US / Lebensanfang: “Künstliche Gebärmutter” für Frühchen
IEF, 4.5.2017 – Forscher haben eine “künstliche Gebärmutter” entwickelt, die die Überlebenschance extrem frühgeborener Kinder künftig erhöhen könnte. In ersten Tests entwickelten sich Lämmerföten in diesem “Brutbeutel” nahezu normal. Die Forscher publizierten ihr Projekt im Fachmagazin “Nature Communications”.
Als Frühgeburten gelten Kinder, die vor der 28. Schwangerschaftswoche geboren werden. Ihre Lunge und andere Organe sind in diesem Stadium unreif und trotz Beatmung und spezieller Behandlung tragen sie oft bleibende Schäden davon. Werden Kinder in der 22. oder 23. Woche geboren, gelingt es nur in Einzelfällen, diese extremen Frühchen zu retten. Alan Flake vom Children’s Hospital of Philadelphia und seine Kollegen haben nun ein System entwickelt, das solche extremen Frühchen retten könnte und möglicherweise die negativen Auswirkungen auf ihre spätere Gesundheit reduzieren könnte. Eine Art künstlicher Gebärmutter soll diesen Kindern eine dem Mutterleib vergleichbare Umgebung bieten.
Das von den Forschern als „Biobag“ bezeichnete System besteht aus einem durchsichtigen Kunststoffsack, in dem Fruchtwasser und Fötus liegen. Das Fruchtwasser kann von außen ständig erneuert werden. Wie im Mutterleib kann der Fötus das Fruchtwasser schlucken und „einatmen“ und die Lungen und anderen Organe können sich weiterentwickeln. Frisches Blut und Sauerstoff erhält der Fötus über die Nabelschnur. Ein externes System entfernt Kohlendioxid aus dem Blut und setzt Sauerstoff zu, ähnlich wie es die Lunge der Mutter normalerweise tun würde. Angetrieben wird die Blutwäsche allerdings nicht von einer externen Pumpe, sondern ausschließlich vom Herz des Fötus selbst, da selbst ein geringer künstlicher Druck das Herz des Ungeborenen überfordern und so zu irreversiblen Schäden führen könnte.
Die Forscher testeten die künstliche Gebärmutter an Lammföten, deren Entwicklungszustand einem menschlichen Fötus in der 23./24. Schwangerschaftswoche entspricht. Das Ergebnis: Die Lammföten überlebten bis zu vier Wochen im „Biobag“ und entwickelten sich weitgehend normal. Die Lungen reiften weiter und es gab keine Auffälligkeiten bei der Gehirnentwicklung. Die Tiere öffneten ihre Augen, wurden aktiver und zeigten eine normale Atmung und Schluckbewegungen. Stresssymptome traten nicht auf und die Föten bildeten Wolle. Das Größenwachstum der Lämmer entsprach in etwa dem von Kontrolltieren, die in ihren Mutterschafen heranwuchsen. Nach vier Wochen wurden die Experimente allerdings aus Tierschutzgründen abgebrochen.
Die Wissenschaftler halten den zukünftigen Einsatz des „Biobags“ für menschliche Frühgeborene für möglich. Nach entsprechender Adaptierung des Systems etwa auf die Größe von menschlichen Föten, erhofften sich die Forscher durch das künstliche Lebenserhaltungssystem eine Minimierung der schwerwiegenden Folgeschäden extrem frühgeborener Kinder. Es sei realistisch, dass die fruchtwassergefüllten Systeme in rund zehn Jahren die bisherigen Brutkästen und Beatmungsgeräte ersetzen könnten.
Stephanie Merckens vom Institut für Ehe und Familie (IEF) kann die Euphorie der Forscher nachvollziehen, so sie die Rettung von frühgeborenen Kindern zum Ziel haben. Allerdings dürfe man nicht die Augen davor verschließen, dass es starke Bestrebungen gäbe, mithilfe künstlicher Gebärmütter die Entwicklung des Babys vollständig vom weiblichen Körper zu entkoppeln. Diese Absicht sei aus ethischen, feministischen und identitätsstiftenden Gründen abzulehnen, so Merckens. Zudem müsse man in dieser Frage auch sehr genau abwägen, ob man durch die technischen Eingriffsmöglichkeiten die Verantwortung für die geretteten Leben tatsächlich übernehmen will oder angesichts der hohen Nebenwirkungen bloß Leiden verlängert. Und schließlich müsse der Abbruch der Experimente nach vier Wochen aus Tierschutzgründen zu denken geben. Hehre Ziele allein könnten nicht jedes Mittel rechtfertigen, weswegen gerade auch im Forschungsprozess ethische Grenzen zu beachten blieben, so die Biopolitikerin.
(Illustration: children´s hospital of philadelphia)