Pornografiekonsum hat negative Auswirkungen auf Gesundheit
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AT_DE / Medien: Negative Auswirkungen von Pornografiekonsum auf die Gesundheit werden dramatischer

IEF, 23.03.2021 – Expertendiskussion gibt Einblick in aktuelle Entwicklungen und therapeutische Arbeit.

Der gemeinnützige Verein Safersurfing, der Aufklärung, Prävention und Beratung zum Thema Pornografie bietet, hat gemeinsam mit der Sigmund Freud Privatuniversität eine virtuelle, wissenschaftliche Paneldiskussion zum Thema „Pornografiekonsum und psychische Gesundheit“ ausgerichtet.

Hochkarätiges Podium zeigt sich besorgt

In der von Dr. Maria Harmer moderierten Veranstaltung diskutierten fünf ausgewiesene Experten aus dem Fachbereich Psychologie bzw. Psychotherapie, alle mit einem Schwerpunkt auf Verhaltenssüchte. Bereits vor der Veranstaltung stellte Dr. Dominik Batthyány, der Leiter des Instituts für Verhaltenssüchte an der Sigmund Freund Privatuniversität, die Frage, was „der Konsum von Pornografie mit Menschen, Partnerschaften, mit Kindern und Jugendlichen“ mache.

Antworten auf diese Fragen suchten neben Batthyány  auch Universitätsprofessor Dr. Michael Musalek, der ärztliche Direktor des Anton-Proksch-Instituts, einer Wiener Suchtklinik, und Dr. Peter Stippl, der Präsident des Österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie. Komplettiert wurde die Runde durch Dr. Kornelius Roth-Schaeff, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, sowie Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und für Suchtmedizin und die Neurologin und Psychotherapeutin Dr. Heike Melzer.

Pornografie hat hohes Suchtpotential

Bereits zu Beginn der Veranstaltung machte Stippl unmissverständlich klar, dass der Konsum von Pornografie nicht, wie oftmals angenommen, ein zwar „ordinäres, aber doch harmloses Vergnügen“ sei, sondern der Einstieg in „eine verrückte Welt of no return“, der „Internet-Porno-Sucht“. Er wies darauf hin, dass die ständige Verfügbarkeit, auch von extremen Inhalten, und die „neue Qualität“ von Internetpornografie vermehrt zu Suchtkranken führe und man sich die Frage stellen müsse, wie viel Kinderpornografie und Tötung und Folterung man schadlos konsumieren könne.

Musalek machte deutlich, dass die große Gefahr des Pornografiekonsums das hohe Suchtpotential sei. Deswegen genüge schon eine eher kurze Zeit des Konsums und eine eher geringe Menge, um Abhängigkeit hervorzurufen. Zudem setze ein positives Gefühl früh ein, klinge aber auch rasch wieder ab. In der Folge müsse immer mehr Pornografie konsumiert werden.

Sinkendes Alter und steigende Zahlen bei Suchtkranken

Der Suchtmediziner Roth-Schaeff führte an, dass sich in den vergangenen 20 Jahren vor allem die Gruppe der Süchtigen stark gewandelt habe. Während es früher vor allem Männer im Alter von 40 bis 50 Jahren gewesen seien, die oftmals „gescheiterte Ehen und verschiedene Sexpartnerinnen hinter sich“ hatten, seien es heute vermehrt „Digital Natives“ im Alter von 25 bis 30 Jahren, die schon „vor der Pubertät mit Pornografie im Internet“ konfrontiert worden wären.

Gerade für Europa würden allerdings groß angelegte Studien fehlen, was unter anderem daran liege, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den exzessiven Konsum von Pornografie im Internet nicht als Sucht anerkenne. Seit 2019 zähle lediglich zwanghaftes Sexualverhalten, zu welchem übermäßiger Pornografiekonsum zähle, als psychische Krankheit.

Gemäß Studien aus den USA und aus Schweden, die in der Veranstaltung zitiert wurden, sind allerdings bereits fünf bis acht Prozent der Bevölkerung süchtig nach Internetpornos, wobei es sich bei Dreiviertel der Süchtigen um Männer handle. Das IEF hat berichtet.

Folgen von Pornografiesucht haben erschreckende Auswirkungen für die Betroffenen

Aus ihrer therapeutischen Praxis berichtete Melzer u.a. von einem 17-Jährigen Patienten, welcher bereits 6 Jahre zuvor begonnen habe, Pornografie im Internet zu konsumieren. Sie sah vor allem die „Entkopplung von Zwischenmenschlichkeit und Sexualität“ als großes Problem. Sie beschrieb unter anderem auch körperliche Aspekte, die für die Suchtkranken sexuelle Beziehungen unmöglich machen würden oder zu einer Verwendung von Stoffen wie Viagra führten und auf die Pornografiesucht zurückzuführen seien. Weiters beklagte sie, dass „die Pornoindustrie mit der Pharmaindustrie Hand und Hand“ arbeite.

Melzer wies darüber hinaus auf die höhere Suchtgefahr der modernen Pornografie hin, die auf die verbesserte handwerkliche Qualität durch bessere Kameras und den Einsatz von „Virtual Reality“ zurückzuführen sei. Sie verglich dies mit anderen Suchtmitteln, bei denen eine höhere Reinheit des Stoffes schon bei einer geringeren Dosis süchtig machen würde.

Darüber hinaus wären die Auswirkungen auf das Leben von Betroffenen oftmals weitaus dramatischer als auf den ersten Blick zu vermuten sei. So würden Kinder und Jugendliche ihren Konsum oftmals heimlich über die Kreditkarte der Eltern finanzieren und es wurden auch Fälle beschrieben, in denen die Familie eines Betroffenen erst durch eine polizeiliche Hausdurchsuchung wegen illegaler Pornografie von der Sucht erfahren hätte. Viele Familien würden daran zerbrechen.

Handlungsbedarf für Gesellschaft und Politik

Stippl sprach in diesem Zusammenhang von „grauenhaften Auswüchsen“ und davon, dass „ganze Existenzen gefährdet“ seien. Es wäre dementsprechend notwendig, „gesellschaftlich und politisch“ darauf zu reagieren. Erste rechtliche Schritte wurden auch bereits gegen Pornografieportale eingeleitet, allerdings bisher hauptsächlich, um Kinder zu schützen (das IEF hat berichtet).

Dass die Veranstaltung mit über 400 Teilnehmern überaus gut besucht war und auch diverse Medien im Anschluss darüber berichteten, kann als Zeichen der steigenden Aufmerksamkeit gedeutet werden. Der Verein Safersurfing kündete zum Ende der Diskussion bereits zwei weitere Veranstaltungen zum Thema im laufenden Halbjahr an.

Die gesamte Paneldiskussion „Pornografie und psychische Gesundheit“ wurde darüber hinaus aufgezeichnet und steht auf Youtube zum Nachhören zur Verfügung. (MM)

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