INT / Reproduktionsmedizin: Leihmutterschaft – Von der Regelung zur Förderung

IEF, 21.01.2021 – Immer mehr Länder erwägen eine rechtliche Regelung der Leihmutterschaft. Zwei Wissenschaftlerinnen haben aktuelle Gesetzesvorschläge analysiert.

Die Praxis der Leihmutterschaft ist in vielen Ländern verboten. Trotzdem kommt es nicht selten vor, dass Paare die Verbote umgehen, indem sie Kinder in Ländern, die die Praxis erlauben, bestellen. Betroffen sind etwa die Ukraine, Indien, Russland oder die USA.

Damit wird Leihmutterschaft zu einem zwielichtigen und im Graubereich funktionierendem Geschäft. Mit dem Argument, dass man die Praxis nicht international verbieten könne, werden daher immer wieder Stimmen laut, die eine innerstaatliche bzw. internationale Regelung der Praxis fordern. Diese sollte laut den Proponenten eine Ausbeutung von Frauen und Kindern und die Kommerzialisierung verhindern.

Britta van Beers und Laura Bosch, zwei Wissenschaftlerinnen aus den Niederlanden haben dementsprechende legistische Vorschläge aus Großbritannien und den Niederlanden analysiert. Dabei kamen sie zum Ergebnis, dass eine Regelung der Leihmutterschaft diese im Gegensatz zu den Absichtserklärungen viel eher propagieren und Frauen und Kinder einem weiteren Missbrauch aussetzen würden. Die Ergebnisse ihrer Untersuchung publizierten sie im Fachjournal The New Bioethics.

Leihmutterschaftsverbote haben Schutzwirkung

Die Autorinnen der Fachpublikation argumentieren, dass die in vielen Ländern der Welt geltenden rechtlichen Verbote der Leihmutterschaft dem Schutz der Rechte, der Würde und des Wohls von Leihmüttern und Kindern dienen. Nichtsdestotrotz würden nationale Leihmutterschaftsverbote immer mehr unter Druck geraten. Innerstaatliche Akteure seien damit konfrontiert, dass entweder Regelungen nicht eingehalten oder Verbote der Leihmutterschaft durch eine Reise ins Ausland umgangen werden. Wenn das Kind dann auf der Welt sei, würde das Kindeswohl von den Behörden dahingehend interpretiert, dass es im besten Interesse des Kindes sei, mit den Bestelleltern zu kooperieren – und zwar auch, wenn diese möglicherweise ohne Berücksichtigung des Wohls des Kindes oder der Leihmutter und auf illegalem Weg, zu dem Kind kamen.

Die Wissenschaftlerinnen geben jedoch zu bedenken, dass das Vorhandensein von Leihmutterschaftstourismus noch kein Beweis dafür sei, dass innerstaatliche Verbote wirkungslos wären. Die Zahlen seien zur Zeit noch relativ niedrig, was auf eine abschreckende Wirkung der Verbote hindeuten würde.

Innerstaatliches Bewilligungsverfahren als zweifelhafte Lösung

Die Regelungsvorschläge aus den Niederlanden und dem UK sowie die bereits existierende Regelung in Südafrika verbieten die kommerzielle Leihmutterschaft. Laut den Forscherinnen führe dies jedoch nicht zu einem automatischen Verschwinden der Praxis. Denn bei der Anerkennung ausländischer Geburtsurkunden würde den Bestelleltern, wiederum im Sinne des Kindeswohls, die rechtliche Elternschaft zuerkannt werden. Außerdem gäbe es keine Sanktionen für das Eingehen einer kommerziellen Leihmutterschaft bzw. wenn es sie gibt, würden sie mit dem Argument, dass „der Geburt des Kindes nicht etwas Kriminelles anhaften soll“, nicht exekutiert werden. Die Wissenschaftlerinnen befürchten daher, dass durch eine staatliche Regelung, die mit der Leihmutterschaft einhergehende Kommerzialisierung, Verdinglichung und Ausbeutung nicht verhindert, sondern vielmehr gefördert werde.

Hinzu komme, dass durch bestehende und zur Diskussion stehende Regelungen der Leihmutterschaft, das Prinzip, „mater semper certa est“ („die Mutter ist immer sicher“), wonach die Mutter jene Frau ist, die das Kind geboren hat, durchbrochen würde, indem den Bestelleltern automatisch die rechtliche Elternschaft zugesprochen werde. Das Prinzip habe jedoch die Funktion sicherzustellen, dass das neugeborene Kind von Beginn an einen sicheren sozialen und rechtlichen Status hat, sodass es ein Leben „in Wahrheit und Würde“ führen könne, heißt es weiter in dem Fachartikel.

Regulierungen garantieren nicht besseren Schutz

Gesetzesvorschläge zur Regelung der Leihmutterschaft würden das Versprechen bergen, einen besseren Schutz der Rechte und der Würde von Leihmüttern und zukünftigen Kindern zu gewährleisten. Die Realität sehe jedoch anders aus. Die Beschränkung der Praxis auf altruistische Leihmutterschaften beispielsweise wäre laut den Autorinnen leicht über eine kommerzielle Leihmutterschaft im Ausland und mangelnde Sanktionen oder nicht durchsetzbare Strafen im Inland zu umgehen.

Dazu komme eine unklare Definition der altruistischen Leihmutterschaft selbst. Im britischen Vorschlag hieße es etwa, dass Leihmutterschaftsverträge, bei denen keine Agentur mit Gewinnerzielungsabsicht zwischengeschaltet sei, als nicht-kommerziell gelten sollen oder dass „altruistische Leihmütter“, auch über die reinen Aufwendungen hinaus, bezahlt werden könnten. Das Memorandum zum dänische Gesetz wiederum spreche davon, dass die Zahlung von $ 100.000 an eine Leihmutter in den USA nicht als eine kommerzielle Transaktion bewertet werden müsse.

Ähnliche Schwierigkeiten gäbe es beim Erfordernis der medizinischen Notwendigkeit im Zusammenhang mit Leihmutterschaft. Das dänische Gesetz sehe hier eine sehr weite Auslegung des Begriffs der Notwendigkeit vor. Dabei würden alle Gründe berücksichtigt, die dem Austragen einer Schwangerschaft im Wege stehen können, angefangen von der biologischen Unmöglichkeit über das mit einer Schwangerschaft verbundene Risiko einer psychischen Erkrankung.

Vertragliche Verpflichtungen und Durchsetzbarkeit

Betrachte man Leihmutterschaftsvereinbarungen als Verträge, würde das dazu führen, dass Leihmütter dazu gezwungen werden könnten, das Kind abzugeben oder die Schwangerschaft abzubrechen. Damit würde die Leihmutter zu einem „Instrument im Dienste der intendierten Eltern“ – also de facto eine Nicht-Mutter und eine reine „Austrägerin der Schwangerschaft“. Das Kind werde bei diesem Ansatz ebenfalls zum Objekt der Vertragsverhandlungen, was den Wissenschaftlerinnen mit dem Kindeswohl kaum vereinbar erscheint.

In den Erklärungen zum britischen Gesetzesvorschlag hieße es daher, dass die zuständigen Behörden Leihmutterschaftsverträge nicht als konventionelle Verträge einstufen würden. Die Leihmutter wäre weiterhin in der Lage über ihren Körper zu verfügen und autonome Entscheidungen zu treffen.

Die Autorinnen wenden dagegen ein, dass nach den britischen und dänischen Regelungsvorschlägen, die Bestelleltern automatisch als rechtliche Eltern des Kindes anerkannt werden sollen, womit die Leihmutter vertraglich verpflichtet wird, das Kind abzugeben. Zwar werde den Leihmüttern ein Widerspruchsrecht eingeräumt. Dieses sei jedoch stark eingeschränkt. Denn in der kurzen „Bedenkzeit“ nach der Geburt wären die Leihmütter meist in einem besonders vulnerablen Zustand – sie würden sich von den Strapazen oder Komplikationen der Geburt erholen und würden zum Teil an einer postpartalen Depression leiden. Außerdem wären die Leihmütter angehalten, triftige Gründe für das Behalten des Kindes zu nennen.

Ähnlich sei es mit den der Leihmutter vertraglich auferlegten Verpflichtungen. Theoretisch behalte sie die Autonomie über ihren Körper und ihr Leben. Wie die Erfahrung aus anderen Ländern oder in ähnlichen Fällen zeige, würden die zuständigen Behörden oder Gerichte jedoch sehr wohl den Leihmüttern gewisse Verhaltensstandards, Verpflichtungen und Sorgfaltspflichten auferlegen.

Von der Regulierung zur Förderung der Leihmutterschaft

Empirische Studien würden belegen, dass Leihmutterschaft sich auch in Ländern, in denen nur altruistische Vereinbarungen erlaubt seien, als ein lukratives Geschäft erweisen würde, bei dem Zahlungen unter der Hand an der Tagesordnung wären. Das in manchen Ländern gängige gerichtliche Genehmigungsverfahren im Vorfeld des Abschlusses einer Leihmutterschaftsvereinbarung, würde sich dabei als eine formell bürokratische Prozedur herausstellen, die zu einer eindringlichen Beurteilung der hinter den Vereinbarungen stehenden Motive nicht im Stande sei.

Es sei generell zu bezweifeln, dass die zuständigen Institutionen in der Lage wären, festzustellen, ob gewisse Voraussetzungen erfüllt wurden oder nicht – ob Zahlungen und in welcher Höhe tatsächlich erfolgt sind oder ob die Leihmutter in einer vulnerablen Position war. Um derartige Ermittlungen führen zu können, fehle es den Institutionen an Mitteln und Instrumenten. Damit laufe man Gefahr, als kommerziell und daher ausbeuterisch und als Menschenhandel zu betrachtende Leihmutterschaftsverträge staatlich abzusegnen.

Die Wissenschaftlerinnen resümieren, dass sich Staaten durch die rechtliche Regelung der Leihmutterschaft, an der Verletzung der Rechte und der Würde von Leihmüttern und den von ihnen geborenen Kindern mitschuldig machen würden. Es wäre für sie daher nicht verwunderlich, wenn Kinder, die von einer Leihmutter geboren werden, in Zukunft den Staat wegen Verletzung ihrer Menschenrechte und ihrer Würde verklagen könnten. Solche Klagen gäbe es bereits im Zusammenhang mit Adoption oder Keimzellspenden und es sei wahrscheinlich, dass sie auch im Zusammenhang mit Leihmutterschaft angestrengt werden. (AH)

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