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AT / Erziehung: Vorbild der Eltern wichtigste Prävention vor Smartphone-Sucht der Kinder

IEF, 26.7.2017 – Immer wieder weisen in letzter Zeit Studien auf das Suchtpotenzial und die gesundheitliche Gefährdung von digitalen Medien hin. Eine besondere Rolle wird der Familie und den Eltern zugeschrieben. Diese sind oft nicht ganz unbeteiligt an der Problematik und müssen Teil der Lösung sein, falls Kinder und Jugendliche versuchen aus der Abhängigkeit auszubrechen.

Mehrere Stunden pro Tag verbringen vor allem Jugendliche und junge Erwachsene heute im Internet, einen großen Teil davon an ihrem Smartphone. Dabei würden Eltern neben allen Vorteilen und Annehmlichkeiten, die Gefahren die von diesen Geräten ausgehen, verkennen, kritisiert der Psychiater Kurosch Yazdi vom Kepleruniversitätsklinikum Linz in einem Beitrag des Kurier. „Je jünger ein Kind ist, desto mehr müssen die Eltern Einschränkungen aussprechen”, betont Yazdi. „Das ist eine Bringschuld der Eltern und gehört zum Erziehen.“ Dabei ginge es aber weniger um Einschränkungen als ums Schaffen von Bewusstsein, indem man miteinander darüber rede, so der Primar, der in Linz die Abteilung für Suchtmedizin leitet.

Erst vor kurzem berichtete das IEF von einer neuen Studie nach der bereits 2-3 jährige Kinder mehr als 30 Minuten am Tag das Smartphone ihrer Eltern benutzen. Schon hier wurde vor möglichen Folgen gewarnt. Auch der Psychologe Christian Montag weist auf erste Ergebnisse von Studien hin, die den Smartphone-Gebrauch untersuchen. “Es gibt erste empirische Hinweise, dass die problematische Nutzung mit Aufmerksamkeitsdefiziten und Empathie-Einschränkungen in Zusammenhang stehen.” Weil Kinder durch das ständige schauen auf den Display weniger in direktem Kontakten mit Menschen sind, könnten Kinder Defizite in der Fähigkeit entwickeln, Emotionen im Gesicht anderer lesen zu können. Auch die mangelnde Bewegung kann zu defizitärer Entwicklung der Grobmotorik führen, was wiederum Einfluss auf die Entwicklung des Gehirn haben könnte, so Montag im „Kurier“.

Oft sind jedoch nicht nur die Kinder das Problem, sondern es fängt bei den Eltern an. Kinder lernen von Vorbildern, so Montag. Durch die Gewohnheit, sich ständig überall ablenken zu wollen, ob im Bus, in der Tram oder in den kleinen Momenten zwischendurch, werde das Gehirn darauf konditioniert, in jeder noch so kleinen Pause auf das Handy zu schauen. Das sehen auch die Kinder. Selbst die Erfinder des Smartphones von Apple äußern sich zuletzt kritisch zu dem, was sie selbst auf den Markt brachten. “Ich wache in kaltem Schweiß gebadet auf und denke oft, was haben wir auf die Welt gebracht?”, sagte Tony Fadell, Ex-Senior Director bei Apple, auf einer Konferenz in London. Er selbst sehe, wie schwer es seinen eigenen Kindern falle, die Geräte überhaupt einmal aus der Hand zu legen.

Circa 3-5% der Jugendlichen seien süchtig nach digitalen Medien. Pathologisch wird das Verhalten, wenn ohne das Smartphone oder das Internet normales Leben nicht mehr möglich ist, Leistungen in der Schule sinken, Kontakte nicht mehr gepflegt werden und Nervosität aufkommt, wenn das Smartphone nicht zur Hand sei. Erste Anzeichen oder die Gefahr einer Sucht seien gegeben, wenn Jugendliche ständig zum Handy greifen, in der Angst etwas zu verpassen, so Yazdi.

Immer wieder betonen die Psychologen Yazdi und Montag die wichtige Rolle der Eltern. Sie haben Vorbildfunktion und sollte es zu einer Sucht kommen oder hier eine Gefahr bestehen, müssten sie Teil der Lösung des Problems sein.  So gäbe es beispielsweise extra Elterngruppen, in denen Eltern von Kindern mit Medien-Suchtproblemen einander helfen können und professionelle Hilfe bekommen, wie in ihrem individuellen Fall verfahren werden sollte.

Im Alltag können schon kleine Dinge helfen, um dem Smartphone weniger Raum zu geben, so Montag gegenüber der „Huffpost“. Eine Armbanduhr statt dem Griff zum Handy und ein klassischer Wecker ließen sich zum Beispiel leicht anschaffen und würden schon einmal dafür sorgen, dass der erste und der letzte Griff des Tages nicht der zum Smartphone ist. „Grundsätzlich sind die Handys nicht zu verteufeln, denn bis zu einem gewissen Grad der Nutzung kann die Produktivität durch Smartphones sogar steigen[.]”,betont Montag, aber gerade dafür werde Medienkompetenz und die Fähigkeit der Selbstregulation benötigt.

Genau dabei können Eltern ihren Kindern ein Vorbild sein und sie darin unterstützen, dass die neuen Möglichkeiten der Medien ihnen dienen und nicht Kreativität und Entfaltungsmöglichkeiten rauben. Wichtige Information und Hinweise auf Beratung und andere Hilfe bietet etwa das Öffentliche Gesundheitsportal Österreich hier.

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