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AT / Politik: Nationalrat befasst sich mit dem Frauenvolksbegehren

IEF, 30.04.2019 – Das zweite Frauenvolksbegehren wurde von 481.959 Personen unterschrieben. Die Regierungsparteien versichern, viele der Forderungen des Volksbegehrens ernst zu nehmen. Die Initiatoren zeigten sich in einer Stellungnahme über die Umsetzung enttäuscht.

Am 24.04.2019 wurde das Frauenvolksbegehren vom Nationalrat abschließend behandelt. Den Beratungen gingen zwei Ausschuss-Debatten mit öffentlichen Hearings voraus. Ein Entschließungsantrag betreffend das Maßnahmenpaket zum Gewaltschutz aus einer der Ausschusssitzungen wurde zusammen mit dem Frauenvolksbegehren im Nationalrat einstimmig zur Kenntnis genommen.

30 Anträge der Oppositionsparteien

Kurz vor Beginn der Nationalratssitzung brachte die Opposition noch weitere 30 Entschließungsanträge ein, die jedoch allesamt abgelehnt wurden. Die Anträge enthielten unter anderem Forderungen nach gesetzlichen Geschlechterquoten für Wahllisten, der Umsetzung eines Lohntransparenzgesetzes, der Beauftragung einer Studie zum Thema diskriminierungsfreie Arbeitsbewertung, der Koppelung öffentlicher Vergaben und Förderungen an Gleichstellungsaktivitäten in Unternehmen und einer objektiven Bewertung von Arbeit. Einer der Anträge zielte auf die Beauftragung einer Kinderkostenstudie ab. Eine solche wird grundsätzlich auch schon seit langem vom Katholischen Familienverband gefordert.

Die Oppositionsanträge sollen von den Regierungsparteien aus Protest gegen das kurzfristige Einbringen abgelehnt worden sein. Künftig sollen sie jedoch den zuständigen Ausschüssen zur weiteren Verhandlung zugewiesen werden.

Zwei Anträge der ÖVP und FPÖ betreffend eine Reform des Kinderunterhaltsrechts und die Fortführung der Interministeriellen Arbeitsgruppe zum Schutz von Frauen vor Gewalt wurden mehrheitlich angenommen.

Frauenministerin Bogner-Strauss: Gleichstellung beginnt zu Hause

Während der Nationalratssitzung meldeten sich viele Abgeordnete zum Frauenvolksbegehren zu Wort. Vertreter der Koalitionsparteien sahen einige der Forderungen des Volksbegehrens im Einklang mit dem Regierungsprogramm. Manche der Postulate lehnten sie jedoch als problematisch und fragwürdig ab. Die Opposition appellierte an die Regierungsparteien um mehr Wertschätzung und echte Auseinandersetzung mit dem Frauenvolksbegehren in Form von konkreten politischen Handlungen und Maßnahmen, die die Lebenssituation von Frauen verbessern würden.

Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) zeigte sich um die Umsetzung vieler Forderung des Frauenvolksbegehrens wie dem Ausbau der Kinderbetreuung oder dem Gewaltschutz bemüht. „Im Großen und Ganzen haben wir dieselben Ziele, wir gehen vielleicht nur andere Wege dorthin“, so die Ministerin bei ihrer Ansprache im Parlament. Einige der Ziele könne sie jedoch nicht mittragen. Auf die abfällige Bemerkung von Melanie Erasim (SPÖ), wonach die Frauen von heute ohne die Frauenbewegung und ohne sozialdemokratische Frauenpolitik noch immer bei 5-6 Kindern zu Hause wären und dem Mann die Patschen richten würden, antwortete Bogner-Straß mit einem Beispiel aus ihrer eigenen Familie: „Meine Mutter hat sechs Geschwister. Und meine Mutter hat weder ihrem Vater noch ihrem Mann die Patschen gerichtet und zwar deshalb, weil Gleichstellung in ihrem Elternhaus und in meinem Elternhaus gelebte wurde. Und deshalb noch einmal: Gleichstellung beginnt zu Hause.“

Nationalratsabgeordnete Kugler vermisst Maßnahmen gegen Altersarmut und Abtreibungsdruck

Gudrun Kugler von der ÖVP würdigte in ihrer Rede das Engagement der Initiatorinnen und Initiatoren des Frauenvolksbegehrens, wies jedoch auf zwei Themen hin, die darin entweder zu wenig oder gar keine Beachtung fänden. Einerseits erwähnte Kugler die Altersarmut, von der Frauen doppelt so oft betroffen seien als Männer. Im Rahmen des Frauenvolksbegehrens sollte versucht werden, Wege zu finden die damit verbundenen Nachteile zu neutralisieren bzw. auszumerzen. Zudem sprach Kugler über Konfliktschwangerschaften. Das Frauenvolksbegehren schlüge in dem Fall lediglich die Übernahme der Kosten des Schwangerschaftsabbruchs durch die Krankenkassen vor. Ziel sollte es jedoch sein, dass sich keine Frau von den Umständen zur Abtreibung gedrängt fühle, so Kugler. Dazu biete die Initiative aber keinerlei Anregungen. Die Nationalratsabgeordnete zitierte in dem Zusammenhang eine Aussage von Bruno Kreisky, dem damaligen Bundeskanzler aus den Reihen der SPÖ aus dem Jahr 1973 bzgl. des Abtreibungsparagraphen: „Man muss alles tun, um im Bereich der Politik diesen Paragraphen so obsolet zu machen, wie dies mit den Mitteln der Politik, der Psychologie und auch der Moral nur geht, um die Frau zu veranlassen, dass sie dann, wenn sie empfangen hat, das Kind behält“. Dieser Devise folgend forderte Kugler, dass sich die Politik nicht von Ideologien bestimmen lasse, sondern das Wohl aller Menschen beachte.

Schreiben Feministinnen Frauen vor, was sie denken sollen?

Infolge ihrer Rede wurde Kugler von der SPÖ vorgeworfen, sie wolle mit ihren Forderungen „im Namen der Religion die sexuelle Freiheit und Selbstbestimmung zurückdrängen“. Sie ist nicht die erste der Frauenfeindlichkeit unterstellt und das Label „Feministin“ abgesprochen wird. In einem Kommentar in der Neuen Züricher Zeitung mit dem Titel „Ohne meine Schwestern: Der empörte Feminismus hängt Frauen ab“ widmet sich Birgit Schmid dem Thema des exklusiven Feminismus, bei dem Frauen anderen Frauen vorschreiben, wie eine gute Frau zu sein hat. (AH)

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