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DE / Reproduktionsmedizin: Reagenzglas wird Mutterleib nie vollständig nachzeichnen können, meinen Experten

IEF, 15.10.2018 – Vor kurzem berichtete das Institut für Ehe und Familie (IEF) über eine Studie zu vorzeitigen Blutgefäßalterung bei Jugendlichen, die durch künstliche Befruchtung entstanden sind. Aufgrund vieler Zuschriften besorgter Eltern wurde nun ein Interview mit einem der Studienleiter und einer Kritikerin geführt.

Interviewpartner der Wochenzeitung „Die Zeit“ waren der Kardiologe Urs Scherrer (einer der Autoren der Studie), sowie die Reproduktionsbiologin Verena Nordhoff.

Scherrer betont noch einmal das Ergebnis seiner Studie. Bei jedem 6.-7. Jugendlichen, der durch IVF zur Welt gekommen ist, läge eine Überalterung der Gefäße vor. Der Wissenschaftler verortet den Grund bei Vorgängen zwischen der Spermien- und Eizellgewinnung und der Reimplantation der Eizelle in die Gebärmutter. Folge der Gefäßschwäche sei ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko, das späterhin beispielsweise zu Diabetes führen könne. Informationen rund um die Geburt, den Modus der Zeugung oder auch Schwangerschaftskomplikationen sollten deshalb in jeder Krankenakte verzeichnet seien, so Scherer. Worauf Eltern besonders achten sollten, so der Forscher weiter, wäre, dass keine weiteren Risikofaktoren in der Entwicklung des Kindes hinzukämen. Eine Gefäßschwäche an sich sei zwar ernst zu nehmen, man könne jedoch mit einem gesunden Lebensstil, durch regelmäßige Bewegung und gesunde Ernährung durchaus Einfluss auf den Blutdruck nehmen. Er empfiehlt außerdem eine 24-Stunden-Blutdruckmessung im Alter von 24 Jahren, um eventuellen Risiken vorzubeugen. Auf die Frage, wie und ob die Gefäßschwäche in Zukunft zu vermeiden sei, führte der Kardiologe aus, dass vor allem versucht werde, das Medium zu verändern, in dem Ei- und Samenzelle zusammengeführt würden. Das hätte gerade bei Mausembryos schon zu ersten Erfolgen geführt. Er schließt jedoch ab: „Es wird uns nie möglich sein, die Ereignisse, die sich im Mutterleib abspielen, im Reagenzglas genau zu simulieren und zu reproduzieren.“

Die Reproduktionsbiologin Nordhoff kritisiert vor allem die Methode der neuen Studie. Die Stichprobe sei mit 56 Probanden sehr klein gewesen. Zudem seien die untersuchten Kinder aus verschiedenen Methoden der IVF hervorgegangen. Einige der Eizellen seien frisch gewesen, andere waren zuvor eingefroren, einige seien durch die klassische IVF (mehrere Spermien werden einer Eizelle zugeführt), andere durch ICSI (eine Spermienzelle wird gezielt in die Eizelle gespritzt) entstanden. Sie warnt außerdem davor, Kinder, die durch IVF auf die Welt gekommen seien von vorneherein als krank zu bezeichnen und führt Studien an, nach denen der größte Teil der Kinder ebenso gesund sei wie Kinder, die auf natürlichem Wege entstanden wären. Neben der Methodik der Studie kritisierte Nordhoff außerdem das Embryonenschutzgesetz in Deutschland. Es mache es schwerer, neue Erkenntnisse zu gewinnen, weil es die Forschungen an Embryonen selber verbiete. Außerdem umfasse das Gesetz aus dem Jahr 1992 neue Methoden wie beispielsweise die ICSI noch gar nicht. Neben einer Gesetzesreform spricht sich die Forscherin außerdem auch für gesellschaftliche Veränderungen aus. Eltern müssten schon früher die Möglichkeit haben, Kinder zu bekommen. Das Alter der Frauen, die auf IVF zurückgreifen, nehme immer mehr zu und damit auch das Risiko der Schwangerschaften.

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