CA / Gender: Transgender Person will Geburtsurkunde ihres Kindes ohne Geschlechtszuweisung
IEF, 20.7.2017 – Katy Doty bezeichnet sich selbst als „nicht-binäre trans“ Person. Seit der Geburt ihres Kindes Searyl Atli im November 2016 bezeichnet sie sich als „nicht-binärer trans Elternteil“ und kämpft vor den Gerichten ihres Bundesstaates dafür, dass der Pass ihres Kindes ohne Geschlechtsbestimmung ausgestellt wird. Das berichtet CBC Radio-Canada.
Der kanadische Fall
Doty möchte ihr Kind nach eigenen Angaben ohne Geschlechtszuweisungen erziehen, da sie selbst darunter gelitten hätte, dass die Ärzte ihr nach der Geburt aufgrund körperlicher Merkmale ein Geschlecht zugewiesen hätten, das nicht ihrem gefühlten Geschlecht entsprochen hätte. Es gibt allerdings keine Anzeichen dafür, dass das Geschlecht des Kindes Searyl Atli nicht eindeutig zugewiesen werden könne. Tatsächlich wurde nun die Krankenversicherungskarte des Kindes mit “U” (“undetermined” oder “unassigned“ – deutsch „unbestimmt“ oder „nicht zugeordnet“) statt „männlich“ oder „weiblich“ ausgestellt. Eigentlich fordert Doty aber, dass in der Geburtsurkunde ihres Kindes überhaupt keine Angaben über das Geschlecht aufscheinen. Das Geschlecht schon bei der Geburt festzulegen „verletze das Recht des Kindes darauf, seine Geschlechtsidentität frei auszudrücken“, argumentiert Doty. Es sei ein sehr schwieriger Prozess, das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht im Nachhinein ändern zu lassen. Dieser Stress könnte reduziert werden, wenn von Anfang an keine Geschlechtszuweisung in den Dokumenten existiere, erhofft sich Doty. Derweil werde in Canada geprüft, ob die Einführung einer dritten Geschlechtsbeschreibung in offiziellen Dokumenten möglich sei. Die Einführung einer dritten Kategorie hält Doty jedoch nicht für ideal, weil die Zuweisung zu einer dritten non-binären Option die Personen ebenso kennzeichne und zum Ziel von Diskriminierung machen könne. Dotys Motivation sei, dass ihr Kind Searyl „den Freiraum hat, sich zur unversehrtesten und vollständigsten Person zu entwickeln, die es sein kann.“
Situation in Österreich und Deutschland
Die Geburt eines Kindes muss in Österreich binnen einer Woche dem zuständigen Standesamt angezeigt werden, woraufhin eine Geburtsurkunde ausgestellt wird, auf welcher der Name des Kindes, die Namen der Eltern, das Geschlecht (“männlich” oder “weiblich”), der Geburtszeitpunkt sowie der Geburtsort festgehalten werden. Eine dritte Geschlechtskategorie existiert in Österreich nicht. 2016 hatte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich den Antrag eines intersexuellen Klägers auf den Eintrag eines dritten Geschlechts in seinem Pass abgelehnt, da die österreichische Rechtsordnung kein drittes Geschlecht abseits der binären Zuordnung nach männlich bzw weiblich kenne. Menschen, deren „gelebtes“ Geschlecht sich im Laufe ihrer Entwicklung von dem zum Geburtszeitpunkt festgelegten Geschlecht unterscheidet, räumt das Personenstandsgesetz die Möglichkeit einer Personenstandsänderung ein. Bei der Personenstandsänderung wird der Geschlechtseintrag im Geburtenbuch geändert, wodurch eine ehe-, sozial- und pensionsrechtliche Gleichstellung mit Personen des Identitätsgeschlechts erfolgt. § 40 Personenstandsgesetz würde an sich die Möglichkeit einräumen, die Angabe des Geschlechts offen zu lassen, ergänzt Dr. Stephanie Merckens vom Institut für Ehe und Familie (IEF), da eine Eintragung dann unvollständig bleiben kann, wenn sie nicht in angemessener Frist vollständig angegeben werden könne. Dies wäre aber zum Einen nur für intersexuell geborenen Kinder relevant. Unter „intersexuell“ versteht man eine nicht eindeutige Geschlechtszugehörigkeit aufgrund physischer Merkmale wie Chromosome, Gene oder Geschlechtsmerkmale. Zum Anderen sei bisher noch kein Fall bekannt, in dem in realiter die Geschlechtsangabe frei gelassen worden sei.
In Deutschland kann der Geschlechtseintrag bei intersexuellen Personen (nicht aber bei transsexuellen Personen) seit einer Änderung des Personenstandsgesetzes 2013 offen gelassen werden. In seiner Stellungnahme zum Thema Intersexualität hatte der Deutsche Ethikrat 2012 die Einführung eines dritten Geschlechts gefordert, da die Festlegung auf das binäre Geschlechtssystem „männlich“ oder „weiblich“ für intersexuelle Menschen eine schwere Grundrechtsverletzung darstelle. Der Bundesgerichtshof erklärte in einem Urteil von Juni 2016 die Eintragung eines dritten Geschlechts ins Geburtenbuch, wie etwa „divers“, „x“, „inter“, für nicht zulässig. Die Frage einer Grundrechtsverletzung durch die Festlegung auf ein Geschlecht stelle sich nicht mehr, da Intersexuelle seit 2013 jede Geschlechtsangabe im Geburtenregister streichen lassen könnten.
Gefahren der Behandlung einer Störung der Geschlechtsidentität bei Kinder und Jugendlichen
Zeitgleich zum oben genannten kanadischen Fall berichtet das Wiener Bioethik Institut IMABE über einen Anstieg des Interesses an geschlechtsverändernden Maßnahmen bei Kinder und Jugendlichen. So dokumentierte das britische Gender Identity Development Service, dass im Jahr 2009/10 94 Kinder mit Eltern Beratung in Anspruch genommen hatten, 2016/17 seien es bereits 1.986 Kinder gewesen, was einen Anstieg um über 2000 Prozent entspreche. Auch in den USA boomten Gender-Kliniken für Jugendliche. Gab es im Jahr 2014 noch 24 Gender-Kliniken, seien es im Jahr 2015 landesweit bereits 40 gewesen. IMABE zitiert Michelle Cretella, Präsidentin des American College of Pediatricians, welche die immer häufiger werdenden Hormonbehandlungen im Kindesalter für ein nicht-wissenschaftliches Massenexperiment hält und vor einem unverantwortlichen Boom warnt. Bislang gebe es keinen wissenschaftlichen Nachweis, wonach die Störung der Geschlechtsidentität angeboren wäre. Vielmehr handle es sich bei 80-95 % der Kinder um ein vorübergehendes Phänomen, bei dem ohne Hormonbehandlung oder chirurgische Eingriffe die Symptome verschwanden und die Kinder nach Abschluss der Pubertät emotional stabil würden.
In den Leitlinien für die Behandlung von Störungen der Geschlechtsidentität im Kindes- und Jugendalter der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie werden als Hauptsymptome zur Diagnose einer Störung der Geschlechtsidentität der Wunsch, dem anderen Geschlecht anzugehören, und das Unbehagen über das eigene Geschlecht angeführt. Bei Kindern wird eine Psychotherapie empfohlen, die u.a. die sich entwickelnden Konflikte durch das „Anderssein“ der psychischen und sozialen Außenseiterstellung des Kindes vermindern soll. Die Beratung der Eltern wird als weiteres wichtiges Segment der Behandlung angesehen. Die Experten haben beobachtet, dass Mädchen „auch nach länger dauernder und intensiver Symptomatik meist im Laufe der pubertären Entwicklung den Wunsch aufgeben, dem anderen Geschlecht anzugehören und über ihr biologisches Geschlecht nicht länger Unbehagen empfinden“. Bei Buben hingegen komme „es meist zu homosexueller Partnerwahl oder bisexuellem Verhalten“. Vor einer pubertätshemmenden hormonellen Behandlung wird ausdrücklich gewarnt, da es zu den Folgen der Behandlung keine systematischen Untersuchungen gebe.