GB / Gender: Feministinnen und Transsexuelle protestieren gegen Pläne für neues Transgendergesetz
IEF, 24.5.2018 – In England wird derzeit über eine Änderung des 2004 verabschiedeten Gender Recognition Act (GRA) debattiert. In Zukunft soll es möglich sein, auch ohne ärztliche Diagnose seine Geschlechtsangabe für den öffentlichen Rechtsverkehr zu wechseln
Geschlechtswechsel soll einfacher werden
Bereits seit Juli 2017 gebe es laut Berichten der „Indipendent“ erste Pläne, die Rechtslage für Menschen zu ändern, die ihre geschlechtliche Identität nicht entsprechend ihrem biologischen Geschlecht empfinden. Die Regierung wollte damit auf Forderungen eingehen, die das Frauen- und Gleichstellungskomitee 2016 in Form eines Berichtes über Gleichstellung von Transgender-Personen vorstellte. Demnach sollte es vereinfacht werden, rechtlich und staatlich anerkannt in das empfundene Geschlecht zu wechseln und damit in allen rechtlichen und offiziellen Vorgängen als dieses Geschlecht anerkannt zu werden. Bislang ist dafür nach dem 2004 verabschiedeten Gesetz ein sogenanntes „Gender Recognition Certificate“ notwendig. Dafür ist ein Mindestalter von 18 Jahren erforderlich, die Person muss zum Zeitpunkt der Ausstellung bereits seit zwei Jahren in dem gewünschten Geschlecht leben und ein Arzt muss die Geschlechtsdysphorie (ehemals „Geschlechtsidentitätsstörung“) bestätigt haben. Ist die Person verheiratet, muss außerdem auch der Ehepartner dem zivilrechtlichen Geschlechtswechsel zustimmen. Kritiker der aktuellen Regelung beschrieben diese Bedingungen laut dem von der Regierung angeforderten Bericht als „bürokratisch“, „teuer“ und „erniedrigend“. Zudem würde sie dazu beitragen, dass Geschlechtsdysphorie weiterhin pathologisiert werde.
Forderungen und Änderungsvorschläge
Im Anschluss an diesen Bericht wurden erste Vorschläge bekannt, den Prozess und die Bedingungen zum Geschlechtswechsel zu vereinfachen. Dabei stehen zurzeit einige dieser möglichen Änderungen im Zentrum heftiger Debatten in Großbritannien. Kontroversen rufen der Vorschlag, die rechtlicher Änderung des Geschlechts auch ohne Bestätigung eines Arztes durchführen lassen zu können sowie Bestrebungen, das Mindestalter auf 16 Jahre zu senken, hervor.
Transsexuelle und Feministen sind gegen Vereinfachung des rechtlichen Geschlechtswechsels
Die Kritik an den vereinfachenden Vorschlägen kommt aus verschiedenen Richtungen. Vor einigen Tagen richtete sich eine Gruppe von 17 Transsexuellen mit einem offenen Brief über die Zeitung TheGuardian an die Öffentlichkeit und warnten davor, die bisherigen Anforderungen des „Gender Recognition Certificate“ aufzuheben. Dies würde laut den Autoren des Briefes die Unterschiede zwischen Transsexuellen, die sich den entsprechenden Geschlechtsoperationen unterzogen hätten und jenen, die körperlich keine Veränderungen anstrebten (Transgender), verwischen. Sie beschreiben, dass Hormontherapie und Operationen zur Geschlechtsumwandlung schwerwiegende und entscheidende Veränderungen im Leben der betroffenen Person bewirkten und subjektiv wichtige Schritte auf dem Weg zu rechtlichen Anerkennung des anderen Geschlechts seien. Ihre Sorge sei, dass die Glaubwürdigkeit ihrer Community darunter leiden würde, könne nun jeder eigenmächtig und ohne ärztliche Begleitung das Geschlecht wechseln, unabhängig davon, inwiefern er diese Identität auch nach außen hin lebe. So könnten dann auch Männer mit einem Fetisch für weibliche Kleidung oder auch Männer, die sich aber nicht den körperlichen Umwandlungsprozessen unterziehen, für sich entsprechende Rechte, wie etwa Frauenrechte in Anspruch nehmen. Der Unterschied zwischen „transsexuell“ und „transgender“ werde damit verwischt und die Rechte von Transsexuellen eingeschränkt, so die Befürchtungen.
Ähnliche Sorge regt sich bei Feministen und Eltern. So berichtet TheGuardian, dass gerade abseits der oft hitzigen Debatte in Onlineplattformen ein besorgter Austausch unter diesen Gruppen entstanden sei. Frauen, die sich lange dafür eingesetzt hätten, Räume in der Gesellschaft zu schaffen, in denen sie sich nicht vor männlicher Gewalt fürchten müssten, sehen diese nun in Gefahr. Besonders die feministische Gruppe „WomensPlace“ äußerte starke Kritik an den Vorschlägen zur Gesetzesänderung. Insbesondere sieht sie die geplanten Transgenderrechte im Konflikt zu Frauenrechten. Orte wie etwa Frauenhäuser oder andere Einrichtungen, die Frauen vorbehalten sind, sollten aufrechterhalten werden. Könne aber jeder Bürger selbst und ohne jede Diagnose bestimmen, welchem Geschlecht er angehören möchte, sähen die Aktivistinnen diese Räume in Gefahr, so WomensPlace in einem Statement. Eltern wiederum äußerten sich besorgt um ihre Kinder im Hinblick auf Situationen, die sich auf Ferienlagern uä ergeben könnten. So fragte laut TheGuardian eine Mutter auf einer Veranstaltung, wie sie sich dann noch sicher sein könne, dass das Mädchen, das neben ihrer Tochter im Zelt läge nicht biologisch eigentlich noch ein Junge sei? Gleichzeitig sei für sie sicherlich auch eine wichtige Frage, wie man Transgenderjugendliche und –kinder nicht aus der Gemeinschaft ausschließe.
Situation in Österreich
Über die Änderungen wird nach wie vor beraten, doch die Debatte scheint verfahren. Die österreichische Bioethikkommission äußerte sich 2017 sehr bedacht zum Thema der Geschlechtsumwandlung. Dr. Stephanie Merckens, Biopolitikerin am Institut für Ehe und Familie (IEF) und Mitglied der österreichischen Bioethikkommission erzählt: „In der Bioethikkommssion hatten wir Gelegenheit, den Erfahrungsbericht einer betroffenen Person zu hören. Diese hat die Sinnhaftigkeit eines schrittweisen, langwierigen Prozesses bestätigt. Während des Prozesses empfand sie die zahlreichen psychologischen Gutachten zwar als mühsam und lästig. Aber im Rückblick ist sie dankbar, da sie dadurch auf das Leben nach dem Geschlechtswandel vorbereitet wurde.“ Nach Einschätzung der Bioethikkommission gibt es in Österreich für einen rechtlichen Wechsel des Geschlechts nach der einschlägigen Judikatur zwar keinen Operationszwang (insbesondere im Bereich der Genitalien), es sei aber weiterhin erforderlich, dass ua das äußere Erscheinungsbild dem gewünschten Geschlecht angepasst ist und die Lebensweise im anderen Geschlecht nachhaltig ist. Nach der Rechtsprechung des EGMR dürfe zudem einer Person nach einer operativen Geschlechtsumwandlung ein rechtlicher Geschlechtswechsel nicht verwehrt werden. Wie das IEF berichtet hat, prüft der österreichische Verfassungsgerichtshof zur Zeit zudem die Frage, ob das Personenstandsgesetz verfassungswidrig ist, da es keine Option zur Angabe einer dritten Kategorie bei den Geschlechtsangaben vorsieht. Allerdings gibt es schon heute die Möglichkeit laut Personenstandsgesetz Angabe, die nicht eindeutig sind, auszulassen. Eine Regelung, die auch auf die Geschlechtsangaben anzuwenden sein müsste, meint Merckens, womit das Personenstandgesetz jedenfalls nicht verfassungswidrig sei. Allerdings müsste auf Verordnungswege noch genauer geklärt werden, unter welchen Umständen von einer „Uneindeutigkeit“ ausgegangen werden dürfe und die faktische Möglichkeit geschaffen werden, das Geschlecht offen zu lassen, so die Juristin.