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AT / Lebensende: Kirchliche Stimmen zur Sterbehilfe in Österreich

IEF, 01.03.2021 –  Die Kritik am Urteil des Verfassungsgerichtshofes verstummt nicht. Vor allem die Kirche meldet sich zu Wort.

Mit dem Urteil vom 11. Dezember 2020 zur Sterbehilfe (das IEF hat berichtet) hat der Verfassungsgerichtshof in Österreich für ausreichend Gesprächsstoff, vor allem aber für viel Kritik gesorgt. Besonders auf die Begründung des Urteils reagierten viele mit Kopfschütteln (Lesen Sie dazu auch eine Analyse von Teresa Suttner-Gatterburg, juristische Mitarbeiterin am IEF).

Erst der Anfang

Von einem „Kulturbruch“ spricht der Erzbischof von Salzburg und Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, Franz Lackner in seinem alljährlichen Fastenhirtenbrief. Ein Blick auf andere Länder zeige, dass die Zulassung des assistierten Suizids immer nur der Anfang sei. Die Gefahr einer Einführung der Tötung auf Verlangen werde früher oder später auch in Österreich virulent werden. Zudem sieht Lackner mit der Sterbehilfe ein neues Geschäftsfeld ins Land winken. Er fordert auf, den politischen Diskurs zu suchen und sich an der gesetzlichen Ausgestaltung zu beteiligen, vor allem aber nicht zu schweigen. Durch etliche kirchliche Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäuser und Seniorenwohnheime sei die Kirche besonders gefordert. Gegen die Wegwerfkultur, wie sie Papst Franziskus bezeichnete, wolle man sich mit den besten Kräften stemmen. Es gelte, die ganze Aufmerksamkeit den möglichen Betroffenen zu schenken, so der Erzbischof. Für schwere Phasen des Lebens brauche es vollstes Verständnis und beherzte wie sachkundige Hilfestellungen. Der bewährte Weg von Palliativ- und Hospizversorgungen solle ausgebaut werden. Das seien leuchtende Zeichen einer christlich verstandenen Humanität, so Lackner.

Schwarzes Loch des Tötens

Auch der Wiener Weihbischof Franz Scharl fand in einer Predigt anlässlich des Welttages der Kranken kritische Worte zum Urteil des VfGH, wie katholisch.at berichtete. Der „Pakt zwischen Pflegebedürftigen und Pflegenden“, der sich auf Vertrauen, gegenseitigen Respekt und Hilfsbereitschaft gründet, sei folgenreich und mehr oder weniger subtil attackiert und untergraben worden. Damit habe man ein „erstes kleines Schwarzes Loch des Tötens“ gebohrt, kritisierte Scharl und wies auf die verheerenden Folgen in Belgien und den Niederlanden hin. Durch das Urteil sei das berufliche Selbstverständnis von Menschen in medizinischen und pflegerischen Berufen schwer betroffen. Es sei außerdem an die Botschaft des Papstes Franziskus zum Welttag der Kranken zu denken, nach dem eine Gesellschaft umso menschlicher sei, umso mehr sie sich ihrer schwachen und leidenden Glieder anzunehmen vermag, predigte Scharl.

 Suizid als Scheitern

Peter Schipka, Generalsekretär der Österreichischen Bischofskonferenz, wiederum bemängelte nicht nur die Stoßrichtung, sondern vor allem auch die Argumentation des Urteils. Wie er in der aktuellen Ausgabe der Academia schreibt, mache die Lockerung des Verbots den Begriff der Menschenwürde zu einer „Leerformel“. Um sich der Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit der Mitwirkung am Selbstmord nähern zu können, sei die Beantwortung einer Vorfrage unerlässlich: „Ist ein Suizid eine ethisch neutrale Art und Weise, aus dem Leben zu scheiden, oder nicht?“, fragt Schipka in seinem Beitrag und fordert jedenfalls eine ethische Bewertung, zumal Suizid im Gegensatz zu Krankheit, Altersschwäche oder Unfall eine bewusste Handlung eines Menschen sei, die sich auf das Leben als fundamentalste Gut beziehe. Rechtlich verboten seien Suizide nicht, jedoch werde er in vielen Bereichen als unerwünscht, ja sogar als Scheitern angesehen. Medial werde beispielsweise darauf verzichtet, von Suiziden zu berichten, um Nachahmungen zu vermeiden.

Ethisch gefährliche Argumentation

Kritik äußerte der Theologe insbesondere angesichts der Urteilsbegründung mit dem „Recht auf selbstbestimmtes Sterben in Würde“. Die Verfassungsrichter hätten Schipka zufolge zwischen einem „menschenwürdigen“ und einem „menschenunwürdigen Suizid“ unterschieden und nicht den Suizid an sich, sondern seine Ausführung als ethisch bedenklich erachtet. Mit dem „Sterben in Würde“ habe der VfGH etwas vorausgesetzt, was es zuerst zu begründen gelte, nämlich, auf welche der Menschenwürde entsprechende Weise gestorben werden solle, so der Theologe. Der Würdebegriff sei zudem „zu einer subjektiven Einstellung entstellt“ worden, zumal der Einzelne dann Suizid in Anspruch nehmen dürfe, wenn „für ihn“ ein Leben in Würde nicht mehr gewährleistet werden könne. Die reine Umdeutung und Reduktion des Begriffs der Menschenwürde, wie sie laut Schipka im Urteil erfolgte, sehe er daher ethisch gefährlich. (TS)

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