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CA / Sterbehilfe: Kanada überlegt Sterbehilfe für Minderjährige
IEF, 08.10.2018 – Die kanadische Regierung hat den Rat der kanadischen Akademien beauftragt, einen Bericht über Sterbehilfe für Minderjährige und Menschen mit geistigen Erkrankungen sowie kognitiven Störungen bis Ende des Jahres vorzulegen.
In Kanada ist die Tötung auf Verlangen durch das Urteil des Obersten Gerichtshofs im Falle Carter v. Canada seit 2016 erlaubt. Bis dato ist diese Form der aktiven Sterbehilfe jedoch strengen Regulierungen unterworfen und kann beispielsweise nicht von Minderjährigen oder von Personen, die an psychischen Erkrankungen oder langjähriger Behinderung leiden, in Anspruch genommen werden. Kritiker, die schon 2016 vor der Ausweitung dieser Regelung warnten, müssen sich nun angesichts der jüngsten Debatte bestätigt finden.
Einige kanadische Kinderärzte und Bioethiker argumentieren in einem im Journal of Medical Ethics veröffentlichten Essay beispielsweise, dass die Tötung auf Verlangen als eine palliative Behandlung am Lebensende zu klassifizieren und somit Bestandteil der Gesundheitsfürsorge sein solle. Folglich müsse der „Behandlung“ auch keine besondere Aufklärung oder eindringliche Feststellung der Fähigkeit zur Willensbildung vorausgehen. Betrachtet man Sterbehilfe nun als Teil der Gesundheitsfürsorge, stelle sich in Folge die Frage, warum man sie nicht jedem, also auch Minderjährigen, anbieten sollte – so die Autoren des Essays. Ärzte sollten aufgefordert werden, Patienten auf alle Möglichkeiten, die ihnen im Rahmen der Gesundheitsfürsorge zur Verfügung stehen – somit auch auf die aktive Sterbehilfe – hinzuweisen. Die Autoren argumentieren darüberhinaus, dass einwilligungsfähige Minderjährige gegebenenfalls auch ohne elterliche Zustimmung entscheiden dürfen sollten.
Eine weitere Gruppe, der die palliative Behandlung am Lebensende in Form von Sterbehilfe zuteil werden solle, sind psychisch Kranke und jene Personen, die mittels einer schriftlichen Patientenverfügung aktive Sterbehilfe für den Fall einer zukünftigen, schweren Erkrankung, wie beispielsweise Demenz, wünschen. Bei beiden Personengruppen ist höchst fraglich wie und ob die Einwilligungsfähigkeit zum entscheidenden Zeitpunkt überhaupt noch feststellbar ist, bemerkt Dr. Stephanie Merckens vom Institut für Ehe und Familie kritisch.
Kostenersparnis durch Sterbehilfe?
Interessant in dem Zusammenhang ist auch, dass nicht nur das Erlösen von gegenwärtigen und zukünftigen Leiden hinter der Propagierung von Tötung auf Verlangen zu stehen scheint. Eine letztes Jahr im Canadian Medical Association Journal (CMAJ) veröffentlichte Studie zeigt, dass bis zu 139 Millionen Dollar jährlich (rund 99 Mill. Euro) durch aktive Sterbehilfe im Gesundheitssystem eingespart werden können.
WMA noch gegen Beteiligung der Ärzte
Auch international spielt die Debatte um Tötung auf Verlangen (engl.: euthanasia) eine immer größere Rolle. Im vergangenen Jahr hielt etwa der Weltärztebund (WMA – World Medical Association) mehrere Konferenzen ab, um seine bisherige Haltung zur Tötung auf Verlangen zu überdenken. Bei der Konferenz in Rom war die überwiegende Mehrheit für die Beibehaltung der strikten Ablehnung. Bei der diesjährigen Generalversammlung in Reykjavik forderte die Canadian Medical Association (CMA) und die Royal Dutch Medical Association (RDMA) unter anderem die WMA auf, eine „neutrale“ Stellung bezüglich Tötung auf Verlangen zu beziehen. Kritik an dieser Forderung kam nicht nur von der World Federation of the Catholic Medical Associations, sondern auch von der kanadischenPhysicians‘ Alliance against Euthanasia, der mehr als 1.100 kanadische Ärzte angehören. Der kanadische Verband warnt, dass es in den anstehenden Fragen keine neutrale Haltung geben könne. Werde keine Position bezogen, so münde das im Endeffekt in einer Legalisierung aktiver Sterbehilfe wie etwa der Fall der Canadian Medical Association und das bereits erwähnte Urteil des Supreme Courts in Canada gezeigt habe. Die CMA und RDMA mussten die von ihnen vorgelegte Resolution aufgrund mangelnder Unterstützung seitens vieler nationaler und internationaler Ärztebünde schlussendlich zurückziehen.
Bis dato wertet der Weltärztebund die Tötung auf Verlangen als Akt des vorsätzlichen Beendens eines Patientenlebens und daher als unethisch, selbst wenn es der Patient oder enge Verwandte in seinem Namen verlangten.