VA / Kirche: „Verwirf mich nicht, wenn ich alt bin“
IEF, 20.07.2024 – … so heißt das Thema zum 4. Welttag der Großeltern. Aber was hat “Begegnung” mit einer “Kultur des Lebens” zu tun?
Zum vierten Mal feierte die Kirche am vergangenen Sonntag, den 28. Juli 2024, den Welttag der Großeltern und älteren Menschen. Das diesjährige Thema lautet: „Verwirf mich nicht, wenn ich alt bin“ (vgl. Ps 71,9). Das Thema soll darauf aufmerksam machen, dass Einsamkeit oft das bittere Los im Leben vieler Menschen ist, die mit fortschreitendem Alter Opfer einer „Wegwerfkultur“ werden. Auch soll der Welttag darin bestärken, Generationen zu verbinden und eine Kultur der Begegnung zu fördern, so das Dikasterium für die Laien, die Familie und das Leben.
Warum dem Thema „Altern“ einen eigenen Tag widmen? Was hat Begegnung zwischen Generationen mit einer christlichen „Kultur des Lebens“ zu tun? Antworten auf diese Fragen finden sich unter anderem in Papst Franziskus’ Botschaft zum diesjährigen Welttag der Großeltern und Älteren.
Gott achtet nicht auf weiße Haare und noch weniger auf unsere Produktivität
Fakt ist: Gott achtet nicht auf Äußerlichkeiten. Er lässt uns nie im Stich – auch dann nicht, „wenn das Alter fortschreitet und die Kraft nachlässt, wenn das Haar weißer wird und die soziale Stellung abnimmt, wenn das Leben weniger produktiv wird und droht, als nutzlos zu erscheinen“, erklärt Papst Franziskus. Vielmehr noch: Gott macht die „ältesten Steine“ zur Stütze für die „neuen Steine“.
Ausgrenzung und Einsamkeit: Das Ergebnis unserer individualistischen Entscheidungen
Doch trotz der treuen Liebe Gottes für all Seine Kinder sowie Seiner Vorliebe, gerade diejenigen als Fundament der Kirche auszuwählen, die unbedeutend erscheinen, findet man in den Psalmen die inständige Bitte: „Verwirf mich nicht, wenn ich alt bin“ (Ps 71,9).
Ein Blick in die Welt reicht aus, um die Einsamkeit und Ausgrenzung vieler älterer Menschen zu erkennen: eine „offensichtliche Realität“, die „weder zufällig noch unausweichlich“ ist, sondern „das Ergebnis von Entscheidungen – politischer, wirtschaftlicher, sozialer und persönlicher Art –, die die unendliche Würde eines jeden Menschen nicht anerkennen“, so Papst Franziskus.
Warum kommt es zu solchen „Entscheidungen“?
Die Frage, weswegen es zu solchen Entscheidungen kommt, beantwortet der Papst folgendermaßen:
Erstens: In einigen Ländern der Welt sei der Grundsatz verbreitet, „die Alten würden der Jugend die Zukunft stehlen“. Sie würden nur kosten und wenig bringen. Oft würden ältere Menschen selbst dieser Mentalität verfallen, sich nur noch als Last empfinden und am liebsten verschwinden wollen. Wenn wir also beginnen, Menschen als „Kostenfaktor“ zu sehen, werden wir zunehmend blind für unsere Würde; eine Würde, die allerdings unabhängig davon, in welchen Umständen und in welchem Zustand wir uns befinden, besteht (vgl. Dignitas infinita, 1).
Zweitens: Wenn wir (schon in jüngeren Jahren) der Illusion folgen, dass wir uns „in einem möglichst autonomen und von anderen unabhängigen Leben“ am besten verwirklichen können, schotten wir uns zunehmend von den Anderen ab. Spätestens wenn die Kräfte schwinden, entpuppe sich aber das „Trugbild des Individualismus“: Wir schaffen und retten uns nicht alleine. Oft sei es dann allerdings schon zu spät – man habe „den Geschmack an der Geschwisterlichkeit verloren“ (Enzyklika Fratelli tutti, 33).
„Geschmack der Geschwisterlichkeit“ ist Voraussetzung für Reichtum der Vielfalt
Wie der Papst Ende April erklärte, sei unsere Gesellschaft reich an Menschen, die in unterschiedlichsten Bereichen spezialisiert sind. Verlieren wir aber den „Geschmack an der Geschwisterlichkeit“, gehe auch dieser Reichtum verloren. Die Verschiebung vom “Wir” zum “Ich” sei eines der deutlichsten Zeichen unserer Zeit. Daraus resultiere das „große Risiko“ der gesellschaftlichen Zersplitterung und des Egoismus, der auch die Institution der Familie zum Opfer falle.
Über die Rolle der Familie
Wenn die Familie tatsächlich eines der Opfer dieser individualistischen Kultur ist, so ist sie laut Kardinal Kevin Farrell aber auch ihr bestes Gegenmittel: „Familien und die kirchliche Gemeinschaft sind aufgerufen, an vorderster Front eine Kultur der Begegnung zu fördern, Räume des Austauschs, des Zuhörens, der Unterstützung und der Zuneigung zu schaffen“.
Wo Begegnung gelingt und wo Mitmenschlichkeit gelebt wird, können auch Altersunterschiede „wie die verschiedenen Facetten eines Diamanten den Glanz des Menschseins und der Schöpfung offenbaren“, so der Papst.
Das „Alt-Sein“: Eine besondere Facette des Menschseins
Ältere Menschen tragen eine Brille, zumindest fast alle. Trotzdem “sehen sie weit”, heißt es in der Botschaft. Es sei kein Zufall, dass gerade Simeon und Anna, zwei ältere Personen, als erste Jesus im Tempel erkannten. Sie verstanden als erste, dass es wirklich Gott war, der mitten unter ihnen anwesend war.
Daraus folgt ein besonderer Appell des Papstes, auf die eigenen Großeltern zu hören; und zwar, vor allem dann, wenn sie durch ihr Zeugnis lehren, „die wichtigsten Beziehungen zu pflegen, die nicht mit Gewalt erlangt werden können, die nicht durch Erfolg erscheinen, die aber das Leben erfüllen“.
Wie Familienbischof Hermann Glettler es beschreibt: „Bei vielen Menschen erneuert sich ja gerade im Alter die Verbundenheit mit Gott, weil man deutlicher wahrnimmt, dass sich das Wesentliche im Leben nicht machen lässt”. Auch er betont, dass wir auf gesellschaftlicher Ebene für den „kostbaren Schatz des Lebens”, und zwar in jeder Lebensphase (nicht nur in der Jugend), achtsamer werden müssten.
Pastorale Empfehlungen zum Welttag der Großeltern
Das Dikasterium für die Laien, die Familie und das Leben schlägt zur Feier des Welttages der Großeltern und Älteren zwei grundlegende Gesten vor: Die Feier einer eucharistischen Feier, die älteren Menschen gewidmet ist und den Besuch von hilfsbedürftigen älteren Menschen.
Möglichkeit zur Gewinnung eines vollkommenen Ablasses
Alle, die an den Feierlichkeiten am 28. Juli teilnehmen oder hilfsbedürftige ältere Menschen besuchen, können (unter den üblichen Bedingungen) einen vollkommenen Ablass gewinnen. Der vollkommene Ablass kann auch älteren Menschen und ihren Betreuern gewährt werden, die ihr Zuhause aus schwerwiegenden Gründen nicht verlassen können. Mehr Infos >>hier. (SM)
Gebet zum 4. Welttag der Großeltern und älteren Menschen am 28. Juli 2024
Herr, treuer Gott,
Du, der Du uns nach Deinem Abbild geschaffen hast,
Du, der Du uns nie allein lässt
und uns durch alle Jahreszeiten des Lebens begleitest,
verlasse uns nicht, sorge für uns
und schenke uns einmal mehr
die Fähigkeit, uns selbst zu entdecken
und zu erkennen, dass wir Deine Kinder sind.
Erneuere unsere Herzen mit Deinem Wort
und lass nicht zu, dass jemand verworfen wird.
Möge Dein Geist der Liebe uns mit Deiner Zärtlichkeit erfüllen
und uns lehren,
jenen, denen wir auf unserer Reise begegnen,
zu sagen:
„Ich verlasse Dich nicht!“
Mögen wir mit der Hilfe deines geliebten Sohnes
den Geschmack an der Geschwisterlichkeit nicht verlieren
und nicht in die Traurigkeit der Einsamkeit verfallen.
Hilf uns, mit neuer Hoffnung in die Zukunft zu blicken,
und mach den Welttag der Großeltern und der älteren Menschen
zu einem Tag ohne Einsamkeit sowie zu einem Tag im Überfluss
der Erstlingsfrüchte Deines Friedens.
Amen.
(Übersetzung des Instituts für Ehe und Familie)