PL_INT / Abtreibung: Globale Abtreibungslobby erhöht Druck auf Polen
IEF, 31.01.2022 – Das European Center of Law and Justice (ECLJ) zeigt sich von der parteilichen Herangehensweise des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) alarmiert.
EGMR: Beschwerdeoffensive gegen Polen
Mit einer Offensive von Beschwerden gegen Polen hat sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) derzeit zu befassen. Unterstützt von einer globalen Lobby wurden mehr als 15 Beschwerden erhoben, um eine Liberalisierung der polnischen Abtreibungspolitik zu erwirken. Wie das European Center of Law and Justice (ECLJ) jüngst berichtete, lässt sich der EGMR zunehmend instrumentalisieren und erfüllt so kaum noch den Anspruch der Unvoreingenommenheit.
Polen: eugenische Indikation verfassungswidrig
Erst kürzlich hatte der EGMR über die Entscheidung des polnischen Verfassungsgerichtshofs zur Abschaffung der eugenischen Indikation aus Achtung der Menschenwürde zu verhandeln, die mit Urteil vom 22.10.2020 in der Rechtssache K 1/20 erlassen worden war – das IEF hat berichtet. Bereits wenige Tage nach dem Urteil hatte die Warsaw Helsinki Foundation Frauen, die sich gegen das Urteil des Verfassungsgerichthofs zur Wehr setzen wollten, aufgefordert, sich Hilfe bei der Einreichung von Anträgen beim EGMR zu suchen. In ähnlicher Weise forderte auch der Verband für Frauen und Familienplanung (FEDERA) in Polen dazu auf, eine große Anzahl von Anträgen vor dem EGMR einzureichen, um das Urteil anzufechten und stellte sogar ein vorausgefülltes Antragsformular bereit.
Geburt eines behinderten Kindes ist „psychische Folter“
Bereits am 01.07.2021 informierte der EGMR in einer außergewöhnlich schnellen Reaktion auf diese Anträge die polnische Regierung über seine Entscheidung, die Beschwerden in 12 Fällen zur Verhandlung zuzulassen. Die Beschwerden wurden von polnischen Frauen im Alter von 27 bis 40 Jahren erhoben, die behaupteten, dass die Vorstellung, ein behindertes Kind „bekommen zu müssen“, ohne es abtreiben zu können, ihnen „Stress“ verursachen würde, der psychischer Folter gleichkäme und ihr Recht auf Achtung ihres Privatlebens verletzen würde. Diese Begründung entsprach exakt den Argumenten, die FEDERA und die Helsinki Federation unter Anleitung der Rechtsanwälte Agata Bzdyń, Kamila Ferenc und Monika Gąsiorowska erarbeitet hatten.
Goliath gegen David
In den folgenden Monaten baten die wichtigsten globalen „Player“ innerhalb der Abtreibungslobby den EGMR um Erlaubnis, im Verfahren Vorbringen erstatten zu können. Darunter befanden sich International Planned Parenthood Federation, Human Rights Watch, Center for Reproductive Rights, International Commission of Jurists, International Federation for Human Rights, European Network, Women Enabled International, Women’s Link Worldwide, World Organization against Torture und Amnesty International, eine Menschenrechts-NGO, die für ihren Einsatz für die Freilassung politischer Häftlinge bekannt ist, sich aber auch in der Abtreibungsfrage immer wieder ideologisch hervortut. Ebenso brachten sich die Vereinten Nationen und der Menschenrechtskommissar des Europarats – nicht überraschenderweise – auf Seiten der Abtreibungsbefürworter ein.
Nur ECLJ, ADF und Ordo Iuris, wurde es auf der anderen Seite gestattet, im Verfahren die Pro-Life-Lobby zu vertreten, während die Anträge von drei anderen Organisationen vom EGMR abgelehnt wurden, darunter der einer Down-Syndrom-Organisation. Dies sei – wie ECLJ betont – bedauerlich, da Kinder mit Trisomie 21 in erster Linie vom Ausgang des Verfahrens betroffen seien.
Keine Individualbeschwerde
Dass sich der EGMR überhaupt in die Verfahren eingelassen hat, wird aus Sicht des ECLJ kritisch gesehen. Aus seiner Sicht hätten die Anträge von einem Einzelrichter abgewiesen werden müssen. Weder sei aus der Europäischen Menschenrechtskonvention das subjektive Recht auf Tötung eines behinderten Fötus ableitbar, noch ein generelles Recht auf Abtreibung. Es sei auch nicht die Aufgabe des Staates, Frauen vor einer Schwangerschaft zu „schützen“. Darüber hinaus hätten die Klägerinnen keine Klagslegitimation, da sie selbst keine Betroffenen und durch die Bestimmungen nicht subjektiv „geschädigt“ seien. Es sei nicht Aufgabe des EGMR das innerstaatliche Recht abstrakt auf seine Übereinstimmung mit der Menschenrechtskonvention hin zu überprüfen.
Reaktionär oder fortschrittlich?
Indem Polen einem behinderten Kind das Recht auf Nichtdiskriminierung aufgrund einer Behinderung zuerkennt, folgt es den neuesten Entwicklungen im Völkerrecht, die die Erwähnung einer Behinderung als besonderen Grund für einen Schwangerschaftsabbruch verbieten. Laut dem UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (CRPD) verstoßen Gesetze, die Abtreibungen wegen Behinderung ausdrücklich zulassen, gegen die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Für den Ausschuss ist die Abtreibung wegen einer Behinderung eine Diskriminierung, die Menschen mit Behinderungen stigmatisiert.
Unvoreingenommen?
Dass der EGMR die Anträge im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbrüchen prioritär behandelt, sei aus Sicht des ECLJ „überraschend“. Dies könne einerseits durch die Aufmerksamkeit erklärt werden, die der Gerichtshof diesem Thema immer gewidmet habe, andererseits durch die Unterstützung, die diese Fälle von Organisationen erhalten, die dem EGMR nahe stehen, wie etwa der Warsaw Helsinki Foundation, Amnesty International, Human Rights Watch und der International Commission of Jurists. So hätten mehrere Richter des Gerichtshofs, die zum Zeitpunkt der Antragstellung im Amt waren, mit diesen Organisationen zusammengearbeitet oder sogar verantwortliche Positionen bekleidet. Dies sei der Fall bei den Richtern Grozev, Pavli, Mits, Kūris und Turković, die für oder mit der Open Society (die FEDERA und einige der Drittparteien finanziert) gearbeitet haben, oder bei den Richtern Motoc und der Österreicherin Kucsko-Stadlmayer, die Mitglieder der International Commission of Jurists (ICJ) waren, die in den 12 Fällen zur Unterstützung der Abtreibung intervenierte.
Unparteilich?
Auch die Unparteilichkeit der Mitarbeiter des EGMR wird aus Sicht des ECLJ bezweifelt: Tatsächlich hätten mehrere Anwälte, die jetzt in der Kanzlei des Gerichtshofs tätig sind, seit der Entscheidung vom Oktober 2020 öffentlich in sozialen Netzwerken für die Liberalisierung der Abtreibung in Polen gekämpft und das Symbol des „roten Blitzes“ (Strajk Kobiet) auf ihrem Profilbild platziert. Dies gilt insbesondere für polnische Anwälte, die diese Fälle wahrscheinlich vor Gericht betreuen werden, wie Rafał Sokół und Marcin Sczaniecki. Letzterer habe auch für die Helsinki Foundation in Warschau gearbeitet, bevor er vom EGMR eingestellt wurde, schreibt das ECLJ. Darüber hinaus hätten viele Mitarbeiter des Gerichtshofs für Organisationen wie die Open Society Justice Initiative gearbeitet. Umgekehrt seien Agata Bzdyń und Monika Gąsiorowska, die an der Ausarbeitung dieser Anträge mitgewirkt haben, zuvor Anwälte beim EGMR gewesen.
Neben der Behandlung der 12 Anträge beschäftigt sich der EGMR in weiteren drei Fällen, die bereits am EGMR anhängig sind, mit dem nationalen Abtreibungsrecht Polens – der Druck, der auf die polnische Politik ausgeübt werden soll, ist also mehr als augenscheinlich.
Das IEF wird weiter berichten. (KL)