IT / Lebensende: Volksabstimmung zur Legalisierung der „Sterbehilfe“ abgelehnt
IEF, 23.02.2022 – Obwohl eine landesweite Petition mehr als 1,2 Millionen Unterschriften gesammelt hat, überwiegt für das Verfassungsgericht der Schutz des Lebens.
Aktive „Sterbehilfe“ und Euthanasie sind in Italien nach wie vor verboten. Allerdings entschied das italienische Verfassungsgericht 2019, dass es Ausnahmen gebe. Der „Sterbehilfe“-Patient müsse demnach an einer unheilbaren Krankheit leiden und von lebenserhaltenden Maßnahmen abhängig sein sowie an körperlich und seelisch unerträglichen Schmerzen leiden. Außerdem müsse er in der Lage sein, selbstbestimmt und frei seine Entscheidung treffen zu können.
Petition mit hoher Beteiligung
Die Ausnahmen des Verfassungsgerichts gingen „Sterbehilfe“-Befürwortern nicht weit genug und so wurde Anfang letzten Jahres eine Petition gestartet, die nun schon mehr als 1,2 Millionen Italiener unterschrieben haben (das IEF hat berichtet). Ziel der Petition ist vor allem die teilweise Aufhebung des Artikels 579 des italienischen Strafgesetzbuches, der nach derzeitigem Recht Tötung auf Verlangen unter eine 6- bis 15-jährige Freiheitsstrafe stellt.
Verfassungsrechtlich gebotener Mindestschutz des Lebens
Bereits mit 500.000 Unterschriften hatte die Petition die Marke für eine verpflichtende Volksabstimmung überschritten. Allerdings entschied das italienische Verfassungsgericht kürzlich, dass das Referendum inhaltlich nicht zulässig sei. Die Petition nehme keine Rücksicht auf den Mindestschutz des menschlichen Lebens im Allgemeinen, insbesondere in Hinblick auf schwache und verletzliche Personen.
Salvini: Keine gute Nachricht für Demokratie
Die Ablehnung der Volksabstimmung löste bei den „Sterbehilfe“-Aktivisten eine große Enttäuschung aus. Weitere Maßnahmen zur Legalisierung der „Sterbehilfe“ wurden allerdings schon angekündigt. Auch auf politischer Ebene führte die Entscheidung des Höchstgerichts zu Diskussionen. Ex-Innenminister und Parteivorsitzender der konservativen Lega-Partei Matteo Salvini betonte, dass die Ablehnung eines Referendums nie eine gute Nachricht für die Demokratie sei. Der sozialdemokratische Senator Andrea Marcucci forderte vom Parlament eine Verabschiedung eines „Sterbehilfe“-Gesetzes. Diese Forderung sei längst fällig und das Parlament müsse endlich die moralische Kraft aufbringen, ein heikles und grundlegendes Thema anzugehen, das schuldhaft zu viele Jahre schon aufgeschoben wurde, so Marcucci.
Zuspruch der katholischen Kirche
Anders äußerte sich die italienische Bischofskonferenz zu dem Entscheid. Sie begrüßte die eindeutige Aufforderung, das Engagement der Gesellschaft als Ganzes niemals an den Rand zu drängen und stets die notwendige Unterstützung zur Überwindung oder Linderung einer Situation des Leides zu leisten. Zudem forderten die Bischöfe, dass man alten und kranken Menschen, die mit Würde, Respekt und Liebe behandelt werden sollten, mehr Aufmerksamkeit schenken müsse. Einige Tage zuvor nahm auch Papst Franziskus während seiner Generalaudienz Stellung zur „Sterbehilfe“-Debatte. Das Leben sei ein Recht, nicht der Tod. Er müsse angenommen werden und dürfe nicht „verabreicht“ werden. Dieser ethische Grundsatz gelte für alle Menschen, nicht nur für Christen und Gläubige, so der Papst.
Gesetzesentwurf in Parlament
Dass die Legalisierung der „Sterbehilfe“ mit der höchstgerichtlichen Entscheidung nicht ad acta gelegt wurde, zeigt ein erster Gesetzesentwurf dazu, der seit letzter Woche im italienischen Parlament behandelt wird. Der Entwurf erlaubt unheilbar kranken Menschen einen Zugang zum assistierten Suizid durch das nationale Gesundheitssystem. Er sieht auch vor, dass medizinisches Fachpersonal aus Gewissensgründen zur Durchführung eines assistierten Suizids nicht gezwungen werden darf. Wann es zu einer Entscheidung über den Entwurf kommt, ist bislang noch nicht absehbar. (TS)