Ein Blick sagt mehr als tausend Worte – wenn Blicke das Beziehungseis schmelzen
„Nirgendwo gibt es mehr Märtyrer als in den Ehen. Dort wird auf der ganzen Welt wohl am meisten gelitten.“, hörte ich einmal von der Kanzel einen Priester sagen. Mit Sicherheit hatte er dabei nicht an körperliche Gewalt gedacht, sondern an Verletzungen aller Art, die sich Ehepaare während langjährigen Beziehungen zufügen. Paare verletzen sich im direktem Kontakt hauptsächlich durch das Wort, das als Tor zum Menschen gilt, aber auch durch seine „Verpackung“, die mit dem Wort mitschwingt: Die Körpersprache.
Die Körpersprache
Unser Körper spricht. Er spricht mehr als tausend Worte. Durch Mimik, Gestik oder Blicke können Sie Ihren Worten und Tonfall mehr Gewicht geben, oder diese in Frage stellen. Es wird angenommen, dass wir 55 % von dem, was wir denken und fühlen, über die Körpersprache vermitteln. Hier wird unsere Beziehung zum Gegenüber deutlich. Annahme und Ablehnung spiegeln sich in unseren Augen.
Ein Blick, nur ein Augenzwinkern kann genügen, um das Feuer der Verliebtheit zu entfachen, oder im Gegenteil einen Schauder der Ablehnung über den Rücken laufen lassen.
Was Blicke bewirken
Blicke sind der nonverbale Aspekt unserer Kommunikation. Sie sind das Kommunikationsmittel mit der stärksten Aussage. Mit ihnen können wir töten, aber auch heilen, lebendig machen und Annahme signalisieren.
Unsere Blicke können das Gesagte unterstreichen, ihm wiedersprechen, Angst machen, Vorwürfe hinüberschleudern, Gleichgültigkeit mimen, aber auch liebevolles Verstehen zeigen oder anerkennend zustimmen. Es gibt aufmunternde, liebevolle, interessierte, lächelnde, schmunzelnde, aber auch irritierende, freche, ironische, verachtende, abweisende Blicke.
Blicke können falsch interpretiert werden
„Warum schaust du mich so böse an?“ fragt die Frau. „Wer, ich?“ wundert sich der Mann. „Ja, du runzelst die Stirn und schaust so finster drein, was habe ich dir nun schon wieder angetan?“ „Gar nichts, ich war nur im Gedanken versunken!“ Die Deutung unserer Wahrnehmung muss keineswegs dem entsprechen, was der Andere damit ausdrückt. Deshalb ist es so wichtig über das, was Sie sehen und das, was der Andere empfindet, auszutauschen, damit Empfindungen nicht gegenseitig falsch interpretiert werden. Durch klärende, offene, ehrliche Kommunikation erhalten Sie den nötigen Abstand, um nicht jeden Blick auf sich zu beziehen.
Beziehungsvolle Menschen pflegen und fördern Ihre Kontakte durch positive Blicke. Sie lesen den anderen von den Augen ab, wie es ihnen geht, ob etwas nicht stimmt, oder die Stimmung getrübt ist usw. Eine Irritation tritt dann auf, wenn trotz der Begegnung oder Anwesenheit des Anderen der Blickkontakt nicht stattfindet. Dann entsteht das Gefühl, dass man übersehen oder nicht einmal wahrgenommen wird.
Ohne dass ein einziges Wort fällt, wird verstanden: „Ich will keinen Kontakt mit dir haben!“ Ablehnende Blicke sprechen eine deutliche, oft laute Sprache: „Deine Meinung ist mir egal.“ „Du hast mich enttäuscht, beleidigt, verletzt.“ „Bleib weg von mir.“
Blicke können das Beziehungseis schmelzen
Wo man liebt und sich näherkommt, beginnt man einander oftmals mit Worten und Blicken tief zu verletzen und verletzt zu werden.
Dazu ein Beispiel aus der beratenden Praxis: Ein Paar mittleren Alters ging durch eine heftige Beziehungskrise. Anklagen und Vorwürfe standen an der Tagesordnung. Die Frau verband ihre Vorwürfe mit hasserfüllten Blicken, was mich ziemlich betroffen machte.
Als der Mann einen Moment nach draußen gegangen war, sprach ich mit ihr: „Ich verstehe ihren Ärger und ihre Enttäuschung. In Ihren Blicken liegt noch viel Wut und Ablehnung. Könnten Sie versuchen, ihren Mann ab und zu liebevoll anzuschauen?“ Sie winkte zunächst entsetzt ab: „Unmöglich! Das bekomme ich nicht fertig.“
„Dann beginnen Sie vielleicht mit einem liebevollen Blick auf seinen Rücken, wenn Sie ihn gerade vor sich sehen“, gab ich ihr als Aufgabe. „Naja“, meinte sie, „das schaffe ich vielleicht gerade noch“. Ihr warmer Blick, den Sie nach und nach einübte, schmolz langsam das dicke Beziehungseis.
Selbstreflexion:
- Welche Blicke „verstreue“ ich?
- Mit welchen Blicken begegne ich meinem Partner den ganzen Tag über? Sind sie überwiegend positiv oder negativ?
- Nütze ich Gelegenheiten, um positive (warme, gütige, interessierte, verständnisvolle, bewundernde) Blicke zu verschenken?
- Wenn ich den Blick meines Partners meide: Stoppen Sie und horchen Sie gut in sich hinein. Was bewegt sich gerade in mir? Welches Gefühl/Bedürfnis regt sich in mir in Hinblick auf meinen Partner?
- So können Sie aus dem negativen Reagieren einen Weg in das positive Agieren finden.
Nutzen Sie das derzeitige intensive Zusammensein und setzen Sie Ihre Blicke viel öfter bewusst zur Ermutigung und Stärkung Ihrer Paarbeziehung ein. Gerade jetzt ist es so wichtig sich gegenseitig zu vermitteln: „Ich finde dich echt gut!“ „Ich mag dich!“ „Es ist schön, mit dir zu sein.“ „Ich bin so froh, dass du da bist.“
Machen Sie Ihrem(r) Partner/in gerne und großzügig Geschenke mit „schönen Blicken“ und füllen Sie so seinen/ihren Liebestank wieder auf.
Autorin: Mag. Magdalena Sutter