
IEF-Talk: Stressfrei durch den Familienalltag
von Sabrina Montanari, erschienen in der Tagespost am 27. Februar 2025
Kein Pausenbrot vorbereitet, die Zeit rennt, die Kinder wollen nicht mitmachen – und der Stresspegel steigt. Wie sehr lassen wir uns von Stress-Situationen im Familienalltag mitreißen? Was kann dabei helfen, solche Situationen nicht eskalieren zu lassen?
Im jüngsten Expertengespräch des Instituts für Ehe und Familie der Österreichischen Bischofkonferenz („IEF-Talk“) geht es um Resilienzfaktoren: Fähigkeiten, die uns dabei helfen können, in guter Beziehung zu uns selbst und zu anderen zu bleiben – und zwar sowohl in akuten Stresssituationen, als auch während längerer Krisenzeiten im Leben.
Resilienzfaktoren für den Alltag
Die gute Nachricht: Solche Fähigkeiten können erlernt und trainiert werden. Das Expertengespräch führte Katharina Mansfeld, psychosoziale Beraterin am IEF, mit Susanne Pointner, Psychologin, Psychotherapeutin sowie Leiterin der ARISE-Akademie – einem Ausbildungslehrgang für Sozial-, Lebens-, Ehe- und Familienberatung auf Basis des christlich-humanistischen Menschenbildes.
Aus der Literatur kenne man zwar Resilienzfaktoren, also „Dinge, die uns helfen, stärker zu sein“, so die Klinische Psychologin Mansfeld. Aber „welche Faktoren bewähren sich wirklich im Alltag?“ Der „wichtigste Tipp“ sei paradoxerweise der, „die Tipps zu vergessen, die man kriegt, um von der Selbstoptimierung wegzukommen“, so Pointner. In der Existenzanalyse spreche man vielmehr von vier „Grundmotivationen“ für ein gutes Leben.
Wichtig: Gesundes Ausmaß an Selbstfürsorge
Zu diesen gehören erstens ein gesundes Ausmaß an Selbstfürsorge und damit die folgende Frage: „Was gibt mir Sicherheit im Leben?“. Teil des eigenen „Beruhigungskoffers“ könne dabei durchaus etwas Banales wie „die Tasse Kaffee“ sein, die zwar anregt, aber eben auch Sicherheit und damit Ruhe schenkt.
Zweitens: Beziehungen. Es gehe dabei zum einen um die wohlwollende Beziehung zu mir selbst, die stets verbessert werden könne: „Inwieweit bin ich mir zum Beispiel eine Trösterin?“ Aber auch um eine wohlwollende Beziehung zum Anderen: „Du, das war jetzt schwierig, dass Du vergessen hast, die Kinder abzuholen und ich bin sehr verärgert, aber ich glaube, es geht Dir auch nicht gut damit und es tut mir leid – für Dich“, beschreibt Pointner eine wohlwollende Botschaft an den Partner in einer angespannten Situation.
Wertschätzung, Sinn und Werte
Drittens, Wertschätzung: „So wie ich das mache, das ist meins. Da muss ich mich auch nicht immer anpassen.“ Denken wir dabei beispielsweise an das Tempo, wenn es um die Vorbereitung des besagten Pausenbrots geht. Mein Tempo ist in Ordnung und darf so sein.
Und last but not least: Sinn und Werte. Viktor Frankl, der Begründer der Existenzanalyse, habe bewiesen, dass er nur durch Hoffnung, durch ein „Wohin“ und ein „Wozu“ eine unglaubliche Stress-Situation wie das Leben im Konzentrationslager durchstehen konnte. Es geht also bei der vierten Grundmotivation um die Fähigkeit, zu sagen: „Da gibt es eine Richtung, in der ich mein Leben trotz aller Umstände gestalten kann“, so Pointner.
Menschen mit einem „beziehungsvollen Glauben“ würden sich dabei oft leichter tun. Unabhängig vom Glauben an Gott, der doch immer irgendwie ein Geschenk bleibe, helfe es, darauf zu vertrauen, dass man nicht alles im Leben selbst machen muss. Aus diesem Vertrauen heraus könne man das eigene Leben resilienter bewältigen.