der Eltern, ihre Kinder im Einklang mit ihren Überzeugungen zu erziehen, zu beschränken und die Sexualisierung von Kindern zu fördern.

Etwas später haben einige polnische Gemeinden und Wojewodschaften zwei Arten von Resolutionen verabschiedet. Ein Teil der Gemeinden erließ Resolutionen, die sich gegen die Verbreitung der LGBT-Ideologie wehren, ein anderer beschloss sogenannte Chartas der Familienrechte, die u.a. von der polnischen Juristenvereinigung Ordo Iuris ausgearbeitet wurden.

Von Aufklebern zu falschen Ortstafeln

Die konservative Zeitschrift „Gazeta Polska“ hat die Resolutionen zum Anlass genommen und Aufkleber mit der Aufschrift „LBGT-freie Zone“ gedruckt, die später in „LGBT-Ideologie freie Zone“ umbenannt wurden.

Dies wiederum veranlasste den LGBT-Aktivisten Bartosz Staszewski dazu, Ortsschilder mit der Aufschrift „LGBT-freie Zone“, die echten Ortsschildern ähneln, anfertigen zu lassen und diese neben den echten Ortsschildern jener Gemeinden, die die vorher genannte Resolutionen verabschiedet hatten, anzubringen. Staszewski fertige auch Bilder von den von ihm aufgestellten Schildern an und verbreitete sie über Social Media. Die Bilder wurden von den Medien aufgegriffen, die sodann die Information verbreiteten, einige polnische Gemeinden (insgesamt beinahe 100) hätten sich zu „LGBT-freien Zonen“ erklärt. Die Ortsschilder wirkten derart echt, dass laut dem Tygodnik Solidarnosc LGBT-Aktivisten aus Schweden bei der polnischen Botschaft auf die Entfernung der Schilder drängten.

Verurteilung Polens durch die EU

Wohl Großteils über die Medien erfuhren dann auch EU-Institutionen und die Parlamentarische Versammlung der OSZE über die Vorfälle in Polen, verurteilten jene Gemeinden, die Resolutionen erließen, und warfen ihnen Diskriminierung von LGBT-Personen und die Verletzung von Internationalem und EU-Recht vor.

Dabei wurde jedoch, wie unter anderem Ordo Iuris berichtet, kein Unterschied zwischen Gemeinden, die Familienchartas und jenen, die gegen die LGBT-Ideologie gerichtete Resolutionen verabschiedet hatten, gemacht. Das zeigt sich unter anderem daran, dass sowohl diese als auch jene Gemeinden z. T. namentlich angeprangert wurden.

Aus der Verfassung abgeleitete Charta der Familienrechte

Die Familienchartas erwähnen das Wort LGBT kein einziges Mal. Sie sollen die in der Verfassung garantierten Rechte konkretisieren und auf die kommunale Ebene herunterbrechen. Gefördert werden sollen vor allem Elternrechte und das Wohl des Kindes, wobei festgestellt wird, dass die Aufgabe der Bildungseinrichtungen vor allem darin bestehe, die Bildungsrolle der Familien zu unterstützen und nicht die Familienerziehung zu ersetzen. Eltern sollen über die Zusammenarbeit der Schulen mit externen Anbietern und über die Teilnahme der Kinder an nicht obligatorischen Aktivitäten informiert werden und sie sollen auch die Möglichkeit haben, ihre Zustimmung dazu zu verweigern. Die Charta fordert zudem Fortbildungen für Eltern, Kinder und Lehrer.

Im Bereich der Sozialpolitik sollen die Gemeinden auf das Prinzip der Stärkung von Familien und Ehen Rücksicht nehmen und die Finanzierung von Projekten ausschließen, die gegen Familien-Werte verstoßen. Die Ehe wird dabei verfassungsgemäß als eine Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau verstanden. Die lokalen Regierungen sollen Familien – und hier besonders kinderreiche Familien – unterstützen und den Eltern die Möglichkeit geben zwischen verschiedenen Formen der Betreuung von Kleinkindern zu wählen (häuslich, öffentlich, privat etc.).

Empfohlen werden auch Zertifizierungsprogramme im Unternehmenssektor für familienfreundliche Unternehmen sowohl im Kunden- als auch im Mitarbeiterbereich und ein Family-Mainstreaming, also die Berücksichtigung des Wohls von Familien bei der Erlassung jeglicher lokaler Rechtsakte.

Schließlich wird auch die Berufung eines Ombudsmanns für die Rechte von Familien, dem Verstöße gegen die genannten Rechte gemeldet werden können, gefordert.

Umstrittene Anti-LGBT-Ideologie-Resolutionen

Was die Anti-LGBT-Ideologie-Resolutionen betrifft, so sollen sie sich vor allem gegen die Unterwanderung der Elternrechte, der Unabhängigkeit von Schulen und der Meinungs- und Unternehmensfreiheit richten. Zu letzterem sei ergänzt, dass etwa die Warschauer LGBT-Charta vorsieht, dass öffentliche Aufträge nur an jene Unternehmen vergeben werden sollen, die bereit waren die LGBT-Community und ihre Rechte zu unterstützen. Gegen diese Resolutionen wurde bereits mehrfach bei polnischen Gerichten vom Bürgerrechtsbeauftragten geklagt, wobei die Gerichte ihre Gültigkeit in einigen Fällen bestätigten, in anderen sie mit der Begründung, sie seien diskriminierend gegenüber LGBT-Personen, aufhoben. Im Gegensatz dazu wurde keine der Familienchartas bisher aufgehoben.

Immer wieder Fake News über Situation von LGBT-Personen in Polen

Was die sonstige Situation von LGBT-Personen in Polen betrifft, so wurden hier z. T. von LGBT-Aktivisten Falschinformationen verbreitet. So soll es  etwa mit der Festnahme von Michal Sz. mit dem Pseudonym „Margot“ gewesen sein. Die irreführende Information bestand darin, dass Aktivisten behaupteten, die über „Margot“ verhängte Untersuchungshaft sei aufgrund der Platzierung einer LGBT-Flagge auf einer Chistusstatue in Warschau erfolgt. Tatsache sei, wie tvp.info berichtet und wie auf einem Video zu sehen ist, dass die genannte Person wegen Sachbeschädigung (eines Pro-Life Busses) und Körperverletzung verhaftet wurde.

Im Europäischen Parlament wurde von Aktivisten auch ein „Atlas des Hasses“ vorgestellt in dem alle polnischen Gemeinden, die entweder die LGBT-Ideologie ablehnende Beschlüsse oder eine Familienrechtecharta verabschiedet hatten, angeprangert und als LGBT-diskriminierend dargestellt wurden.

In Polen waren homosexuelle Akte nie strafbar

Erwähnenswert unter dem Blickwinkel des Homophobie-Vorwurfs erscheint auch die Tatsache, dass, wie der polnische Rechtsanwalt Tymoteusz Zych in einem Interview mit Jan Ledochowski erklärte, Homosexualität und homosexuelle Akte in Polen nie strafrechtlich sanktioniert gewesen seien. Im Vergleich dazu seien homosexuelle Beziehungen in vielen europäischen Ländern, darunter auch Deutschland und Frankreich, bis vor nicht allzu langer Zeit mit Gefängnisstrafen bedroht gewesen und seien erst Ende des letzten Jahrhunderts entkriminalisiert worden. (AH)

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