US / Abtreibung: Mythen und Fakten rund um Abtreibung
IEF, 16.07.2019 – Abtreibungsbefürworter argumentieren seit Jahren damit, dass Abtreibungsverbote jährlich zum Tod tausender Frauen, die mangels Alternativen zu unsicheren Abtreibungen griffen, geführt hätten. Tatsächlich sollen in den USA ein Jahr vor der landesweiten Legalisierung der Abtreibung insgesamt weniger als 100 Frauen an legalen und illegalen Abtreibungen sowie Fehlgeburten gestorben sein.
Die Washington Post unterzog in ihrer „Fact Checker-“Analyse diverse Aussagen von Abtreibungsbefürwortern, Lebensschützern und Politikern zum Schwangerschaftsabbruch einer eingehenden Prüfung. Das nahm auch die Tagespost zum Anlass, einigen Punkten auf den Zahn zu fühlen. Lesen Sie hier über vier der derzeit verbreitetsten Mythen:
Mythos 1 „Tausende von Frauen starben jährlich wegen unerlaubter Abtreibungen“
Unter anderem wurde die in einem Interview gefallene Aussage von Leana Wen, Präsidentin von Planned Parenthood (PP), vom Mai 2019 näher analysiert. Wen sprach davon, dass „jährlich tausende Personen vor [dem Höchstgerichtsurteil] Roe v. Wade starben, da sie keinen Zugang zu sicheren und legalen Abtreibungen hatten“. Fakt sei jedoch laut Washington Post, dass lediglich in den 30er und 40er Jahren tausende von Frauen in den USA an verpfuschten Abtreibungen starben, auch wenn es wegen der Stigmatisierung der Prozedur nur unzureichende Daten gäbe. Mit der Herstellung von Penicillin und anderen Antibiotika sei die Sterblichkeitsrate jedoch drastisch zurückgegangen. Laut dem National Center for Health Statistics sollen im Jahr 1965 nur 235 Todesfälle nach einer Abtreibung gemeldet worden sein, wobei man davon ausgeht, dass die Gesamtzahl der Sterbefälle nach Abtreibungen – nämlich sowohl nach illegalen als auch nach legal durchgeführten – zweifelslos höher war, jedoch mit großer wahrscheinlich unter 1000 lag.
Mythos 2 „Abtreibungen gefährlicher denn je“
Einen weiteren Mythos, den die Washington Post einem Faktencheck unterzieht, bediente ein Tweet der amerikanischen Lebensschutzorganisation LiveAction. Darin heißt es: „1972 gab es 19 Todesfälle nach `Hinterzimmer- Abtreibungen´. 2017 wurden 1001 Komplikationen nach legalen Abtreibungen von 13 Bundestaaten gemeldet. Eine Abtreibung ist für Mutter und Kind nie sicher und sie ist gefährlicher als je zuvor.“
Die Washington Post stellt der Aussage von LiveAction Daten des Center for Disease Control and Prevention (CDC) gegenüber und korrigiert die Zahl der Todesfälle nach illegalen Abtreibungen von 19 auf 39. Die Zeitung stellt der Behauptung, Abtreibungen seien gefährlicher denn, eine Aussage von Mary Steichen Calderone, der damaligen medizinischen Leiterin von Planned Parenthood in Amerika, entgegen, die bereits im Jahre 1959 Abtreibungen, und zwar sowohl die in Krankenhäusern durchgeführten als auch die illegalen, als ungefährlich einstufte.
Die Anzahl der gemeldeten Komplikationen im Jahr 2017 scheint laut Washington Post zu stimmen. Ehrlicherweise könne man jedoch Todesfällen nicht einfach Komplikationen gegenüberstellen. Insgesamt sei laut CDC die Sterberate nach Abtreibungen von 2.09 zwischen 1973 und 1977 auf 0.62 Todesfälle pro 100.000 durchgeführten legalen Abtreibungen in den Jahren 2008 bis 2014 gesunken. Die Behauptung, Abtreibungen seien gefährlicher denn je, könne deshalb so nicht aufgestellt werden.
Mythos 3: „Abtreibungsbefürworter schrecken auch vor Kindstötung nicht zurück“
Bei einer weiteren Aussage, scheint die Washington Post aber selbst einem Mythos aufzuliegen. Wie das IEF berichtet hat, wurden in New York und Virginia in den letzten Monaten weitreichendere legale Möglichkeiten für Abtreibungen eingeführt. Insbesondere wurde der Spätabbruch von Kindern bis zur Geburt ermöglicht, wenn eine nur ungenau definierte Gesundheitsgefährdung der Mutter vorliegt. Ebenfalls in den letzten Monaten hielt US-Präsident Donald Trump eine Rede, aus der die Washington Post zitiert: „And then you have this governor in Virginia — you heard that. The baby is born and you wrap the baby beautifully and you talk to the mother about the possible execution of the baby. … And to protect innocent life, I called on Congress to immediately pass legislation prohibiting extreme late-term abortion.”
Washington Post geht in Folge der Frage nach, ob die neuen Abtreibungsgesetze aus New York oder Virginia die Tötung von Kindern nach der Geburt zu ließen und verneint dies. Daraus wiederum folgern die Journalisten, dass Trump möglicherweise Spätabbruch mit Kindstötung (Infantizid) verwechsle.
Aus Sicht des IEF übersieht die Washington Post dabei allerdings die Diskussion um die medizinische Versorgung von Kindern, die eine (späte) Abtreibung überlebt haben. Wie das IEF berichtet hat, löste das neue in New York erlassene und in Virginia vorgeschlagene Gesetz die Sorge aus, dass dadurch das Recht von Kindern auf sofortige und umfassende medizinische Versorgung, die ihre Abtreibung überlebt haben, aufgeweicht werde. Aufgeheizt wurde die Debatte um Spätabtreibungen auch durch kontroverse Äußerungen des Gouverneurs von Virginia, Ralph Northam, demnach dieser eine Tötung von Kindern, die einen Schwangerschaftsabbruch überlebten, für nicht ausgeschlossen halte.
Die geschilderten Entwicklungen auf Bundesstaatenebene veranlassten Senator Ben Sasse einen Gesetzesvorschlag zum Schutz von Abbruchüberlebenden, den Born-Alive Abortion Survivors Protection Act, einzubringen. Dieser hätte vorgesehen, dass das medizinische Personal, einem Kind, das seine eigene Abtreibung überlebt, die gleiche medizinische Versorgung zukommen lassen muss, wie jedem anderen Kind, das im gleichen Schwangerschaftsalter auf die Welt kommt. Der Gesetzesbeschluss wurde jedoch von den demokratischen Abgeordneten verhindert, die fast einhellig dagegen stimmten. Sie argumentierten, dass eine ausreichende gesetzliche Absicherung von Neugeborenen bereits vorhanden sei und verwiesen dabei auf den Born-Alive Infants Protection Act aus dem Jahr 2002. Dieses hält fest, dass alle Neugeborenen als „Personen“, „menschliche Wesen“, „Kinder“ und „Individuen“ im Sinne der Gesetze gelten, unabhängig davon wie sie geboren wurden. Zur rechtlichen Einschätzung und Erfahrungswerte lesen Sie weiter hier.
Vor diesem Hintergrund ist es also durchaus möglich, dass Trump zwar sehr wohl den Unterschied zwischen Spätabbruch und Kindstötung (Infantizid) kennt, aber auch deutlich machen will, dass die radikale Verteidigung des Spätabbruchs mit der Entscheidungsfreiheit der Frau jedenfalls dann zur legalisierten Kindstötung durch Unterlassen führen kann, wenn die Behandlung von die Abtreibung überlebenden Kindern vom Willen der Mutter abhängig gemacht werde, meint etwa Dr. Stephanie Merckens vom Institut für Ehe und Familie (IEF).
Mythos 4: Hochrechnungen und Schätzungen
Die Analyse der Washington Post zur Abtreibungssterblichkeit wurde auch in einem Artikel der Tagespost aufgegriffen. In dem Tagespost-Artikel heißt es, dass das US-amerikanische Center for Disease Control and Prevention (CDC) seit dem Jahr 1972 Daten zu Todesfällen nach Abtreibungen sammelt. Im ersten Erfassungsjahr, also ein Jahr vor dem Höchstgerichtsurteil Roe v. Wade mit dem die Abtreibung in den USA legalisiert wurde, sollen in den USA laut CDC insgesamt 88 Frauen an den Folgen von Abtreibungen oder Fehlgeburten, davon 24 nach legalen Abtreibungen, 39 nach illegalen Abtreibungen und 25 nach Fehlgeburten, gestorben sein.
Die von Planned Parenthood behauptete Sterblichkeitsrate nach Abtreibungen sollen, wie die Tagespost weiter berichtet, auf die Angaben des American College of Obestricians and Gynecologists (ACOG) zurückgehen. Laut ACOG hätten vor der Legalisierung der Abtreibung in den USA jährlich 1,2 Millionen Frauen eine Abtreibung vorgenommen, von denen etwa 5.000 daran starben. Interessant sei, dass sich das ACOG dabei auf einen Bericht aus dem Jahr 1958 stützte, der die Abtreibungszahlen in den USA aufgrund mangelnder Datenlage mit 200.000 bis 1,2 Millionen bezifferte. Dies zeige laut Tagespost, mit welch schwammigen Daten und Zahlen immer wieder gerechnet wird. Außerdem sei es wohl eine bewusste Entscheidung des ACOG gewesen, die höchstmögliche Anzahl an Abtreibungen (1,2 Millionen) als Grundlage für ihre Berechnungen heranzuziehen.
Wie das ACOG auf 5.000 Todesfälle nach Abtreibungen komme, würde der besagte Bericht jedoch nicht erklären, heißt es weiter in der Tagespost. Diese Zahlen seien auf Aussagen des Gynäkologen Frederick Taussig aus dem Jahre 1936 zurückzuführen, der von acht- bis zehntausend Todesfällen jährlich sprach. Bei seiner Schätzung ging Taussig anfangs von 912 in 15 Bundesstaaten innerhalb eines Jahres gemeldeten Todesfällen nach Abtreibungen aus, rechnete diese auf das gesamte Land hoch und kam dabei auf die Anzahl von 3.508 Todesfällen. Diese Zahl soll er auf 4.000 aufgerundet haben und da er davon ausging, dass ca. die Hälfte aller Sterbefälle nach Abtreibungen verschwiegen werden, erhöhte er die Zahl auf 8.000 und meinte schließlich, dass nicht mehr als 10.000 Frauen nach Abtreibungen gestorben wären. Diese Zahl korrigierte er im Jahre 1942 schließlich auf 5.000 Todesfälle.
Ähnliche Schätzungen und Hochrechnungen würde laut der Tagespost auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vornehmen. Diese basiere ihre Zahlen zu Todesfällen nach Abtreibungen auf Schätzungen zur Müttersterblichkeit. Die WHO gehe dabei ebenfalls davon aus, dass Abtreibungen oft als Fehlgeburten deklariert werden und jede zweite Frau in den USA ihre Abtreibung verheimlicht. Der Datensatz für die USA wird von der WHO daher automatisch verdoppelt. (AH)