AT / Gender: Verfassungsgerichtshof prüft dritten Geschlechtseintrag
IEF, 12.4.2018 – Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) prüft derzeit, ob es neben „männlich“ und „weiblich“ eine weitere Geschlechtsalternative braucht.
Laut Prüfungsbeschluss vom 14.3.2018 gab die Beschwerde einer Person, die erfolglos versuchte, ihren Geschlechtseintrag im Zentralen Personenstandsregister auf „inter“ oder eine andere ähnliche Formulierung abändern zu lassen, Anlass zur amtswegigen Prüfung. Der VfGH äußerte im Beschluss außerdem Bedenken, dass es gegen den grundrechtlichen Schutz der Privatsphäre durch Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßen könnte, wenn das Geschlecht zwingend als weiblich oder männlich anzugeben sei. Die Entscheidung sei in einer der nächsten Sessionen zu erwarten.
Konkret gehe es um das Personenstandsgesetz (PStG), nach dem das Geschlecht bei der Eintragung von Geburt, Eheschließung, Begründung einer Eingetragenen Partnerschaft und Tod in das Zentrale Personenstandsregister einzutragen sei. Obwohl die Kategorien für diese Eintragung nicht vorgegeben werden würden, gehe der VfGH davon aus, „dass die Regelungen des PStG 2013 vor dem Hintergrund der in der Rechtsordnung (auch) sonst vorherrschenden Kategorisierung des ‚Geschlechts‘ in ‚weiblich‘ und ‚männlich‘ und einer sozialen Realität zu sehen sind, die Menschen (unter anderem) auch wesentlich mit ihrem Geschlecht wahrnimmt und dabei (immer noch) überwiegend von einer binären Zuordnung in Menschen männlichen oder weiblichen Geschlechts ausgehen dürfte“.
Es gebe aber Menschen, deren Geschlechtsmerkmale durch eine „atypische Entwicklung des chromosomalen, anatomischen oder hormonellen Geschlechts gekennzeichnet“ seien, „die die Einordnung als männlich oder weiblich nicht eindeutig zulassen“, so der VfGH in seiner Presseaussendung. Der VfGH bezeichnete die Personengruppe als „besonders verwundbar“. Insbesondere treffe dies auf Kinder zu, „weil die konventionelle Geschlechtskonzeption Eltern dem Druck aussetzen könnte, das uneindeutige Geschlecht ihres Kindes den Kategorien männlich oder weiblich anzugleichen“, so der VfGH.
Der Gerichtshof bezieht sich in seinem Beschluss auf die Stellungnahme der Bioethikkommission des Bundeskanzleramts zu Intersexualität und Transidentität, die Ende 2017 veröffentlicht wurde. Die Bioethikkommission stellte hierin fest, dass Intersexualität eine „Variante der Geschlechtsentwicklung […] als solche anzuerkennen und insbesondere kein Ausdruck einer krankhaften Entwicklung“ sei.
Auf Basis des Art. 8 EMRK, der das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und damit das Recht auf individuelle Geschlechtsidentität festschreibt, gehe der VfGH davon aus, Varianten der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich und weiblich anerkennen zu können. Nach Meinung des VfGH solle es jedenfalls möglich sein, einen Geschlechtseintrag solange offen zu lassen, „bis betroffenen Menschen eine selbstbestimmte Zuordnung möglich“ sei. Es sei davon auszugehen, dass Menschen ferner nur jene Geschlechtszuschreibungen akzeptieren müssten, die ihrer Identität entsprächen.
Der VfGH räumte ein, „dass entsprechende Änderungen im Personenstandsrecht nicht ohne Folgen auf andere Bereiche der Rechtsordnung bleiben würden“.
Die Frage nach einer dritten Geschlechtskategorie wird seit längerem intensiv geführt. Kanada beispielsweise führte 2017 eine „x-Option“ im Pass als dritte Option neben männlich und weiblich ein. Das deutsche Bundesverfassungsgericht forderte mit Beschluss vom 10.10.2018 eine weitere „positive“ Geschlechtswahlmöglichkeit für Menschen, die sich weder dem männlichen, noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Während LGBTI-Gruppen wie die „HOSI“ einen dritten Geschlechtseintrag und die damit verbundene Infragestellung der binären Ordnungsstruktur begrüßen, demonstrierten Medienberichten zufolge in Kroatien tausende Menschen gegen die Einführung eines dritten Geschlechts.
Laut Dr. Stephanie Merckens, Biopolitikerin am Institut für Ehe und Familie (IEF) und Mitglied der Bioethikkommission, müsse man in der Diskussion zwischen biologischen Geschlecht und Geschlechtsidentitäten – also einem gefühlten Geschlecht – unterscheiden. Bezüglich letzterem stelle sich dann die Frage, ob eine dritte Geschlechtskategorie überhaupt die verschiedentlich empfundenen Geschlechtsidentitäten erfassen könne. Daraus ergebe sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit, das binäre System von Mann und Frau rechtlich zu verlassen. Die Bioethikkommission hat daher empfohlen, keine neue Geschlechtskategorie einzuführen, sondern eher eine Sammelangabe zu ermöglichen, erläutert die Juristen. Angesichts der österreichischen Regelung im Personenstandsgesetz sei zudem festzuhalten, dass dieses bereits heute vorsehe, Angaben, die nicht eindeutig sind, vorerst offen zu lassen. Pragmatisch gesehen, könne also schon heute die Geschlechtsangabe einfach freigelassen werden, sofern keine eindeutige Zuordnung bei der Geburt möglich ist, erklärt Merckens. Es wäre demnach durchaus denkbar, dass die beanstandete Regelung dem Prüfverfahren standhält und gar nicht verfassungswidrig ist. Technisch müsste dann allerdings die faktische Möglichkeit in den Formularen eingeräumt werden, die Geschlechtsangabe frei zu halten. Auch wäre dann immer noch zu klären, unter welchen Voraussetzungen und bis wann die Angabe frei bleiben könne, erinnert Merckens. Eine Frage, die sich aber bei jeder Abänderung der bisherigen Regelung stelle und auch der deutsche Bundesverfassungsgerichtshof offen gelassen habe, so die Juristin.