DE / Politik: Jüngere Generation wünscht sich wieder mehr Kinder
IEF, 20.06.2019 – Die deutsche Konrad Adenauer Stiftung hat vor kurzem eine Studie beim Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Auftrag gegeben, mit der die Situation von kinderreichen Familien in Deutschland untersucht wurde. Die Ergebnisse sind vielschichtig und in den Grundaussagen durchaus auf andere Länder übertragbar.
Unter anderem wird in der Studie erklärt, dass die meisten Drei-Kind-Familien in der Mittelschicht zu finden sind und dass vor allem die jüngere Generation eine positive Einstellung zu größeren Familien hat.
Positives Image kinderreicher Familien stärken
Damit ist laut der aktuellen Untersuchung eine Trendwende im Gange, denn bislang war das Image kinderreicher Familien in der Bevölkerung vorwiegend negativ. Um diesen Trend zur Ermutigung in Richtung größerer Familien aufzugreifen sehen die Studienautoren es als ein wichtiges Anliegen, ein differenziertes Bild kinderreicher Familien zu zeichnen und eine Politik für Familien mit vielen Kindern, die sich nicht nur auf die Reduzierung von Armut fokussiert, zu forcieren.
Kinderreiche Familien sind vielfältig …
Die Studie betont auch, dass es nicht „die“ kinderreiche Familie gibt, denn insbesondere hinsichtlich Bildung und Migrationshintergrund gebe es große Unterschiede. So hat sich einerseits der Anteil der Akademikerinnen bei den kinderreichen Familien in den letzten Jahren mehr als verdreifacht und liegt bei mittlerweile knapp 20 Prozent. Andererseits hat fast ein Viertel der Paare mit vier und mehr Kindern keinen berufsqualifizierten Abschluss und 18 Prozent der kinderreichen Familien gelten als armutsgefährdet, was einen prozentuell höheren Anteil als bei den Zwei-Kind-Familien bedeutet. Die meisten kinderreichen Familien sind in der so genannten Mittelschicht angesiedelt, mit Müttern mit mittlerem oder hohem Bildungsabschluss – und auch das ist eine Trendumkehr, denn in der Generation davor besaßen die meisten kinderreichen Frauen nur einen niedrigen Bildungsabschluss.
… aber in der Unterzahl
Doch auch wenn das Image und die Zahl kinderreicher Familie langsam wieder zunimmt, so sind es insgesamt dennoch nur 16 Prozent der Frauen in Deutschland, die drei oder mehr Kinder haben – im Vergleich zum Jahr 1975, wo noch jede vierte Familie drei oder mehr Kinder hatte.
Zwei Kinder gelten als „normal“
Für diesen Rückgang nennen die Studienautoren primär kulturelle Gründe: Das Bild von Familie, das über Werbung, Medien und Kinderbücher verbreitet wird, besteht typischerweise aus zwei Kindern und übermittelt unterschwellig, dass zwei Kinder „normal“ sind. Zudem sind die Ansprüche der Gesellschaft an Eltern, aber auch die von Eltern an sich selbst, erheblich gestiegen, was nicht selten zu einer Überforderung der Eltern und evtl. zu einem Verzicht auf (viele) Kinder führe. Speziell bei höher gebildeten Frauen werden Geburten außerdem im Lebenslauf immer weiter aufgeschoben, bei der Hälfte der Akademikerinnen erfolgt die Geburt des ersten Kindes erst nach dem 34. Geburtstag. Dadurch sinkt auch aus biologischen Gründen die Wahrscheinlichkeit einer Familienerweiterung auf drei und mehr Kinder.
Akademikerinnen wünschen sich mehr Kinder
Doch auch wenn der Wunsch nicht immer realisiert wird, so ist die Vorstellung von einer höheren Kinderzahl bei Akademikerinnen sogar noch stärker ausgeprägt als in den übrigen Bevölkerungsgruppen, so die Studie. Dies bestätigt indirekt auch eine andere vor kurzem erschienene internationale Studie, wonach der so genannte „Fertility Gap“, also die Kluft zwischen ursprünglichem Kinderwunsch und tatsächlicher Kinderzahl, gerade bei Akademikerinnen sehr groß ist (das IEF hat berichtet). Umso mehr fordern die Studienautoren Politik und Betriebe auf, die Rahmenbedingungen gerade auch für hochgebildete Frauen zu verbessern und für eine einfachere Vereinbarkeit von Beruf und vielen Kindern zu sorgen.
Großfamilie: Auslaufmodell oder Lebensentwurf für die Zukunft?
„Die derzeitige Familienpolitik unterschätzt die Bedeutung kinderreicher Familien für die demographische Entwicklung und verkennt die Bedarfe von 893.000 Familien mit drei und mehr minderjährigen Kindern, die es derzeit in Deutschland gibt“, resümiert Dr. Elisabeth Müller, Bundesvorsitzende des Verbandes kinderreicher Familien Deutschland e.V. die Studie. Im Jahr 2016 wuchsen laut Müller 33 Prozent der zehnjährigen Kinder in Haushalten mit zwei oder mehr Geschwistern auf. „Die Erziehungsleistung von Eltern in Mehrkindfamilien stellt einen enormen Beitrag für die Zukunft unserer Gesellschaft dar, der sich nicht im Bruttosozialprodukt unseres Landes als erbrachte Leistung spiegelt“, kritisiert Müller und verweist darauf, dass „diese Leistung mit überproportionalen Belastungen bei den Verbrauchssteuern, einer geringen Anerkennung in der Rentenberechnung und schwierigen Bedingungen bei der Wohnungssuche und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ einhergehe. Der Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. unterstützt daher die Forderungen der Vereinigung der Großfamilien in Europa (ELFAC) nach Reduktion der Umsatzsteuer bei Babyartikeln und einer besseren Anrechnung von Familienarbeit bei sozialen Ansprüchen wie der Pension. (ER)