DE_AT / Sexualerziehung: Der sexualpädagogische Diskurs verändert sich
IEF, 5.11.2018 – In Kiel wurde das Jubiläum für 50 Jahre Sexualerziehung in Deutschland gefeiert. Einige Wochen später zeigt ein Kongress, dass die sexualpädagogische Landschaft in Deutschland und Österreich an Vielfalt wächst.
Vertreter der neo-emanzipatorischen Sexualpädagogik feiern 50 Jahre Sexualerziehung
An der Universität in Kiel feierte man im September 50 Jahre Sexualerziehung in Deutschland. In den 68er Jahren beschwerten sich Schüler und Studenten über die mangelnde Behandlung der Thematiken rund um die Sexualität des Menschen in den Schulen und Universitäten. In den darauffolgenden Jahren nahmen die meisten Bundesländer Deutschlands Sexualerziehung offiziell in ihre Lehrpläne auf. Auch in Österreich wurde mit dem ersten Sexualkundeerlass im Jahr 1970 Sexualerziehung offiziell im Schulunterricht verankert. Anlässlich dieses Jubiläums wurde auch das Buch „Gelebte Geschichte der Sexualpädagogik“, herausgegeben von Uwe Sielert et. al., vorgestellt. Sielert, der emeritierte Professor für Erziehungswissenschaften mit einem Schwerpunkt auf Sexualpädagogik an der Universität Kiel, kann bis heute als einer der Protagonisten des zurzeit vorherrschenden sogenannten “kritisch-reflexiven” Ansatz für Sexualpädagogik angesehen werden. Der Erziehungswissenschaftler bekräftigte, dass Sexualpädagogik Menschen in der Fähigkeit stärke, lustvolle, sinnliche und kraftspendende Erfahrungen zu mehren und außerdem in kritischen Situationen handlungsfähig zu bleiben, heißt es in der Pressemitteilung der Universität Kiel.
Kritiker warnen vor „Sexualpädagogik der Vielfalt“
Kritiker wie das Aktionsbündnis „Demo für alle“ und weitere Initiativen bezweifeln hingegen seit Jahren, dass die Inhalte und Methoden der neo-emanzipatorischen Sexualpädagogik – auch bekannt als „Sexualpädagogik der Vielfalt“ – trügen. Sie zeigen sich vielmehr alarmiert, dass diese die natürlichen Schamgrenzen der Kinder missachteten und eine Sexualpädagogik verbreiteten, die Sexualität auf den Lustaspekt reduziere und die Vielfalt von Geschlechts- und Sexualoptionen propagiere. So etwa in der Informationsbroschüre der Initiative Elternaktion Deutschland.
Verschiedene Veranstaltungen weisen nun darauf hin, dass sich die sexualpädagogische Diskussionslandschaft in Deutschland und Österreich in den letzten Jahren verändert. Neben Gruppen und Vereinen wie ProFamilia, die inhaltlich dem Ansatz der Sexualpädagogik der Vielfalt nahestehen, mehren sich Initiativen, die alternative Programme vorantreiben. Ein Beispiel dafür war die Tagung „Wertevoll aufklären“, die vor einigen Tagen in München stattfand.
Zahlreiche Vertreter einer wert- und bindungsorientierten Sexualpädagogik stellen sich vor
Am 27. Oktober lud eine Arbeitsgemeinschaft von Eltern, Erziehern und Lehrern nach München ein. Ziel der Tagung war es, Wissen und Wege aufzuzeigen, wie Orientierungslosigkeit im Umgang mit Sexualität und der eigenen Identität vermieden werden könne und Kinder und Jugendliche darin bestärkt und befähigt werden, tragfähige Beziehungen zu führen und Sexualität als „Kraft der Bindung, Ausdruck der Liebe, Quelle des Lebens und der Lebenslust“ zu leben.
Mit diesem Ziel referierte der Psychologe und Pädagoge Markus Hoffmann am Morgen der Tagung in zwei Einheiten über die Grundlagen einer entwicklungssensiblen Sexualpädagogik. Am Nachmittag standen dann zahlreiche Workshops zur Auswahl. So stellte der Verein „wertevoll wachsen e.V.“ eine aus dem spanischen übersetzte Buchreihe vor, die dabei helfen kann, Kindern eine Grundlage dafür zu vermitteln, gute und gesunde Beziehungen zu leben, berichtet etwa die Tagespost. Phil Pöschl vom Verein SaferSurfing sprach über das Thema Internetpornographie und inwieweit Schüler von problematischem Medienverhalten und Pornografiekonsum betroffen sind. Daneben gab es noch viele weitere Angebote, die die zahlreich erschienenen Interessierten wahrnehmen konnten.
Die sexualpädagogische Landschaft verändert sich
Solche und ähnliche Veranstaltungen, machen deutlich, dass sich neben den Institutionen, die sich in den letzten Jahrzehnten in Deutschland und Österreich etabliert haben, nun weitere Akteure hinzugesellen. Diese vertreten jedoch andere Ansätze, als jene, für die vor allem Uwe Sielert und die kritisch-reflexive Sexualpädagogik / Sexualpädagogik der Vielfalt stehen und die gerade in den letzten Jahren vermehrt kritisiert wurden. Die neueren Ansätze orientieren sich an Erkenntnissen der Bindungsforschung, der Entwicklungspsychologie und der Neuropsychologie und versuchen, ausgehend von einem ganzheitlichen anthropologischen Denken, eine dem Kind bzw. dem Jugendlichen entsprechende Sexualpädagogik zu entwickeln und zu vermitteln, fasst Lukas Golla, ausgebildeter Theologe und Pädagoge am Institut für Ehe und Familie (IEF) die jüngeren Programme zusammen. Gemeinsames Ziel der neuen Strömungen sei es, Jugendliche in ihrer Beziehungsfähigkeit zu stärken und dazu beizutragen, dass Beziehung gefördert und die eigene Sexualität gelingend erlebt werde. (lg)