DE / Abtreibung: Bundeskabinett macht Weg frei für Streichung des Werbeverbots
IEF, 28.03.2022 – Künftig sollen Ärzte auf ihre Websites ausführliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche stellen dürfen.
Werbung oder Information?
Das Bundeskabinett stimmte am 9.03.2022 für den Regierungsentwurf zur Streichung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche. Wie das Institut für Ehe und Familie (IEF) berichtete, hatten die Parteien der Ampel-Koalition die Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibung im Koalitionsvertrag festgehalten. Der Entwurf muss noch in Bundestag und Bundesrat beraten werden. Die überwiegende Mehrheit der Abgeordneten mit Ausnahme von CDU und AfD seien laut Medienberichten für die Streichung des § 219a dtStGB, weshalb eine Annahme des Entwurfs zu erwarten sei.
Eine Debatte um das Werbeverbot gemäß § 219a dtStGB entstand 2017, als das Amtsgericht Gießen die Gynäkologin Kristina Hänel zu einer Geldstrafe verurteilte, was letztinstanzlich bestätigt wurde. Wie das IEF berichtete, hatte Hänel auf ihrer Website Informationen unter anderem über Methoden des Schwangerschaftsabbruches sowie rechtliche Regelungen gegeben und welche Eingriffe sie in ihrer Praxis vornehmen könne. Diese Informationen stellten laut Gericht eine Werbung im Sinne des § 219a dtStGB dar. Kritiker sahen im Werbeverbot einen Eingriff in das Recht jeder Frau auf Information und freie Arztwahl, weshalb politisch die ersatzlose Streichung des § 219a dtStGB gefordert wurde. Um Frauen die notwendigen Information verfügbar zu machen, wurde das Gesetz 2019 unter der Merkel-Regierung angepasst. Seither konnten Ärzte und Spitäler auf ihren Websites informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Wie gerichtlich ausgelegt, war von der Erweiterung des § 219a dtStGB jedoch nicht eine darüberhinausgehende Information wie beispielsweise die Methoden oder Risiken des Schwangerschaftsabbruchs umfasst.
Buschmann: „Keine Werbung wie für Schokoriegel“
Das Justizministerium erläuterte, dass das Werbeverbot betroffenen Frauen zum einen den ungehinderten Zugang zu sachgerechten fachlichen Informationen über den sie betreffenden medizinischen Eingriff und zum anderen das Auffinden einer geeigneten Ärztin oder eines geeigneten Arztes erschwere. Dies behindere den Zugang zu fachgerechter medizinischer Versorgung sowie die freie Arztwahl und beeinträchtige das Recht auf sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung der Frau. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) betonte laut tagesschau, dass Paragraf 219a im Strafgesetzbuch nicht Teil des verfassungsrechtlich gebotenen Lebensschutzkonzepts sei und so das Schutzkonzept trotz Streichung des Werbeverbots aufrechterhalten werde. Begleitende Änderungen des Heilmittelwerbegesetzes sollten gewährleisten, dass die Werbung für medizinisch nicht indizierte Schwangerschaftsabbrüche zukünftig nur unter den strengen Vorgaben des Heilmittelwerbegesetzes erlaubt sei. Irreführende oder abstoßende Werbung für alle Arten von Schwangerschaftsabbrüchen bleibe weiterhin verboten. Anstößige oder anpreisende Werbung sei zudem durch das ärztliche Berufsrecht ausgeschlossen, meinte Buschmann. „Es muss sich niemand Sorgen deswegen machen. Denn es wird keine Werbung oder so für Schwangerschaftsabbrüche geben, wie für Schokoriegel oder Reisen“, so der Justizminister.
Frauenministerin: Stärkung des Selbstbestimmungsrechts
Bundesfrauenministerin Anne Spiegel (Grüne) nannte die Abschaffung von Paragraf 219a „überfällig“. „Ärztinnen und Ärzte sollen künftig über ihre medizinischen Leistungen zu Schwangerschaftsabbrüchen informieren können, ohne Strafverfolgung oder Stigmatisierung befürchten zu müssen. Damit stärken wir das Selbstbestimmungsrecht von Frauen nachhaltig“, so Spiegel. Wie aus dem Koalitionsvertrag hervorgeht, ist die Streichung des Werbeverbots nur ein Teil der verfolgten Politik, die das Selbstbestimmungsrecht der Frau stärken soll. So gehörten laut Ampel-Koalition kostenfreie Schwangerschaftsabbrüche zu einer verlässlichen Gesundheitsversorgung. Daher sollen Schwangerschaftsabbrüche „Teil der ärztlichen Aus- und Weiterbildung“ werden.
Spieker: „Werbung für eine Straftat“
Der emeritierte Professor für Sozialwissenschaften Manfred Spieker findet in einem Kommentar herbe Worte der Kritik an der Streichung des Werbeverbots. Spieker erläutert, dass medizinisch nicht indizierte Schwangerschaftsabbrüche lediglich straffrei seien, da sich das Grundrecht auf Leben in Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz auch auf das ungeborene Leben erstrecke. Insofern verbiete § 219a dtStGB sinnvollerweise die Werbung für eine Straftat. „Wenn Abtreibung die Beseitigung eines Menschen im frühesten Stadium seiner Existenz ist, dann ist sie keine medizinische Dienstleistung, sondern eine Tötungshandlung. Das bliebe sie selbst dann, wenn die Ampelkoalition ihre Absicht wahrmacht, sie nicht mehr strafrechtlich, sondern zivilrechtlich zu regeln“, so Spieker. Mit der Beseitigung des § 219a solle dem Arzt Werbung für das Angebot einer Abtreibung erlaubt werden wie für Zahnimplantate oder neue Hüftgelenke. Unsachlicher oder gar anpreisender Werbung solle durch eine Änderung des Heilmittelwerbegesetzes begegnet werden. Informationen über Dienstleistungen gegen Honorar würden aber rechtlich immer als Werbung gelten. „Ein Staat, der die Tötung ungeborener Kinder als Teil der Gesundheitsversorgung betrachtet und Ärzten eine dementsprechende Werbung erlaubt, verleugnet sein rechtsstaatliches Fundament“, so das Resümee Spiekers.
Kaminski: „Weitere Verharmlosung der Tötung ungeborenen Lebens“
„Mit der Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen wird ein essenzieller Baustein im Schutzkonzept für das ungeborene Leben geschliffen, bemängelte die Bundesvorsitzende der Aktion „Lebensrecht für Alle“ (ALfA) Cornelia Kaminski laut domradio. Es sei unklar, wie der Schutz des ungeborenen Lebens nicht beeinträchtigt werden solle, wenn die Werbung dafür im Zuge der Streichung des Paragrafen 219a im Strafgesetzbuch erlaubt werde. Die Abschaffung des Werbeverbots werde eine „weitere Verharmlosung der Tötung ungeborenen Lebens“ nach sich ziehen, so Kaminski. (TSG)