NL / Lebensende: Sterbehilfe-Kontrolleurin tritt aus Protest zurück

IEF, 26.1.2018 – Aus Protest gegen die hohe Zahl von Demenzpatienten, die in Holland durch aktive Sterbehilfe getötet werden, ist eine für die Kontrolle dieser Methode zuständige Medizinethikerin, Berna van Baarsen, zurückgetreten.

„Deutlicher Wandel“ in der Auslegung der Sterbehilfegesetze

Wie das Deutsche Ärzteblatt berichtet habe sich die Zahl der jährlichen Tötungen von Menschen mit Altersdemenz in den vergangenen fünf Jahren vervierfacht. Berna Van Baarsen zog daraus die Konsequenz. Sie könne den „deutlichen Wandel“ in der Auslegung der Sterbehilfegesetze hin zu tödlichen Injektionen für Menschen mit Altersdemenz nicht mittragen, begründete die Medizinethikerin ihren Rücktritt.  Demenzkranke Menschen können getötet werden, wenn eine entsprechende schriftliche Willenserklärung der Patienten vorliege, Sterbehilfe in Anspruch nehmen zu wollen. „Ich denke nicht, dass eine schriftliche Willenserklärung den mündlich geäußerten Wunsch von durch fortschreitende Demenz eingeschränkten Menschen ersetzen kann. Das ist zu kurz gedacht“, äußerte sich van Baarsen laut Nachrichtenportal Catholic Herald. Van Baarsen betonte, dass Demenz „unberechenbar“ sei und die Patienten bei veränderlicher geistiger Leistungsfähigkeit länger leben könnten.  Die Patienten würden in einem Moment Bekannte erkennen können, im nächsten wiederum nicht, erklärte die Medizinethikerin und fragt: „Was ist in solchen Situationen der richtige Zeitpunkt, um aktive Sterbehilfe zu gestatten?“ Ebenfalls kritisierte van Baarsen das gesetzliche Kriterium von „unerträglichem Leiden“, das für legale Sterbehilfe vorgeschrieben sei: „Wenn man nicht komplett sicher ist, darf kein unerträgliches Leiden‘ unterstellt werden.“ Denn Sterbehilfe basierend auf einer früheren Willenserklärung dürfe nur verwirklicht werden, wenn das Vorliegen aller anderen Voraussetzungen nach sorgfältiger Prüfung bestätigt wurde – dies wäre aber erst der Fall, wenn das Leiden tatsächlich „unerträglich“ sei.

Van Baarsen gehörte einem der fünf regionalen Komitees an, die für die Kontrolle von Tötung auf Verlangen und assistiertem Suizid zuständig sind. Es ist der zweite Rücktritt eines Komiteemitglieds nach dem Philosophen und Medizinethiker Theo Boer im Jahr 2014. Boer hatte daraufhin Großbritannien vor einer Übernahme der holländischen Regelung gewarnt.

„Entgleistes“ System: rasanter Anstieg von durch Sterbehilfe Getöteten

Die Niederlande waren das weltweit erste Land, das 2002 aktive Sterbehilfe legalisierte. Seither gebe es einen rasanten Anstieg der damit zusammenhängenden Todesfälle auf derzeit rund 17 pro Tag. Dem Jahresbericht der Regionalen Kontrollkommission für Sterbehilfe (RTE) zufolge hatten 2016 6.091 Menschen aktive Sterbehilfe in Anspruch genommen, wobei über 400 Patienten ohne ausdrückliche Zustimmung getötet worden seien.

Wie das Institut für Ehe und Familie (IEF) berichtete, hatte der einstige Vorreiter der niederländischen Sterbehilfegesetze, Psychiater Boudewijn  Chabot, im Juni 2017 das Euthanasiesystem als „entgleist“ bezeichnet. Im Fokus seiner Kritik stand die rasche Zunahme der Zahl von Menschen mit einer psychiatrischen Krankheit oder Demenz, die durch Euthanasie starben. Die Zahlen seien insbesondere in Hinblick auf die wachsende Anzahl von Menschen mit Demenz und chronischen psychiatrischen Erkrankungen besorgniserregend, wobei gleichzeitig das Budget in der Versorgung dieser Patientengruppen gekürzt werde. Chabot kritisierte weiter, dass die gesetzlichen Schutzmaßnahmen für Sterbehilfe langsam wegbrächen und Menschen mit psychiatrischen Leiden oder Demenz nicht mehr geschützt ausreichend würden.

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