Geschlechtsänderung
Transgender, Transidentität, Queer, Gender

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INT / Gender: Neue Zahlen und Studien liefern Erkenntnisse zu trans- und intergeschlechtlichen Personen

IEF, 06.05.2021 – Aktuelle Studienlage aus Deutschland und Belgien wirft kritisches Licht auf Sinnhaftigkeit jüngster Gesetzesentwicklungen zur Geschlechtsänderung

Viele Länder haben in den vergangenen Jahren ihre Gesetzgebung geändert und neben den Geschlechtseinträgen „weiblich“ und „männlich“ auch Eintragungen wie „divers“ oder „inter“ zugelassen. Zeitgleich wurde es vereinfacht, den Geschlechtseintrag zu wechseln. Mittlerweile liegen erste Zahlen zu diesen neuen Möglichkeiten vor.

414 Personen wechselten 2020 in Belgien ihren Geschlechtseintrag

The Brussels Times berichtet von der Anzahl an Personen aus den Jahren 2018 bis 2020, die vom Institut für die Gleichstellung von Mann und Frau bekannt gegeben worden sind. Hierbei handelt es sich um Zahlen von Transgender-Personen, die von ihrem biologischen Geschlecht zum anderen biologischen Geschlecht wechseln, sich also innerhalb des binären Systems von männlich und weiblich einordnen. Oft wird in diesem Zusammenhang auch von transidenten Personen gesprochen. Biologische Ursachen für Transidentität konnten bislang nicht gefunden werden.

Im vergangenen Jahr 2020 haben 414 Personen von den ca. 11,4 Millionen Belgiern ihr Geschlecht gewechselt. 2018 gab es einen Höchststand mit 742 Änderungen, der darauf zurückzuführen ist, dass seit dem 1. Januar 2018 eine Änderung des Geschlechtseintrags ohne medizinisches Gutachten, also ausschließlich auf Basis einer Selbsterklärung, möglich ist. Weiters geht aus den Zahlen hervor, dass die Anzahl der Transfrauen (Männer, die als Frau leben wollen) und die der Transmänner (Frauen, die als Männer leben wollen) gleich hoch ist. Unterschiedlich ist jedoch das durchschnittliche Alter bei der Änderung. Bei Transmännern liegt es bei 27 Jahren und bei Transfrauen bei 37 Jahren.

Deutschland: nur wenige Menschen wechseln zum dritten Geschlecht

Bereits Mitte April 2021 veröffentlichte die deutsche Wochenzeitung „Die Zeit“ einen Beitrag mit dem Titel „Die Suche nach dem dritten Geschlecht“ (Artikel nur für (Test-)Abonnenten lesbar). Im Fokus standen intergeschlechtliche Personen, also Menschen bei denen eine Variante der Geschlechtsentwicklung vorliegt, die Geschlechtsmerkmale beider Geschlechter aufweisen. In diesem Bereich gebe es in etwa 50 verschiedene Syndrome, die sich sowohl auf die äußeren, als auch auf die inneren Geschlechtsmerkmale auswirken können. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hatte in einem Beschluss im Herbst 2017 entschieden, dass für diese Menschen ein drittes Geschlecht als Möglichkeit im Geburtenregister geschaffen werden müsse. In dem Urteil wurde von einer Häufigkeit von 1 zu 500 und damit von 160.000 potentiellen Betroffenen ausgegangen, wobei Vertreter der Organisation „Intersex International“ sogar von 1,4 Millionen Menschen in Deutschland sprachen, so der Beschluss. In Folge führte der Gesetzgeber die Option „divers“ im Personenstandsregister ein (das IEF hat berichtet).

Die Zahlen scheinen jedoch deutlich zu hoch angesetzt worden zu sein. Laut Auskunft aus dem deutschen Innenministerium hätten in den Jahren 2019 und 2020 insgesamt knapp 300 Personen in ganz Deutschland ihr Geschlecht auf „divers“ ändern lassen. Außerdem hätten im Jahr 2019 Eltern bei 11 von 780.000 Geburten für ihr Kind die dritte Option gewählt. Und auch bei einer anonymen Online-Umfrage des Infas Instituts wählten nur 3 von 18.000 Personen die dritte Geschlechtsoption.

Zugang zu Geschlechtsänderungen wird weiterhin erleichtert

Verfechter eines vereinfachten Zugangsverfahrens für Änderungen des Geschlechtseintrages fühlen sich hingegen von diesen Zahlen bestätigt. Sie meinen, dass der Grund für die niedrigen Zahlen an Änderungen des Geschlechtseintrags in den hohen Hürden begründet liege, die vom Gesetzgeber vor einer Geschlechtsänderung verlangt werden. So ist beispielsweise in Deutschland ein ärztliches Gutachten notwendig, das nur in Ausnahmefällen durch eine eidesstattliche Erklärung ersetzt werden kann. Gleiches gilt auch in Österreich, womit der Gesetzgeber sich aber auch an die entsprechenden Empfehlungen aus Fachkreisen hält. Lesen Sie dazu etwa die Stellungnahme der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt.

Im Gegensatz dazu wurde im Österreichischen Nationalrat am 21.04.2021 vom Abgeordneten Mario Lindner ein Entschließungsantrag mit dem Titel „freier Zugang zu alternativen Geschlechtseinträgen“ eingebracht und dort dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zugewiesen. In dem Antrag fordern einige Abgeordnete, dass der Zugang zu „Alternativen Geschlechtseinträgen“ auf der Basis von Prinzipien wie Selbstbestimmung erfolgen solle. Dieses wird einerseits mit dem Verhindern einer Retraumatisierung von intergeschlechtlichen Personen begründet, die durch medizinische Eingriffe in der Kindheit geprägt worden sei und denen deshalb eine erneute medizinische Untersuchung nicht zuzumuten sei. Andererseits wird auf Transgender-Personen hingewiesen, denen der Zugang eine „rechtliche Anerkennung ihrer geschlechtlichen Identität“ garantieren würde.

Ähnliche Pläne hatte die ehemalige britische Premierministerin Theresa May, welche jedoch nach dem Wechsel an der Regierungsspitze nicht weiterverfolgt, sondern ganz im Gegenteil, von der Ministerin für Frauen und Gleichstellung Elizabeth Truss öffentlich verworfen wurden (das IEF hat berichtet). Stattdessen wurde angekündigt, weiterhin auf ein ärztliches Attest zu bestehen, aber die Kosten für die Änderung des Geschlechtseintrags zu senken. Laut SkyNews wurde diese Ankündigung nun umgesetzt und die Gebühr von 140 auf 5 britische Pfund reduziert.

Biden-Regierung will Ärzte bestrafen, die keine Geschlechtsumwandlungen durchführen

Einen ganz anderen Weg will die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika unter Präsident Joe Biden beschreiten. Laut einem Bericht von DailyWire hat der Präsident Berufung gegen ein Urteil eingelegt, das einen Vorstoß der Regierung gestoppt hatte, mit dem Ärzte und Krankenhäuser wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bestraft werden sollten, wenn sie keine geschlechtsändernden Behandlungen und Operationen ausführen würden.

Luke Goodrich, einer der Anwälte, die in dem Verfahren gegen den Vorstoß der Regierung beteiligt waren, verwies in einem Interview unter anderem auf einen Bericht der BBC. In diesem wurde mit Verweis auf eine Studie des National Institute for Health and Care Excellence (NICE) von einem „sehr geringen“ Nutzen von Pubertätsblockern für Minderjährige gesprochen. In dieser Studie wurde unter anderem der Zusammenhang zwischen Genderdysphorie, also dem Gefühl eines Widerspruchs zwischen dem biologischen Geschlecht und der sogenannten Geschlechtsidentiät, sowie psychischen Erkrankungen wie etwa Depressionen untersucht. Allerdings fand NICE keine ausreichenden Zusammenhänge aufgrund der spärlichen Datenlage und dem Fehlen von Kontrollgruppen.

Genderdysphorie als psychische Erkrankung

Anders schaut es bei einer australischen Studie aus dem heurigen Jahr aus. Die Forscher stellten darin fest, dass die Gefahr für Kinder und Jugendliche, an Genderdysphorie zu erkranken, höher sei, wenn sie unter psychischen Erkrankungen litten oder einen Verlust bzw. ein Trauma erlitten hatten. Dieses steht in Übereinstimmung mit den Berichten von mehreren Detransitionierern, also Personen, die eine Zeit lang im anderen Geschlecht gelebt haben, und nun in ihr Geburtsgeschlecht zurückgekehrt sind. So berichteten beispielsweise drei junge Frauen im Magazin EMMA von ihren psychischen Problemen, die medizinisch fälschlicherweise als Genderdysphorie gedeutet wurden (das IEF hat berichtet).

In die gleiche Kerbe schlägt die 22-jährige Helena Kerschner, die als Transmann gelebt hat und die beim „Q2021 Culture Summit“ am 23. April die Forderung stellte, dass Genderdysphorie als eine Frage der psychischen Gesundheit zu behandeln sei. Darüber hinaus berichtete sie von dem Druck, der dadurch entstand, dass sie sehr schnell im Internet und in der Schule von anderen Personen umgeben war, die auch einen Geschlechtswechsel durchführen wollten. Viele seien seitdem allerdings schon wieder detransitioniert. (MM)

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