Abtreibungspille
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US_DE / Abtreibung: Erleichterter Zugang zu medikamentösem Schwangerschaftsabbruch

IEF, 14.01.2022 – Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde hat die Abtreibungspille für den Versand freigegeben. Währenddessen startete ein Pilotprojekt für telemedizinische Begleitung von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland.

US-Arzneimittelbehörde lockert Abgabebedingungen für Abtreibungsmittel 

Die Gesundheitsbehörde „U.S. Food and Drug Administration“ (US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel/FDA) hat den Versand und den Verkauf des Abtreibungsmittels Mifepriston in Apotheken für zulässig erklärt. Mifepriston unterlag bisher der Regulierung durch die FDA und durfte nur von Ärzten ausgehändigt werden. Medienberichten zufolge wurden die Abgabeänderungen infolge der Corona-Pandemie vorgenommen, um Kontakte zu reduzieren und die Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus zu minimieren. Diese kontaktlose Abgaberegelung soll nun dauerhaft gelten.

Pro-Choice: Restriktionen der Abtreibungsmittel sind „veraltet“ 

Die Pro-Choice Liga begrüßt den Versand der Abtreibungsmittel. Das Mittel kontaktlos zu erhalten, sei vor allem für Frauen in ländlichen Gebieten „hilfreich“. Außerdem müssten sich die betroffenen Frauen nicht der Ansteckungsgefahr durch das Coronavirus bei einem Arztbesuch aussetzen, argumentiert die Gynäkologin und Abtreibungsanbieterin Nisha Verma aus Washington, D.C. So werde der medikamentöse Schwangerschaftsabbruch einfacher zugänglich gemacht und die Frauen könnten „diesen im Komfort des eigenen Heimes vornehmen“, so die Ärztin weiter.

Julia Kayne, Anwältin der Bürgerrechtsunion „American Civil Liberties Union“, bezeichnete die Restriktionen des Abtreibungsmittels als „veraltet“. Durch die neue Regelung könnte „Abtreibung für noch mehr Frauen zugänglich gemacht werden“. Laut der US-amerikanischen Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie belegten zahlreiche Studien seit der Zulassung des Abtreibungsmittels Mifepriston im Jahr 2000 dessen Anwendungssicherheit.

Schwangerschaftsabbruch per Telemedizin in Deutschland 

Mit dem selben Argument, Frauen auch während der Corona-Pandemie den Zugang zu Abtreibung zu gewährleisten, startete auch in Deutschland ein Pilotprojekt von der Beratungsstelle pro familia, dem Beratungszentrum balance und dem Verein Doctors for ChoiceMedienberichten zufolge werden Schwangerschaftsabbrüche dabei per Telemedizin zu Hause vorgenommen, sofern eine rein medikamentöse Abtreibung möglich ist. Teilnehmerinnen sprechen per Videoschalte mit einer Frauenärztin und bekommen die Medikamente für die Abtreibung mit der Post zugeschickt. Die Pandemie sei für das Projekt der Katalysator gewesen, schildert die am Projekt beteiligte Gynäkologin Dr. Jana Maeffert. Die Anfragen seien seit Beginn der Pandemie gestiegen. „Einer der häufigsten Gründe war nicht, dass eine Frau mit COVID-19 positiv getestet wurde oder in Quarantäne musste, sondern wegen der Kinderbetreuung – oder deren Mangel“, so Maeffert. Außerdem sei die Zahl der Gynäkologen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführe, in Deutschland rückläufig. Seit 2003 habe sich die Zahl der Abtreibungspraxen und -kliniken fast halbiert. Das liege auch an den „aggressiven Abtreibungsgegnern“, wodurch den Ärzten, die Schwangerschaftsabbrüche durchführten, ein Stigma angehaftet werde. Frauen müssten in manchen Teilen Deutschlands einen weiten Weg auf sich nehmen, um einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen. Schwangerschaftsabbrüche per Telemedizin seien deshalb „praktischer“. Maeffert kritisiert zudem, dass die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen nicht zum Standard-Lehrplan bei der Medizinerausbildung gehörte. „Schwangerschaftsabbrüche gehören einfach zu diesem Beruf dazu, egal wie ich sie persönlich bewerte. Diese Einstellung vermisse ich bei vielen Kollegen“, so Maeffert in einem Interview. Von der deutschen Ampel-Regierung erhoffe sie sich die Streichung des Schwangerschaftsabbruchs aus dem Strafgesetzbuch.

Pro-Life: Mehr Nebenwirkungen bei medikamentöser Abtreibung  

Laut dem Nachrichtenportal IDEA weist eine wissenschaftliche Mitarbeiterin des Charlotte-Lozier-Instituts in Arlington (US-Bundesstaat Virginia), Tessa Longbons, entgegen der Behauptungen, wie sicher die medikamentöse Abtreibung für Frauen sei, auf mögliche Nebenwirkungen nach der Einnahme von Mifepriston hin. So sei belegt, dass die Risiken für Frauen, Komplikationen bei chemischen Abtreibungen zu erleiden oder sogar zu sterben, erheblich höher seien als bei operativen. Longbons fordert daher die Wiedereinführung der Pflicht zur ärztlichen Aufsicht bei der Einnahme des Abtreibungsmittels.

Schwerwiegende Kritik an DIY-Abtreibungen

Die Entscheidung der FDA reiht sich in eine international zu beobachtende Tendenz, Frauen den Zugang zur Abtreibung oftmals unter Missachtung von Schutzbestimmungen zu erleichtern. Mit der Begründung ein mögliches Ansteckungsrisiko mit dem Coronavirus durch Kontaktreduktion zu vermeiden, wurde der Versand eines Abtreibungsmittels während der Corona-Pandemie auch in England und Schottland erlaubt. Die Kritik an „Do-it-yourself-Schwangerschaftsabbrüchen“ wurde seither immer lauter. So seien die gesundheitlichen Risiken durch die Einnahme des Abtreibungsmittels ohne ärztliche Aufsicht enorm. Aber auch die psychischen Auswirkungen dürften nicht übersehen werden. So berichtete eine Frau in Schottland, dass sie sich seit der Abtreibung in ihrer Wohnung nicht mehr wohl fühlen könne, weil sie ständig daran erinnert werde, dass sie an dem Ort sei, an dem ihr Kind – „wie in der Szene eines Horrorfilms“ – gestorben sei. Nicht zu unterschätzen sei nach Ansicht der Medizinerin Dr. Eileen Reilly auch die Gefahr, dass Frauen von ihrem Umfeld noch leichter zu Abtreibungen genötigt werden könnten, wenn jeglicher persönliche Kontakt zu einem Arzt unterbleibe. „Sie entfernen den Beratungsprozess. Die meisten Frauen sind emotional aufgewühlt, aber es könnte ein Element der Nötigung vorhanden sein, was bei einem Telefongespräch, oder sogar bei Telemedizin schwieriger zu erkennen ist.“ Nötigung beträfe 70 bis 80 Prozent der Frauen, die sich für eine Abtreibung entscheiden würden, so Reilly. Sie sei weit verbreitet und ein anzuzeigendes Delikt. Eine Frau spricht jedoch oft nicht über eine erfolgte Nötigung, „es sei denn, ihr werden spezifische Fragen gestellt“.

Medikamentöser Schwangerschaftsabbruch in Österreich 

Wie das IEF berichtete, bewilligte das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) die Abgabe der Abtreibungspille im Juli 2020 durch niedergelassene Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Bis dahin durfte das Medikament nur an Krankenhäusern und Zentren, die selbst Schwangerschaftsabbrüche durchführen, ausgegeben werden. Nach wie vor muss die Einnahme des ersten Medikaments Mifegyne jedoch unter ärztlicher Aufsicht erfolgen. (TSG)

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