SK / Gender: Slowakei lehnt Ratifizierung der „Istanbul Konvention“ ab
IEF, 01.04.2020 – Die Konvention befasst sich mit der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, steht jedoch auch als eine Art Trojaner für die Gendertheorie in Kritik.
Das slowakische Parlament hat vor kurzem entschieden, dass die Slowakei die „Istanbul Konvention“ – so die Kurzbezeichnung für das „Europaratsübereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ – nicht ratifizieren wird. Laut dem Slovak Spectator sollen 96 von 113 Abgeordneten in einer außerordentlichen Parlamentssitzung dagegen gestimmt haben, dass ihr Land Vertragspartner des Abkommens werde. Eine entsprechende Mitteilung von Staatspräsidentin Zuzana Caputova soll bereits an den Europarat ergangen sein, so ein kathpress-Bericht.
„Istanbul Konvention“
Das Europaratsübereinkommen ist ein 2011 verabschiedeter völkerrechtlicher Vertrag, der sich speziell gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt richtet. Die Konvention umfasst Mindeststandards zur Prävention und zum Schutz von Frauen gegen Gewalt und legt Angebote von Dienstleistungen wie Hotlines, medizinische Leistungen, Beratungen und Rechtshilfen bei Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt fest. Das Übereinkommen trat am 1. August 2014 in Kraft und wurde von fast allen Mitgliedstaaten des Europarates unterzeichnet. Anders verhält es sich mit der Ratifizierung der Konvention, die von deutlich weniger Staaten vorgenommen wurde. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass mit der Unterzeichnung eines internationalen Vertrags ein Staat lediglich sein Interesse und seine Absicht bekundet, Vertragspartei zu werden. Erst durch den innerstaatlichen Akt der „Ratifizierung“ wird ein Vertrag bindend und der Staat wird verpflichtet, die Vertragsbestimmungen umzusetzen und zu beachten.
Über der Umsetzung des Übereinkommens wacht ein von der Konvention vorgesehenes Gremium von Experten (GREVIO- Group of Experts on Action against Violence against Women and Domestic Violence), das regelmäßig Empfehlungen an die Vertragsstaaten richtet.
Ideologische Bestandteile der Konvention
Kritiker der Konvention, wie beispielsweise ADF International, beanstanden, dass unter dem Deckmantel des Schutzes von Frauenrechten die sogenannte „Genderideologie“ propagiert werde. Das Übereinkommen gehe von einem Begriff des Geschlechts aus, das sich getrennt von biologischen Merkmalen als ein soziales Konstrukt versteht. Die „Istanbul Konvention“ sei darauf ausgerichtet „alle Traditionen auszumerzen, die stereotype Gender-Rollen vermitteln“, wobei darunter auch das binäre Verständnis des Menschen als zweigeschlechtliches Wesen und der Ehe als Zusammenschluss von Menschen verschiedenen Geschlechts fallen könne. Eine Konsequenz der Umsetzung der Konvention könne auch darauf hinauslaufen, dass Eltern nicht mehr erlaubt wird, ihre Kinder im Einklang mit ihren moralischen und religiösen Überzeugungen zu erziehen.
Auch die slowakische Bischofskonferenz hat im Zuge der im Land geführten Debatte Kritik an der Konvention geübt. So sprach der Erzbischof von Bratislava, Stanislav Zvolensky, davon, dass Gewalt an Frauen „in welcher Form auch immer“ unter allen Umständen „unzulässig und verabscheuenswert“ sei. Das Thema Frauenschutz sei jedoch „so ernst, dass Versuche, in dessen Rahmen die Genderideologie unterzuschieben, unannehmbar“ seien.
Außerdem wird in der Debatte rund um die Umsetzung der „Istanbul Konvention“ kritisiert, dass die bereits bestehenden nationalen und internationalen Schutzmechanismen (wie beispielsweise die CEDAW Konvention der UN zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau) ausreichend seien. Die Konvention sei daher überflüssig und schaffe lediglich Verwirrung. Um den bestmöglichen Schutz vor Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt zu gewährleisten, seien daher schlicht und einfach die bereits bestehenden Regelungen umzusetzen.
Geltung der Konvention auf EU-Ebene
Die „Istanbul Konvention“ wurde bereits von allen EU-Mitgliedstaaten unterzeichnet, wobei sechs EU-Länder – Bulgarien, Tschechien, Ungarn, Litauen, Lettland und die Slowakei – die Konvention noch nicht ratifiziert haben. Mit der Slowakei hat nun eines dieser Länder die Ratifizierung explizit abgelehnt. Die EU selbst hat lange über einen Beitritt zur „Istanbul Konvention“ verhandelt und hat auf Grundlage von zwei Beschlüssen des Rats der EU (Beschluss (EU) 2017/865 des Rates, Beschluss (EU) 2017/866 des Rates) den Vertrag schließlich am 13. Juni 2017 unterschrieben. In ihren Entscheidungen legte der Rat die Schranken des EU-Beitritts fest. Diese beziehen sich auf die begrenzten Kompetenzen der EU und legen den Fokus des Beitritts damit auf jene Artikel der Konvention, die sich auf Asyl, Flüchtlinge und das Verbot der Zurückweisung sowie die Zusammenarbeit in strafrechtlichen Angelegenheiten beziehen. Eine Ratifizierung des Vertrages steht noch aus und dürfte durch die Entscheidung der slowakischen Regierung nun endgültig ausbleiben.
Österreich als Vertragsstaat
Österreich hat das Übereinkommen des Europarates als eines der ersten Länder am 11. Mai 2011 unterzeichnet. Die Ratifizierung, mit der der Vertrag für Österreich bindend wurde, erfolgte am 14. November 2013, wobei die Konvention selbst am 1. August 2014 in Kraft trat. Österreich war auch eines der ersten Länder, die einer Staatenprüfung unterzogen wurden. Der erste österreichische Staatenbericht wurde samt einem Schattenbericht der Zivilgesellschaft am 1. September 2016 an die GREVIO übermittelt. Auf Grundlage der Berichte veröffentlichte die Expertengruppe schließlich im September 2017 ihrerseits Schlussfolgerungen zur Lage in Österreich und sprach im Jänner 2018 Empfehlungen für die Umsetzung der Konvention aus.
Bei der ersten Staatenprüfung stellte das Vertragsstaatenkomitee Österreich grundsätzlich ein gutes Zeugnis aus und lobte den langjährigen politischen Einsatz im Bereich Gewalt gegen Frauen und im Bereich häuslicher Gewalt. Bei den insgesamt 45 Empfehlungen konzentrierte sich das Komitee vor allem auf die Stärkung des Schutzes vor Gewalt gegen Frauen mit Behinderung, gegen Asylwerberinnen und Frauen mit unsicherem Aufenthaltsstatus sowie auf das Unterbinden des „außergerichtlichen Tatausgleichs“ für Fälle von Gewalt gegen Frauen.
Österreich hat als Antwort auf die Empfehlungen des Vertragsstaatenkomitees bis 30. Jänner 2021 einen Bericht an die GREVIO über die Umsetzungsmaßnahmen zu erstatten. Das IEF wird über die nationale Umsetzung der „Istanbul Konvention“ und die Entwicklungen auf EU-Ebene weiterhin berichten. (AH)