VfGH - Richter
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AT / Ehe: VfGH prüft Ehe für gleichgeschlechtliche Paare

IEF, 18.10.2017 – In einer Pressemitteilung vom 17.10.2017 gab der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) bekannt, die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu prüfen.

Der VfGH hat die Prüfung jener gesetzlichen Bestimmungen eingeleitet, die für heterosexuelle Paare die Ehe und für homosexuelle Paare die eingetragene Partnerschaft vorsehen. „Vor dem Hintergrund einer bis in die jüngste Vergangenheit reichenden rechtlichen und gesellschaftlichen Diskriminierung von Personen gleichgeschlechtlicher sexueller Orientierung“ hat der VfGH in seinem Prüfungsbeschluss vom 12.10.2017 Bedenken geäußert, dass die von der geschlechtlichen Zusammensetzung eines Paares abhängigen Rechtsinstitute eine unzulässige Diskriminierung im Hinblick auf ihre sexuelle Orientierung darstellen könnten.

Argumentationslinie des VfGH

Laut Begründung des Höchstgerichts hätte der Gesetzgeber bei der Einführung der eingetragenen Partnerschaft als eigenes Rechtsinstitut für die Lebensgemeinschaft zweier Menschen gleichen Geschlechts insbesondere darauf abgestellt, dass die gemeinsame Elternschaft der Ehe vorbehalten bliebe. Mittlerweile sei  aber aufgrund der erfolgten Rechtsentwicklung auch eine gemeinsame Elternschaft für homosexuelle Paare möglich, da auch gleichgeschlechtliche Paare gemeinsam adoptieren könnten bzw. durch in Österreich zulässige Formen der künstlichen Fortpflanzung als gemeinsame Eltern anerkannt würden. Der VfGH resümiert daher, dass „mit dem unterschiedlichen Rechtsinstitut und der unterschiedlichen Bezeichnung öffentlich und für jede Person deutlich gemacht werden dürfte, dass die von der eingetragenen Partnerschaft erfasste personale Beziehung zwischen zwei Personen gleichen Geschlechts etwas anderes – nach früherem Verständnis ‚minderes‘ – ist als die Ehe zwischen Personen verschiedenen Geschlechts, obwohl beide Beziehungen intentional von den gleichen Werten getragen sind.“ Die Verdeutlichung des Unterschiedes könnte also „in erster Linie einen diskriminatorischen Effekt haben, wie ihn Art.7 Abs.1 B-VG als wesentlichsten Inhalt gerade verbietet“.

Prüfung der Wortfolge „verschiedenen Geschlechts“

Konkret werde der VfGH die Wortfolge „verschiedenen Geschlechts“ in § 44 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) sowie das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz (EPG) zur Gänze in einem Gesetzprüfungsverfahren prüfen. Anlass des Verfahrens ist die Beschwerde von in eingetragener Partnerschaft lebenden Frauen, die die Zulassung zur Begründung einer Ehe beantragt hatten. Der Antrag wurde zunächst vom Magistrat der Stadt Wien und in der Folge vom Verwaltungsgericht Wien abgelehnt. Vertreten werden die Frauen sowie das in der Partnerschaft lebende Kind als Drittbeschwerdeführer durch den bekannten LGBTI-Aktivisten Dr. Helmut Graupner, der Mitinitiator der parlamentarischen Bürgerinitiative „Ehe-gleich“ ist. Schriftliche Stellungnahmen werden u.a. von der Bundesregierung eingeholt, wobei die Entscheidung in einer der nächsten Sessionen zu erwarten sein werde. Genauere Information zu weiteren Stellungnahmen und Terminen war auf Nachfrage beim VfGH nicht zu erhalten. Der VfGH hat von amtswegen das Normprüfungsverfahren eingeleitet. Das Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht bleibt bis zur Entscheidung durch das Höchstgericht unterbrochen.

Vorgebrachte Argumente nicht überzeugend

Die bisher vorgebrachten Argumente laut Prüfbeschluss scheinen jedoch wenig überzeugend, meint Dr. Stephanie Merckens vom Institut für Ehe und Familie (IEF). Die Juristin betont, dass der Begriff „Elternschaft“ im Zusammenhang der Adoption oder auch der künstlichen Fortpflanzung mithilfe von Fremdsamenspenden immer die rechtliche Elternschaft meine. Also die Einräumung der Rechte und Pflichten gegenüber einem Kind im Sinne einer Elternschaft. Demgegenüber liege dem Eheverständnis des österreichischen Zivilrechts der Begriff der biologischen (leiblichen) Elternschaft zugrunde, da es in § 44 ABGB wörtlich um den Willen zur Zeugung von Kindern gehe. Die Zeugung eines Kindes durch zwei Personen des gleichen (biologischen) Geschlechts sei aber bis heute biologisch weiterhin nicht möglich. Politisch interessant sei zudem das Timing des Beschlusses.

Timinig: Neubildung der Regierung und personelle Veränderungen beim VfGH

Der Beschluss der Prüfung der „Eheöffnung“ wurde noch vor der Wahl beschlossen, allerdings erst zwei Tage nach der Wahl bekannt gemacht. Die Prüfung der Eheöffnung fällt zeitlich auch in den bevorstehenden Personalwechsel am VfGH: am 25.9.2017 leitete deren Präsident Dr. Gerhart Holzinger, der wie Dr. Eleonore Berchtold-Ostermann und Dr. Rudolf Müller aus Altersgründen mit 31.12.2017 ausscheiden wird, die Nachbesetzung ein. Laut Mitteilung des VfGH sei die Bundesregierung aufgerufen, für die Person des Präsidenten oder der Präsidentin Vorschläge zu machen, der Nationalrat für die Stelle Müllers und der Bundesrat für jene von Berchtold-Ostermann. Aufgrund der Nationalratswahl vergangenes Wochenende und der nun folgenden Regierungsbildung sei die Nachbesetzung bis Jahreswechsel nicht sicher. Die Bundesregierung wurde zur Stellungnahme aufgefordert. Üblicherweise bekommt sie dafür 6 bis 8 Wochen Zeit. Eine Fristverlängerung sei zwar möglich, allerdings nur durch den Bundeskanzler. Bis zur Angelobung einer neuen Bundesregierung führt die alte Regierung die Geschäfte interimistisch weiter.

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