DE / Gender: Geplantes Selbstbestimmungsgesetz soll Geschlechtseintrag per Selbstauskunft ermöglichen
02.09.2022 – Der Gesetzesentwurf birgt ein großes Missbrauchspotenzial und gefährdet Frauenrechte.
Selbstbestimmungsgesetz soll Transsexuellengesetz ersetzen
Bereits Ende Juni 2022 präsentierten Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Die Grünen) und Justizminister Dr. Marco Buschmann (FDP) die Eckpunkte des geplanten Selbstbestimmungsgesetzes, das noch im 4. Quartal dieses Jahres im Kabinett verhandelt werden und von dort aus in das übliche parlamentarische Verfahren geschickt werden soll. Das Selbstbestimmungsgesetz soll das bisher geltende Transsexuellengesetz (TSG) von 1980 ablösen sowie zusätzlich intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen umfassen.
Was gilt bisher?
Bisher sind gemäß TSG für die Änderung des Geschlechtseintrages zwei psychiatrische Gutachten notwendig, die die antragstellende Person im Rahmen eines Gerichtsverfahrens einbringt. Das Gericht entscheidet über den Antrag. Bis 2008 mussten verheiratete Antragsteller sich scheiden lassen, bis 2011 mussten sich Antragsteller sterilisieren lassen. Diese Voraussetzungen wurden vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erklärt und aufgehoben.
Welche Änderungen sind geplant?
Geplant ist nun eine „einfache und einheitliche Regelung“ mit der Menschen ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen per Selbstauskunft beim Standesamt ändern können. Auch Minderjährige sollen ihren Geschlechtseintrag ändern können. Bis zum 14. Lebensjahr soll dies möglich sein, wenn die Sorgeberechtigten die Änderungserklärung gegenüber dem Standesamt abgeben. Ab 14 Jahren sollen die Minderjährigen die Erklärung selbst mit Zustimmung der Sorgeberechtigten abgeben können. Um Persönlichkeitsrechte zu wahren, sollen Familiengerichte in den Fällen, in denen die Sorgeberechtigten nicht zustimmen, die Entscheidung der Eltern auf Antrag des Minderjährigen ersetzen können.
Nach einer erfolgten Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen soll für eine erneute Änderung eine Sperrfrist von einem Jahr gelten. Damit soll verhindert werden, dass Entscheidungen übereilt getroffen werden. Die Frage, ob eine Person, die zusätzlich geschlechtsangleichende körperliche/medizinische Maßnahmen in Erwägung zieht, solche durchführen lassen kann, wird nicht durch das Selbstbestimmungsgesetz geregelt. In diesem Fall sollen wie bisher fachmedizinische Prüfkriterien gelten.
Gewichtung von psychischem Geschlechtsempfinden und biologischem Geschlecht
Auf der Website des deutschen Bundesministeriums für Familie, Frauen, Senioren und Jugend (BMFSFJ) wird erklärt, dass sich die Beurkundung des Geschlechts eines Kindes nach der Geburt in der Regel nach den Genitalien richte. „Für die meisten Menschen passt diese Einordnung. Bei transgeschlechtlichen Menschen stimmt die Geschlechtsidentität nicht mit dem Geschlecht überein, das bei der Geburt eingetragen wurde.“ Im Folgenden werden Gerichtsurteile und Aussagen der Bundesärztekammer zitiert, die belegen sollen, dass die Geschlechtszugehörigkeit nicht allein nach den physischen Geschlechtsmerkmalen bestimmt werden könne. Sie hänge wesentlich von der psychischen Konstitution eines Menschen und seiner nachhaltig selbst empfundenen Geschlechtlichkeit ab.
Durch die Argumentationslinie entsteht der Eindruck, dass das psychische Geschlechtsempfinden bei der Festlegung auf ein Geschlecht genauso aussagekräftig oder vielleicht noch aussagekräftiger sei als das physische Geschlecht. Festgehalten werden sollte jedoch, dass bei der Mehrheit der Menschen das physische Geschlecht mit dem psychischen Geschlechtsempfinden übereinstimmt. Die bei Änderung des Geschlechtseintrags bisher notwendigen psychiatrischen Gutachten sollen möglichst die Nachhaltigkeit und Aussagekraft des psychischen Geschlechtsempfindens sicherstellen. Diese Schutzmechanismen sollen nicht „diskriminieren“, wie die Befürworter des Selbstbestimmungsgesetzes vorwerfen, sondern die betroffenen Personen vor übereilten Entscheidungen schützen, die meist enorme soziale und psychische Folgen – auch für das gesamte Umfeld – nach sich ziehen.
„Gebärender Mann“, „zeugende Frau“: Reformierung des Abstammungsrechts geplant
Mit der Änderung des Geschlechtseintrags ist der Themenkomplex des Abstammungsrechts eng verknüpft. Nachdem sich transgeschlechtliche Personen für eine Änderung des Geschlechtseintrags nicht mehr sterilisieren lassen oder geschlechtsangleichenden medizinischen Maßnahmen unterziehen müssen, gibt es seither „gebärende Männer“ die zwar rechtlich als Männer anerkannt sind, in der Geburtsurkunde ihrer Kinder aber als Mutter eingetragen werden. Analog dazu gibt es auch „zeugende Frauen“, die zwar rechtlich als Frauen anerkannt sind, aber in der Geburtsurkunde ihrer Kinder als Vater eingetragen werden. Das BMFSFJ kritisiert, dass es zwar mittlerweile vier mögliche Geschlechtseinträge („männlich“, „weiblich“, „divers“, „offen“) gebe, das Abstammungsrecht jedoch nur „Mutter“ und „Vater“ kenne. Die Frage, mit welcher Bezeichnung Eltern nach einer Änderung des Geschlechtseintrags in der Geburtsurkunde ihrer Kinder eingetragen werden, solle mit der Abstammungsrechtsreform geregelt werden. Diese sei ebenfalls in dieser Legislaturperiode vorgesehen, so das Ministerium.
Wissenschaftler schlagen Alarm
Gegen den derzeit in vielen Ländern gängigen politischen und legislativen Umgang mit „Genderthemen“ regt sich gewichtiger Widerstand. Wie das Institut für Ehe und Familie (IEF) berichtet hatte, kritisierten deutsche Wissenschaftler die Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) und forderten einen den wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechenden Informationsfluss. Weiteren Aufruhr verursachte die Absage eines Vortrags über die grundsätzliche Biopolarität der Geschlechter einer Biologie-Doktorandin an der Humboldt-Universität Berlin. Der Absage folgte eine breite Debatte über die Freiheit der Wissenschaft und Zensur, die zur Folge hatte, dass der Vortrag zu einem späteren Zeitpunkt abgehalten werden konnte (IEF-Bericht).
Die feministische Zeitschrift „Emma“ machte kürzlich über eine weitere Initiative aufmerksam. 140 Wissenschaftler aus acht Ländern forderten die Medien auf, die einseitige und unwissenschaftliche Berichterstattung über Transsexualität zu beenden. In ihrem „Europäischen Manifest“ verlangten sie, dass „die Vielfalt der Standpunkte“ gezeigt und auch kritische Stimmen gehört werden müssten. Initiatorinnen des Manifestes sind die Psychologie-Professorin Céline Masson und die Psychoanalytikerin Caroline Eliacheff – beide sind Französinnen.
Feministinnen sehen Frauenrechte gefährdet
Der Umgang mit Transgender wird immer häufiger von feministischer Seite kritisiert. Wenn Männer sich zur rechtlichen Frau erklären können, können sie die Frauenrechte genießen, die an sich der gesellschaftlichen Gleichstellung der (biologischen) Frau dienen sollten wie zum Beispiel Quotenregelungen. Aber auch im sportlichen Bereich können Transfrauen die Erfolge der biologischen Frauen gefährden. Biologische Männer verfügen etwa über eine größere Muskelmasse und sind Frauen im sportlichen Wettkampf in der Regel überlegen. Der Welt-Schwimmverband hat daher bereits beschlossen, dass Transfrauen nur unter bestimmten Bedingungen an Wettbewerben im Frauensport teilnehmen dürfen (IEF-Bericht).
Die Herausgeberin der „Emma“ und die wohl bekannteste deutsche Feministin Alice Schwarzer gab ein Buch mit dem Titel „Transsexualität: Was ist eine Frau? Was ist ein Mann? Eine Streitschrift“ heraus. Wie das IEF berichtet, kritisiert Schwarzer darin das geplante Selbstbestimmungsgesetz und warnt davor „die Existenz eines biologischen Geschlechts fundamental zu leugnen“. Sie ist besorgt, dass Transsexualität nicht mehr als „schwerer seelischer Konflikt einiger weniger“ gesehen werde, sondern „einfach als Weg, sich für die vermeintlich ‚falsche‘ Geschlechterrolle den ‚passenden‘ Körper zu suchen“.
Selbstbestimmungsgesetz birgt Gefahr für Frauen
Auf eine weitere Dimension einer Änderung des Geschlechtseintrages allein aufgrund des eigenen Willens macht der deutsche Strafverteidiger Udo Vetter in einem Interview mit der NZZ aufmerksam. „Wo immer der Staat solche Möglichkeiten eröffnet, werden sie auch genutzt“, meint Vetter und kritisiert, dass das Geschlecht zur Disposition des Einzelnen gestellt werden solle. Der Rechtsanwalt, der nach eigenen Angaben „Hunderte Sexualstraftäter“ verteidigt hat, sieht Schutzräume für Frauen in Gefahr. Als Beispiele nennt er Fälle von Frauengefängnissen, in denen Insassinnen von selbsterklärten Transfrauen geschwängert wurden. Das IEF berichtete über einen erschreckenden Fall in Großbritannien, wo eine Patientin auf einer Krankenstation von einer Transfrau, einem biologischen Mann, vergewaltigt worden war. Der Frau war zuerst nicht geglaubt worden, da sich „nur Frauen“ auf der Station befunden hätten. Erst später stellte sich heraus, dass die Transfrau der Täter war.
Ein weiteres Beispiel sei laut Vetter der Straftatbestand des Exhibitionismus, der im deutschen Strafrecht nur für Männer gelte. Wenn ein Triebtäter sich künftig durch bloße Erklärung zur Frau erklären könne, könne er sich legal Zutritt zu Schutzräumen für Frauen verschaffen. Er könnte am Eingang nicht kontrolliert werden und dürfte nicht verwiesen werden, wenn er sich beispielsweise „in der Umkleide auszieht und sich in voller Pracht präsentiert“.
Das Missbrauchspotenzial sei laut Vetter enorm. Eine Gesellschaft funktioniere nur, wenn die wechselseitigen Interessen der Bürger gesehen und in einen gerechten Ausgleich gebracht werden würden. „Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wieso derartige Rechte nun mit der Gießkanne gewährt werden sollen. Transpersonen, die wirklich im falschen Geschlecht gefangen sind, sind ja nicht das Problem. Die Frage lautet: Wieso muss das jeder machen dürfen? Mindestens fünfzig Prozent der Bevölkerung, nämlich Frauen, müssen Angst davor haben, dass ihnen künftig ihre Schutzräume genommen werden.“
Aber auch Leistungsvorzüge seien ein denkbarer Grund für den Wechsel des Geschlechtseintrags. In der Schweiz hatte ein Mann etwa kurz vor dem Renteneintritt die Rente als rechtliche Frau beantragt, da diesen die Rente ein Jahr früher zur Verfügung gestellt werde. Wie das IEF berichtete, ist der frühere Pensionsantritt durch Wechsel des Geschlechtseintrags laut jüngstem OGH Urteil in Österreich möglich, da das eingetragene Geschlecht für das Pensionsantrittsalter ausschlaggebend sei.
WHO updatet ihr Gender Mainstreaming Handbuch
Dass Genderidentität beziehungsweise Geschlechtsempfinden unabhängig vom biologischen Geschlecht zu sehen sei und zudem „fluid“ und phasenweise unterschiedlich sein könne, behauptet auch die World Health Organization (WHO) und gibt den Mitgliedstaaten damit eine bestimmte Richtung vor. Laut Pressemitteilung arbeitet die WHO derzeit an einer Überarbeitung des Handbuchs über Gender Mainstreaming und hält fest, dass Geschlecht nicht auf „männlich“ oder „weiblich“ beschränkt sei. Das Handbuch sei zuletzt 2011 aufgelegt worden. Es sollten nun „neue wissenschaftliche Erkenntnisse“ einfließen und „konzeptioneller Fortschritt“ in den Themenbereichen Gender, Gesundheit und Entwicklung bewirkt werden. Das bioethische Magazin The Bioedge zitiert dazu Dr Karleen Gribble, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Western Sydney University, die festhält, dass es befremdlich sei, wenn die WHO sage, es existierten mehr Geschlechter als das männliche und das weibliche. Tatsächlich gebe es nämlich keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse, was die Existenz von mehr als zwei Geschlechtern betreffe. Ebenso geupdatet wurde die International Diseases Classification (ICD), deren Fassung ICD-11 seit 2022 gilt. Demnach ist Transsexualismus keine psychische Störung mehr, sondern wurde in ein neues Kapitel mit dem Titel „Sexuelle Gesundheit“ eingereiht. Die Änderung soll Diskriminierung aufgrund der„Geschlechtsinkongruenz“ als Störung mit Krankheitswert beenden. Gleichzeitig soll Transsexualismus im ICD enthalten bleiben, da medizinische Heilbehandlungen ohne medizinische Indikation nicht durchgeführt und finanziert werden können. Die ICD ermöglicht die systematische Erfassung, Analyse, Interpretation und den Vergleich von Mortalitäts- und Morbiditätsdaten, die in verschiedenen Ländern oder Gebieten und zu verschiedenen Zeiten gesammelt wurden. Von allen Mitgliedstaaten der WHO wird erwartet, dass sie die aktuelle Version der ICD für die Meldung von Tod und Krankheit verwenden. (TSG)