CH_EUR / Sexualerziehung: Mutter darf Kind nicht von Sexualkundeunterricht befreien lassen

IEF, 29.1.2018 – Eine Mutter hat nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) kein Recht darauf, ihr Grundschulkind vom Sexualkundeunterricht befreien zu lassen. Die Straßburger Richter wiesen die Klage der Frau am 18.1.2018 als unbegründet zurück.

Keine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens

Die Klägerin hatte argumentiert, Aufklärungsunterricht in der zweiten Klasse komme zu früh. Damit werde ihr Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt. Dagegen führten die Richter ins Feld, dass Sexualkundeunterricht dem wichtigen Ziel diene, Kinder vor sexueller Gewalt zu schützen. Die Lehrer in der Schweiz seien außerdem gehalten, ausschließlich auf Fragen der Kinder einzugehen. Der Unterricht sei daher nicht “systematisch” und stehe nicht im Widerspruch zum Recht der Eltern, selbst für die Aufklärung der Kinder zu sorgen. Damit habe der Unterricht vollkommen legitime Ziele verfolgt und auch nicht das Recht der Eltern untergraben, selbst die Verantwortung in Fragen der Sexualerziehung ihrer Kinder wahrzunehmen.

Die Klage wurde deshalb auf Grund von mangelnder Begründung abgelehnt. Das gesamte Urteil können Sie hier (Az.: 22338/15) nachlesen.

Wesentlich für die Entscheidung der Richter scheint der Umstand gewesen zu sein, dass der Unterricht nicht in einem eigenen Fach für Sexualkunde erfolgt, sondern einem allgemeinen Bildungsziel zugeordnet werden kann, dem bloß in Beantwortung von Fragen der Schüler entsprochen werden sollte. Eine „Abmeldung“ vom Sexualkundeunterricht scheint laut Sachverhalt in dem Sinn praktisch nicht möglich zu sein, da die Beantwortung der Frage ad hoc in jedem Unterrichtsfach erfolgen könne. Ein erster Blick in die einschlägigen Richtlinien („Sexualpädagogik: Handreichung Kindergarten und Primarschule Kanton Basel-Stadt“) zeige zudem erfreuliche Klarheit in Bezug auf einige andernorts bereits strittige Punkte, erläutert Dr. Stephanie Merckens vom Institut für Ehe und Familie (IEF) in einer ersten Reaktion. Insbesondere werde deutlich das Lernziel verfolgt, Kindern das Wissen zu vermitteln, dass es eine Frau (Mutter) und einen Mann (Vater) brauche, um ein Kind zu zeugen. Außerdem sollen Kinder befähigt werden, „nein“ zu sagen, wenn man sich ihnen auf für sie unangenehme Weise nähert. Die Entscheidung verdiene jedenfalls eine nähere Betrachtung, da sie ein Grundrecht bzw. eigentlich eine Grundpflicht der Eltern berühre, nämlich das Recht bzw. auch die Pflicht von Eltern, ihre Kinder altersentsprechend, aber rechtzeitig aufzuklären und vor sexuellem Missbrauch zu schützen, unterstreicht Merckens.

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