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Ö / Reproduktionsmedizin: Symposium zu nicht-invasiven pränatalen Tests (NIPT) in Wien

IEF, 10.10.2018 – Das Ludwig Boltzmann Institut für Health Technology Assessment lud am 9. Oktober zu einem Symposium im Rahmen dessen die medizinischen, ethischen und gesundheitspolitischen Implikationen der nicht-invasiven pränatalen Tests (NIPT) diskutiert wurden.

Zum Auftakt des Symposiums präsentierte Univ.-Prof. Dr. Dieter Bettelheim von der Uni-Klinik für Frauenheilkunde am Wiener AKH das medizinische Hintergrundwissen und einen Einblick in die Praxis rund um die Pränataldiagnostik (PND). Er wies vor allem darauf hin, dass der NIPT kein Diagnoseverfahren, sondern lediglich ein Test ist, mit dem das Vorhandensein der drei häufigsten Trisomien (13,18 und 21) festgestellt werden kann. Viele seltene Erkrankungen (rare conditions), weitere chromosomale Veränderungen und Fehlbildungen können nur mit Hilfe des Ultraschalls und der invasiven Diagnostiken erkannt werden. Bei einem bestehenden, individuell und unabhängig vom Alter festgestellten (mittlerem) Risiko bei der Schwangeren plädiert Bettelheim daher weiterhin für eine Kombination („das Beste aus zwei Welten“) aus invasiven und nicht-invasiven Tests und Diagnostiken.

Zu den heutigen und zukünftigen ethischen Herausforderungen im Zusammenhang mit NIPT referierte Priv-Doz.Dr. Dagmar Schmitz vom Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der MedizinUniklinik RWTH Aachen in Deutschland und Michal Stanak, MA, AKC, vom Ludwig Boltzmann Institut für Health Technology Assessment in Wien. Schmitz wies bei ihren Ausführungen darauf hin, dass Fragen wie: „Wer ist Patient bei der Pränataldiagnostik?“, „Was ist das Patientenwohl und wie kann man dieses fördern?“ im Zusammenhang mit der Pränataldiagnostik unbeantwortet bleiben. Sie hinterfragte auch die angemaßte Deutungshoheit in Bezug auf Krankheit und brachte das Beispiel von Menschen mit Down-Syndrom, die ihren Zustand selbst meist nicht als krankhaft bezeichnen würden. Eine interessante Ergänzung zu den ethischen Ausführungen lieferte Stanak mit einem Kurzvortrag zu „Nudging“ und „Framing“. Bei „Nudging“ und „Framing“ gehe es Formulierungen von Informationstexten, Beratungen und Angeboten, die den Adressaten immer in irgendeiner Form in eine bestimmte Richtung lenkten. Diese Formulierungen ergeben sich sowohl bewusst, als auch unbewusst. Sie seien aber gerade im medizinischen Kontext weit verbreitet.

Einen Einblick in die Beratungspraxis von Frauen und Paaren bei einem positiven Testergebnis gab Dr. EmeseSzent-Iványi, ärztliche Leiterin der Down-Syndrom Ambulanz in Wien. Sie berichtete über das Angebot der Down-Syndrom Ambulanz, das  auch interdisziplinärer Beratung von Fachleuten aus Medizin, Psychologie und Sozialarbeit mitumfasse. Allerdings stünden mangels finanzieller Deckung bloß 20 Stunden pro Monat zu Verfügung. Die Neonatologin und Allgemeinmedizinerin berichtete über die einzelnen Traumaverarbeitungsphasen, die Eltern nach einer Down-Snydrom-Diagnose durchlaufen und gab drei Beispiele von Familien, die sich nach einer Beratung in der Down-Syndrom Ambulanz für das Kind entschieden haben.

Den abschließenden Vortrag hielt Priv.Doz. Dr. Matthias Perleth, Leiter der Abteilung Fachberatung Medizin in der Geschäftsstelle des Gemeinsamen Bundesausschusses in Deutschland. In seinen Referat gab Perleth einen Einblick in die momentan in Deutschland stattfindende Diskussion zur Kostenübernahme des NIPT durch die Krankenkassen. Das IEF hat berichtet.

Trotz der sehr unterschiedlichen Ansätze und fachlichen Hintergründe der Vortragenden waren sich – bis auf Bettelheim – alle einig, dass es in der Pränataldiagnostik und vor allem bei den nicht-invasiven Tests an einer ausführlichen Beratung der Schwangeren fehle. Viele Frauen würden sich für einen Test entscheiden, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass es sich oft um eine Diagnostik ohne Therapiemöglichkeit handelt. Oft wird der Test zur Beruhigung und Versicherung, dass das Ungeborene gesund sei, angeboten. Die angehenden Eltern erlebten daher regelrecht ein Trauma und fallen aus allen Wolken, wenn der Test dann plötzlich positiv ausfällt. Daher ginge es nicht nur um die Frage, ob sondern auch in welcher Form solche Tests angeboten werden sollten.

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