Verborgene Familienschätze – aus dem „Ressourcenkoffer“

Als Beraterin und Psychotherapeutin arbeite ich vor allem damit, Menschen in ihren Stärken zu stärken. Etwas, was viele Menschen und Familien zurzeit benötigen, ist, zu entdecken, welche verborgenen Schätze und Ressourcen in ihnen wohnen. Wir können selbst sehr viel zu unserer Stabilität und unserem Wohlbefinden beitragen.

Dazu eine kurze selbsterfundene Geschichte: Seit dem Shutdown ist Familie „Ratlos“ in einer kleinen Wohnung ohne Balkon mitten in Wien einkaserniert – von heute auf morgen eng aufeinander geworfen. Beide Eltern haben anspruchsvolle Jobs – kein Problem, Homeoffice macht‘s möglich. Wie das praktisch ablaufen soll, mit Hausaufgaben, Videokonferenzen und Telefonaten ist den Eltern ein Rätsel. Für die langen Nachmittage wird daher im Keller nach alten Spielsachen gestöbert. Im hintersten Winkel findet Elena einen verstaubten alten Reisekoffer. Ihre Neugierde ist geweckt – der Koffer wird nach oben geschleppt. Der Vater schlägt die Hände über den Kopf zusammen: „Was wollt ihr denn damit, ich dachte, der wäre schon längst entsorgt“? Doch was sie darin entdecken, versetzt die ganze Familie in Staunen. Alle finden beim Auspacken etwas, was sie gerade jetzt benötigen.

Der Koffer ist ein Bild für die Ressourcen, die kreativen Adern in uns, die trotz und gerade durch die schwierige Lage nun bei vielen Menschen zum Vorschein kommen, ja geradezu erwachen. Vielleicht bewirkt diese Krise bei Ihnen im besten Fall sogar, dass Sie gestärkt daraus hervorgehen!

Ich lade Sie ein, diesen „Ressourcenkoffer“, wie ich ihn nennen möchte, voller spannender Anregungen nun gemeinsam mit der Familie auszupacken:

  • Zuerst entdeckt Martin seinen selbstgeschnitzten Spazierstock, der früher bei keinem Familienausflug fehlen durfte. Er lädt uns ein – derzeit freilich eingeschränkt – allein oder in geordnetem Abstand als Familie maßvoll Frischluft im eigenen Garten oder der umliegenden Natur zu tanken und den Kindern zumindest etwas Auslauf zu gönnen. Nutzen Sie zusätzlich jetzt auch das Reich der Phantasie, Ihre innere Vorstellungskraft, um Ihre Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Lassen Sie schöne Erinnerungen wach werden, und beamen Sie sich gemeinsam an wunderbare imaginäre Orte. Imagination ist eine heilsame Kraft, die Ihnen immer und überall zur Verfügung steht. Suchen Sie solche guten Wohlfühlorte immer wieder auf.
  • Dann findet Elena eine kleine blaue Feder – achtsam nimmt sie die Feder in die Hand. „Sie gehört mir! Weißt du noch Mama, ich habe sie immer mit mir herumgeschleppt“. „Ich glaube, sie bittet uns, ganz besonders achtsam und rücksichtsvoll miteinander zu sein“, ermutigt Mama ihre Tochter. „Wir müssen uns nun sehr gut aufeinander einstellen. Bitte sagt uns immer, wenn ihr etwas braucht und euch wünscht, oder wenn eine gemeinsame Abmachung euch Probleme macht“. Wir können als Familie gerade jetzt lernen einander besser zu verstehen und genauer hinhören, um Tag für Tag herauszufinden, was jeder braucht und für jeden von euch gut passt.
  • „Da, der alte Wecker von Uroma“, ruft Martin begeistert. Es ist uns, als würde die alte Uhr plötzlich wieder zu ticken beginnen und uns sagen: „Nehmt euch viel Zeit füreinander. Jetzt wo fast alle Termine abgesagt sind, ist die Zeit eine riesige Chance für Gespräch und Zusammensein in der Familie.“ Dabei können wir unsere Kinder ganz neu kennenlernen. Sie erzählen uns vielleicht mehr als sonst, was sie bewegt, was sie stört und belastet. Denn es braucht Zeit um eine gute Nähe zueinander aufzubauen. Wir beobachten einander derzeit aufmerksamer als sonst, merken z.B. wie unser kleines Kind seinen Sprachschatz täglich erweitert – und in den Zwischentönen – welchen unglaublichen Spaß es damit hat, die Wörter immer und immer wieder auszuprobieren.
  • Martin nimmt schließlich eine große Kugel Plastilin, die in vielen bunten Farben zusammengeklebt ist, aus dem Koffer. „Das sind wir, wir gehören zusammen, wir sind bunt und jeder ist anders“. „Bestimmt will uns die Plastilin Kugel ermutigen, zusammenzuhalten – trotzdem dürfen wir unterschiedlich sein“, bestärkt ihn Papa. „Jetzt können wir allen zeigen und beweisen, wie beweglich und vielseitig wir sind.“
  • Und schließlich hält Papa einen alten, handgeschriebenen Brief von Uroma ehrfürchtig in seinen Händen. Er liest ihn uns feierlich vor. Sie bedankt sich darin für die schöne Geburtstagsfeier mit der ganzen Familie und bringt uns damit die Dankbarkeit als eine ganz wichtige Ressource neu ins Bewusstsein. Sie kann uns gerade jetzt helfen, denn – sie ist die Wachsamkeit der Seele gegen die Kräfte der Zerstörung.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie gemeinsam entdecken, was alles in Ihnen steckt und in alldem viele kreative Momente, Ihre Petra Ganneshofer