Pränatalscreenings
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US / Pro-Life: Vorsicht geboten bei positiven Pränatalscreenings

IEF, 12.01.2022 – Nachforschungen der New York Times ergaben, dass sich 85% der nichtinvasiven Pränatalscreenings bei Nachprüfung als falsch herausstellten.

Um Gewissheit über eine etwaige Krankheit ihres Fötus zu erlangen, unterziehen sich viele Frauen einem nichtinvasiven Pränataltest. 2020 machten etwa ein Drittel der amerikanischen Schwangeren ein Pränatalscreening. Doch diese Tests laufen Gefahr, ein falsches Ergebnis zu liefern und die Eltern ungerechtfertigt in Angst und Schrecken zu versetzen.

Auf der Suche nach seltenen Krankheiten und Behinderungen

Früher wollte man mit den nichtinvasiven Pränatalscreenings vor allem Trisomien (etwa Down Syndrom) erkennen. Dabei soll der nichtinvasive Pränataltest (NIPT) anhand einer Blutprobe der Schwangeren bereits ab der 10. Schwangerschaftswoche die Trisomien 13, 18 oder 21 und das Geschlecht des Ungeborenen feststellen können. Im Gegensatz zu den invasiven Verfahren handelt es sich bei dem Bluttest jedoch um ein Such- und keinesfalls ein beweisendes Diagnoseverfahren. Jedes auffällige Testergebnis könne daher nur durch invasive Diagnoseverfahren (wie Amniozentese, Plazenta- oder Choriozottenbiopsie) bestätigt oder widerlegt werden (das IEF hat berichtet). Wenn das Testergebnis kommt, befindet sich die Schwangere noch innerhalb der ersten drei Schwangerschaftsmonate, in denen in den meisten westlichen Ländern ein Schwangerschaftsabbruch ohne Angabe von Gründen möglich ist. Eine verheerende Folge davon sind immer niedrigere Geburtenraten von Kindern mit Down Syndrom (das IEF hat berichtet).

Nun haben ambitionierte Wissenschaftler von US-Großunternehmen im Silicon Valley zusätzlich das Versprechen abgegeben, dass derselbe Test viele weitere chromosomale Anomalien mit derselben Genauigkeit bestimmen könnte und das schon in der zehnten Schwangerschaftswoche. Zu diesen Anomalien würden zum Teil äußerst seltene Krankheiten zählen, von denen viele Mütter bei der Diagnose oft noch nie gehört haben. Wie die NY Times berichtete, sei bei einem ersten positiven Test allerdings Vorsicht geboten, denn dieser könne noch kein verlässliches Ergebnis liefern. Erst ein zweiter invasiver Test, bei dem mittels einer langen Nadel im Rahmen eines – den betroffenen Frauen zufolge – sehr schmerzhaften Eingriffs Zellen aus der Plazenta entnommen werden, könne Klarheit verschaffen. Zumeist beruhigende Klarheit, denn ganze 85% der im ersten Anlauf positiven Screeningtests stellen sich dabei als falsch heraus. Im Gegenteil kommen die Babys vollkommen gesund und ohne Anzeichen auf die zuvor ermittelte Krankheit zur Welt.

Großes Geschäft

Das Problem der nichtinvasiven Tests stellt sich vor allem bei der Suche nach besonders vielen und raren Krankheiten. Je seltener die Krankheiten sind, desto ungenauer wird der Test, wie die Zahlen deutlich zeigen. Das hält die Unternehmen jedoch keineswegs davon ab, Geschäfte damit zu machen. In der Werbung werden die Tests als sehr verlässlich und genau beschrieben. Außerdem wird behauptet, dass sie werdenden Müttern eine vollkommene Sicherheit bieten würden. Die realen Daten der angebotenen Leistungen werden von den Unternehmen erst gar nicht veröffentlicht.

„Screening Tests nehmen eine Risikobewertung vor, sind jedoch nicht diagnostisch“, warnt Siobhan Dolan, Professorin für Gynäkologie, Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin an der Mount Sinai School in New York. Es sei äußerst schwierig, seltene Krankheiten durch ein Screening ausfindig zu machen, auch wenn man einen exzellenten Test verwende. Nur diagnostische Tests, bei denen Zellen aus der Plazenta entnommen werden, würden genaue Ergebnisse liefern. Hier wiederum bestehe das Risiko einer Fehlgeburt, weshalb viele Frauen das Screening bevorzugen würden. Über all diese Umstände müsse man die Eltern aufklären, so Dolan.

Traumatisierende Erfahrungen

Trotz der vielen Falschscreenings sind deren Folgen nicht zu unterschätzen. Nach einem ersten positiven Screeningtest erleben viele Frauen „die schlimmste Zeit ihres Lebens“. Einige entscheiden sich bereits ohne zweitem Screening für einen Schwangerschaftsabbruch und treiben ihr wahrscheinlich vollkommen gesundes Kind ab. Eine Frau erzählte, dass sie jahrelang und mit unzähligen Fertilitätsbehandlungen versucht hatte, schwanger zu werden. Als es endlich klappte, erhielt sie nach einem Pränatalscreening einen Anruf von ihrem Arzt, dass ihr ungeborenes Kind positiv auf eine Krankheit getestet worden sei, von der sie noch nie zuvor gehört hatte. Unter anderem würde das Kind aufgrund dieser Krankheit kein eigenständiges Leben führen können. Die, wie sich später herausstellte, falsche Nachricht zog der Frau den Boden unter den Füßen weg. Viele Frauen berichteten von Konzentrationsproblemen in der Zeit des Wartens auf den zweiten Test. Etliche zögen weitere Kleidung an, damit man ihre Schwangerschaft nicht bemerkte. Eine Betroffene erlitt eine nachgeburtliche Depression trotz des zum zweiten Anlauf negativ ausgefallenen Tests. Noch immer, viele Monate nach der Geburt, ertappte sich die Mutter dabei, Symptome für jene Krankheit im Internet zu suchen, die ihr Kind nach Ergebnissen des ersten Screenings haben sollte. Sie hofft, irgendwann damit aufhören zu können. (TS)

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