
INT / Menschenrechte: Interessenkonflikte bei EGMR-Richtern
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IEF, 10.03.2020 – In den letzten 10 Jahren sollen sich in 88 am EGMR anhängigen Fällen NGOs und ehemals bei ihnen aktive Richter gegenübergestanden haben.
NGOs üben einen wachsenden Einfluss auf internationale Institutionen aus. Problematisch wird dies vor allem, wenn die Einflussnahme insgeheim und unkontrolliert geschieht und Gerichte betrifft, die den Schutz der Menschenrechte in Europa sicherstellen sollen.
ECLJ Bericht für die Jahre 2009 – 2019
Der Verknüpfung von Richtern des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) und NGOs, die in Verfahren vor dem Gerichtshof involviert sind, kam das European Center for Law and Justice (ECLJ) auf die Spur und veröffentlichte dazu einen Bericht. Das ECLJ ist selbst eine nichtstaatliche Organisation mit Beraterstatus bei den Vereinten Nationen, die sich für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte in Europa und weltweit einsetzt
22 Richter waren ehemals Aktivisten
In den Jahren 2009 bis 2019 waren 22 der 100 ständigen Richter des EGMR frühere Vertreter bzw. Mitarbeiter von am EGMR aktiven NGOs. 12 der Richter stünden in einer Verbindung mit der Open Society Foundation (OSF), sieben zu den Helsinki Committees, fünf zur International Commission of Jurists, drei zu Amnesty International und jeweils einer zum Human Rights Watch, Interights und A.I.R.E. Centre. Bemerkenswert ist zudem, dass die Open Society Foundation (OSF) all die vorher genannten NGOs finanzieren soll.
Interessenskonflikte in 88 Fällen
Seit 2009 seien mindestens 185 Fälle beim EGMR anhängig gewesen, bei denen zumindest eine der sieben vorher genannten nichtstaatlichen Organisationen offiziell in das Verfahren involviert waren. In 88 dieser Fälle seien auch EGMR-Richter, die vormals in Verbindung mit diesen NGOs standen, in die Fälle eingebunden gewesen.
Der ECLJ-Bericht führt hier beispielhaft den Fall „Big Brother Watch v. the United Kingdom“ an, der bei der Großen Kammer des EGMR anhängig ist. 10 der insgesamt 16 involvierten Antragsteller seien NGOs, die von der OSF finanziert werden. Dasselbe gelte auch für sechs weitere NGOs die dem Verfahren als Drittpartei beigetreten sind. Auf Seiten der 17 Richter der Großen Kammer sollen gleich sechs unter ihnen Verbindungen zu den in das Verfahren involvierten NGOs aufweisen.
Rückzug wegen Befangenheit
ECLJ hält fest, dass aus dem berichtrelevanten Zeitraum nur 12 Fällen bekannt seien, in denen sich Richter aus einem bestimmten Fall aufgrund einer (vormaligen) Verbindung zu einer in das Verfahren involvierten NGO zurückgezogen hätten.
Diese Erkenntnisse würden die Unabhängigkeit des Gerichthofs und die Unparteilichkeit seiner Richter in Frage stellen. Diese Verhaltensweise widerspreche auch den Anforderungen des EGMR an nationale Gerichte und sei gerade aufgrund der herausragenden Stellung des Gerichts und seines Einflusses auf die europäische Menschenrechtslage äußerst besorgniserregend, so die Berichtsautoren, Gregor Puppinck und Delphine Loiseau.
Lösungsansätze
Der Bericht enthält auch Lösungsvorschläge, die eine gefährliche Einflussnahmen auf richtungsweisende Entscheidungen für die Menschenrechte in Europa minimieren könnten. Einerseits wird eine besondere Bedachtnahme auf die Wahl der Richter nahegelegt. Dabei sollte die Ernennung ehemaliger Aktivisten vermieden werden. Andrerseits brauche es auch eine bessere Interessentransparenz, die es ermöglichen würde, etwaige Interessenskonflikte zwischen Richtern und involvierten Parteien zu erkennen. Nötig sei auch die Formalisierung klarer Prozessabläufe zum besseren Rückzug und Ausschluss von Richtern im Falle von Befangenheit. (AH)