Erfahrungen helfen bei Suizidgedanken
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AT / Lebensende: Menschen mit Suizidgedanken profitieren von persönlichen Erfahrungen über gemeisterte Krisen

IEF, 27.02.2020 – Österreichische Wissenschaftler der Medizinischen Universität Wien können Wirkung des „Papageno-Effekts“ beweisen.

Wie die MedUni Wien in einer Presseaussendung mitteilte, konnten Dr. Benedikt Till und Dr. Thomas Niederkrotenthaler von der Abteilung für Sozial- und Präventivmedizin des Zentrums Public Health an der MedUni Wien in einer groß angelegten Studie erstmals die positiven Auswirkungen von persönlichen Berichten von Menschen, die existenzielle Krisen gemeistert haben, auf Menschen mit Suizidgedanken mit ähnlichen Problemen beweisen.

266 Personen werden unter wissenschaftlichen Bedingungen befragt

Die beiden Forscher haben dazu eine Gruppe von 266 Probanden befragt, von denen sämtliche im vergangenen Jahr Suizidgedanken hatten oder sogar einen Suizidversuch unternommen hatten. Die Gruppe wurde in einem zweiten Schritt zufällig in drei gleichgroße Untergruppen unterteilt und diese mit inhaltlich unterschiedlichen, aber von Länge und Sprache identischen Artikeln konfrontiert. Jeweils vor und nach dem Lesen der Artikel wurde das Suizidrisiko der Personen bestimmt.

Während eine Gruppe als Kontrollgruppe einen Artikel zu lesen bekam, der inhaltlich nichts mit Suizidprävention zu tun, aber wie die anderen eine Infobox mit einer Hilfehotline enthielt, erhielten die anderen Gruppen jeweils einen Artikel zum Thema Suizidprävention. Die erste Gruppe über Martina, die sich kurz vor einem Suizidversuch entschied eine Hilfehotline anzurufen und die daraufhin in einer Therapie ihre Probleme bewältigte. Die zweite Gruppe las ein Interview mit einer Expertin über die Möglichkeiten wie telefonische Hilfe Suizide verhindern kann. Nach der abschließenden Befragung gab es die Möglichkeit, die E-Mailadresse zu hinterlassen und sieben Tage später nochmal kontaktiert zu werden.

Ein Rückgang von Selbstmordgedanken um über 20 Prozent

In der Auswertung der Untersuchungsprotokolle zeigte sich daraufhin die Wirkung des Artikels mit den persönlichen Erfahrungen einer Betroffenen. Die Suizidalität ging in dieser Gruppe um 20,3 Prozent zurück, bei der Gruppe, die das Experteninterview las, ging sie hingegen nur um 9,6 Prozent zurück.

Die Studie zeige daher, dass es anderen potentiell suizidgefährdeten Personen ganz besonders helfen könne, Betroffene zu fragen und deren positive Erfahrungsberichte medial zu verbreiten, betont Niederkrotenthaler. Die Ergebnisse der Studie führen daher zu neuen Ansätzen in der Suizidforschung und der therapeutischen Unterstützung Betroffener, bei der die persönlichen Erfahrungen Betroffener Einzug erhalten.

Dringender Appell an die Medien

Die besondere Verantwortung der Medien stellt sich in diesem Zusammenhang auf neue Weise da. Niederkrotenthaler appelliert „dieses Themenfeld zu übernehmen und damit präventiv zu wirken.“

Dr. Stephanie Merckens, Biopolitikerin am Institut für Ehe und Familie (IEF), sieht auf Grundlage dieser aktuellen Erkenntnis die Debatte über das am Aschermittwoch erfolgte Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts (das IEF berichtete) zum Verbot der gewerbsmäßigen „Sterbehilfe“ besonders kritisch: „In einem Großteil der Beiträge werden „Sterbehilfe“ und Suizid einseitig als Lösung für Probleme dargestellt und das ungeachtet aktueller, gegenteiliger Erkenntnisse. Richter, Politiker und die Medien müssen sich endlich der Auswirkungen ihrer Worte bewusst werden und ihre Verantwortung für vulnerable Personen in unserer Gesellschaft wahrnehmen. Nicht ohne Grund gebe es diesbezüglich eindeutige Empfehlungen der WHO, wie über Suizide in den Medien berichtet werden solle. Positive Lebensberichte müssen endlich die öffentliche Diskussion dominieren, statt des bekannten Märchen des glücklichen, selbstbestimmten Sterbens weiter zu strapazieren“, so Merckens deutlich. (MM)

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