DE / Reproduktionsmedizin: OLG Braunschweig spricht sich gegen rechtliche Elternschaft aus
IEF, 24.4.2017 – Ein deutsches Ehepaar, das in den USA eine Leihmutter für die Austragung von Zwillingen bezahlt hat, wird in Deutschland nicht als rechtliches Elternpaar anerkannt. Das urteilte das Oberlandesgericht Braunschweig.
Hintergründe des Falles
Wie Spiegel online berichtete, hatte das deutsche Ehepaar mit der späteren Leihmutter in den USA einen Vertrag für die entgeltliche Austragung von Zwillingen geschlossen. Dabei soll eine mittlere sechsstellige Summe gezahlt worden sein. Aufgrund dieses Vertrages habe ein US-Gericht im Bundesstaat Colorado das Ehepaar noch vor der Geburt der Zwillinge 2011 als rechtliche Eltern bestimmt. Die in Colorado ausgestellten Geburtsurkunden weisen das Paar ebenfalls als Eltern aus. Das seit 2011 mit den Kindern in Deutschland lebende Paar hatte Beschwerde gegen die ihre rechtliche Elternschaft ablehnende Entscheidung des Amtsgerichts Braunschweig eingereicht. Die Frau bleibe nach wie vor Vormund der Kinder, weshalb das Urteil vorerst keine Auswirkungen auf das Zusammenleben habe, wird ein Sprecher des Gerichts zitiert.
Begründung des OLG Braunschweig
Seine Entscheidung, das Urteil des US-Gerichts über die rechtliche Elternschaft in Deutschland nicht anzuerkennen, begründet das OLG Braunschweig damit, dass Elternschaft nach deutschem Recht allein auf Abstammung und Adoption und nicht auf eine vertragliche Grundlage gestützt werden könne. Durch die entgeltliche vertragliche Vereinbarung zur Leihmutterschaft habe das Ehepaar erkennbar gegen die in Deutschland geltenden Verbote nach dem Embryonenschutzgesetz und dem Adoptionsvermittlungsgesetz gehandelt. Das Gericht betont, dass der deutsche Gesetzgeber den „Schutz der betroffenen Frauen und der gezeugten Kinder erkennbar über die Wünsche von Auftraggebern nach Elternschaft“ gestellt habe. Die vertraglich vereinbarte kommerzielle Leihmutterschaft verletze den vom nationalen Gesetzgeber verfolgten Schutz von Kindern und Müttern. Im Vordergrund stünden hier die Werteentscheidungen des Grundgesetzes zugunsten der Menschenwürde, des Lebens und der Wahrung des Kindeswohls. Im konkreten Fall „sei insbesondere der psychischen Bindung der Schwangeren zu ihren ausgetragenen Kindern nur unzureichend Rechnung getragen worden, da die Entscheidung des US- Gerichts in Colorado ohne Anhörung der Leihmutter und noch vor der Geburt ergangen war.“
Parallele zu EGMR Entscheidung
Der Fall nimmt Bezug auf die jüngste Entscheidung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in einem ähnlich gelagerten italienischen Fall, geht aber darüber hinaus, so Dr. Stephanie Merckens, Leiterin des Bereichs Politik am Institut für Ehe und Familie (IEF). In der Rechtssache Paradiso und Campanelli gegen Italien bestätigte der EGMR die Kindsabnahme als verhältnismäßige Maßnahme nachdem ein italienisches Ehepaar in Umgehung der nationalen Bestimmungen zum Adoptionsrecht und in Verletzung der italienischen Bestimmungen zur Fortpflanzungsmedizin ein Kind durch eine russische Leihmutter austragen ließen. Im italienischen Fall stellte sich heraus, dass es keine genetische Verwandtschaft der Auftraggeber zum Kind gab, weswegen das Kind als elternlos behandelt wurde und der Fall rein nach adoptionsrechtlichen Vorschriften beurteilt wurde. Anders im Fall, den das deutsche Oberlandesgericht zu beurteilen hatte. Hier stellte sich heraus, dass zwar die weibliche Auftraggeberin keine genetische Verbindung zu den Kindern aufweisen konnte, da Eizellen anonymer Spenderinnen verwertet wurden. Der männliche Auftraggeber war aber Samenspender und ist daher genetisch der Vater der Kinder. Dennoch wurde seine rechtliche Vaterschaft nicht im vorliegenden Verfahren in Einem anerkannt, sondern der Vater auf die Möglichkeit eines gesonderten Verfahrens zur Feststellung der Vaterschaft verwiesen. Dieser Verweis scheint aber allein formal begründet zu sein, da die betroffenen Kinder keine Parteistellung im Verfahren hatten, so Merckens.
Letztentscheidung offen
Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage hat das OLG Braunschweig die Rechtsbeschwerde an den deutschen Bundesgerichtshofs zugelassen. Dessen Beurteilung kann mit Spannung erwartet werden, so Merckens. Der Fall ist insofern etwas anders gelagert als der italienische Fall in Paradiso und Campanelli, da die Kinder schon einige Jahre bei den Bestelleltern leben UND der Bestellvater auch tatsächlich der genetische Vater der Kinder ist. Dennoch könnte es zu einer Bestätigung der Entscheidung kommen, da einer rechtlichen Vaterschaftsfeststellung des genetischen Vaters ja nicht inhaltlich abgesprochen wurde und aufgrund der zugesprochenen Vormundschaft durch die Bestellmutter auch ein weiterer Verbleib der Kinder im bisherigen Umfeld gesichert ist. Von einer Gefährdung des konkreten Kindeswohls, die höher einzustufen wäre als das berechtigte Interesse der Einhaltung der öffentlichen Ordnung sowie des allgemeinen Schutzes von Kinderrechten, müsse daher im vorliegenden Fall kaum auszugehen sein, so die Juristin abschließend.
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