AT / Sterbehilfe: Neuregelung des ärztlichen Beistands für Sterbende

IEF, 23.10.2018 – Das Gesundheitsministerium hat den Entwurf für eine Novelle des Ärztegesetzes, die unter anderem die ärztliche Begleitung am Lebensende behandelt, in Begutachtung geschickt. Die Begutachtungsfrist läuft bis 8. November.

Zunächst hält der Entwurf fest, dass Ärzte Sterbenden, die von ihnen behandelt werden, unter Wahrung ihrer Würde beizustehen haben. Im nächsten Absatz heißt es dann, dass es bei Sterbenden insbesondere auch zulässig sei, im Rahmen palliativmedizinischer Indikationen Maßnahmen zu setzen, deren Nutzen zur Linderung schwerster Schmerzen und Qualen im Verhältnis zum Risiko einer Beschleunigung des Verlusts vitaler Lebensfunktionen überwiegt. Die einzelnen Maßnahmen bzw. der Begriff der Palliativmedizin wird dabei nicht näher definiert. Wie die Kleine Zeitung berichtet, solle es jedoch konkret um die Schmerzbekämpfung mit Opiaten und Morphinen bei der Behandlung von Patienten in den letzten Lebensstunden, gehen.

Laut den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf soll die Neuregelung den Ärzten die große Unsicherheit bei der Abwägung von Schmerzmitteln am Lebensende nehmen, die auch zum Nachteil der Patienten gereichen kann. Verwiesen wird dabei auf den Fall eines Arztes in Salzburg, dem zur Last gelegt wurde, einer 79-jährigen Patientin so viel Morphin verabreicht zu haben, dass sie daran starb. „Wenngleich nach dem zunächst erhobenen Mordvorwurf schlussendlich auch ein Freispruch vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung erfolgte, blieben gerade auf dem Gebiet der Palliativmedizin Unbehagen und große Verunsicherung zurück“, so der weitere Wortlaut der Erläuterungen. Keinesfalls soll das neue Ärztegesetz aber eine Rechtsgrundlage für Euthanasie schaffen, heißt es im Ministerialentwurf.

Lob für den Ärztegesetz-Entwurf

Lob für das neue Ärztegesetz kommt unter anderem vom Präsidenten der Österreichischen Palliativgesellschaft, Rudolf Likar und dem Moraltheologen und Medizinethiker, Walter Schaupp. Für Likar zielt die Neuregelung vor allem darauf ab, mit therapeutischen Eingriffen wie Opiaten den Patienten den “Stress des Sterbens” zu nehmen, insbesondere wenn diese „Schmerzen, Unruhe, Angst und Qualen verspüren. Damit ein Mensch in Ruhe einschlafen kann“. Es gehe um die rechtliche Absicherung einer tief ethischen, ärztlichen Behandlung. Der Medizinethiker Schaupp sprach gegenüber der Kleinen Zeitung davon, dass in der Palliativmedizin seit jeher der Konsens „Lebensqualität statt reiner Lebensverlängerung“ gelte. „Zu Problemen kam es, wenn sich der Patient selbst nicht äußern konnte und nicht klar war: Was ist sein Wille?“. In diesen Fällen würde für Schaupp das neue Gesetz nun Klarheit schaffen.

Eine Frage der Auslegung?

Das neue Ärztegesetz wirft jedoch auch Fragen auf. Schaupp spricht in dem Zusammenhang das Thema der Verhältnismäßigkeit oder der Über-Therapien an. Manche befürchten, das Gesetz würde die Sterbehilfe legalisieren. Um das zu verhindern, müsse die Begutachtungszeit nun genutzt werden, um genau zu prüfen, ob der Gesetzestext die an sich gute Intention des Gesetzgebers auch wirklich ausreichend treffend absteckt, meint dazu Dr. Stephanie Merckens vom Institut für Ehe und Familie (IEF). Ethisch sei es verständlich, dass in der Phase des unumkehrbaren Sterbeprozesses das Interesse der Schmerzlinderung überwiegt, selbst wenn der Arzt nicht mehr sicher garantieren kann, ob der sterbende Körper mit der Dosierung des Schmerzmittels noch zurechtkommt. Rechtlich kommt der ärztlichen Abwägung hier aber der Begriff des „Dolus eventualis“ aus dem Strafrecht in die Quere, der immer schon dann vorsätzliches Handeln annimmt, wenn der Handelnden sich der strafbaren Folge seiner Tat bewusst ist und diese zumindest in Kauf nimmt – selbst wenn er sie nicht gezielt bewirken will. Juristisch gibt es verschiedene Ansätze, dieses Dilemma der Abwägung zu lösen. Entscheidend ist es nun, rechtlich eine derart klare Formulierung zu finden, dass bloß der gewünschte Sachverhalt geklärt wird und nicht mehr. Insbesondere gehe es dabei laut Merckens um die Begriffe „Wahrung der Würde“ und „palliativmedizinische Indikation“ des geplanten § 49a Ärztegesetz. Denn unter „Würde“ werde heutzutage alles Mögliche verstanden, bis hin zu einem Recht auf Sterbehilfe, erinnert die Biopolitikerin. Und auch wenn in Österreich derzeit unter Palliativmedizin nur mehr die Schmerzbehandlung bei nicht mehr therapierbaren Erkrankungen verstanden wird, so darf man nicht die Augen davor verschließen, dass in anderen Ländern unter palliativmedizinischen Maßnahmen auch heute schon aktive Sterbehilfe verstanden wird. Es sei daher notwendig, etwa durch Verweis auf das Strafrecht, auch im Gesetzestext zu ergänzen, dass es um keine Aufweichung des Verbots der Tötung auf Verlangen oder der Beihilfe zum Selbstmord gehe. Ein Hinweis in den erläuternden Bemerkungen allein, sei dafür zu wenig, so Merckens.

Vatikan ruft zur Förderung der Palliatvversorgung auf

Unterdessen ruft die katholische Kirche dazu auf, dass palliativmedizinische Versorgung jedem Menschen zugänglich gemacht werden sollte. Aus diesem Anlass hat die Päpstliche Akademie für das Leben eine neuen Initiative mit dem Namen „PAL-Life“ ins Leben gerufen. Bei dem zuletzt von PAL-Life organisierten Symposium im März 2018 wurde von den teilnehmenden Experten ein „White Paper” mit den wichtigsten Empfehlungen zur Förderung der Palliativversorgung weltweit entworfen. Der Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin verfasste aus dem Anlass einen Brief an die Teilnehmer, in dem er daran erinnerte, dass die ethische Aufgabe im Zusammenhang mit Palliativmedizin vor allem darin bestehe, bei den einzelnen Maßnahmen aufmerksam und klug zu unterscheiden und so zwischen Schmerztherapie und Euthanasie zu differenzieren.

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