IT / Lebensende: „Sterbehilfe“ nun auch in Italien auf dem Vormarsch
IEF, 06.09.2021 – Eine kürzlich gestartete Petition könnte zur baldigen Einführung der aktiven „Sterbehilfe“ und der Euthanasie in Italien führen.
Bereits 750.000 Italiener haben das Anliegen, das Verbot des assistierten Suizids aufzuheben, mit ihrer Unterschrift unterstützt. Das sind 250.000 Stimmen mehr als notwendig gewesen wären, um eine Volksabstimmung zu erwirken, die gesetzliche Hürde für die Durchführung eines Referendums wurde somit genommen.
Selbstanzeige zur Prozesseinleitung
Gestartet wurde die Petition durch den linksliberalen Politiker Marco Cappato, der bereits seit mehreren Jahren für dieses Anliegen kämpft. 2017 etwa erregte Cappato mit dem Fall Fabiano Antonianis Aufmerksamkeit. Cappato begleitete den durch einen Verkehrsunfall querschnittsgelähmten und blinden Mann in die Schweiz, damit dieser dort „Sterbehilfe“ in Anspruch nehmen konnte. Zurück in Italien erstattete Cappato Selbstanzeige, um einen Strafprozess zu erwirken. Das Verfassungsgericht entschied damals, dass die Ausführung eines frei gebildeten Suizidvorsatzes unter gewissen Bedingungen straffrei sein würde. Der Aufforderung an das Parlament, eine Gesetzesreform zu erwirken, wurde allerdings nicht gefolgt. Mit der jetzigen Initiative scheint das Ziel Cappatos nun greifbar.
Emotionaler Brief an den Gesundheitsminister
Schon vor einigen Wochen hatte auch Italiens Gesundheitsminister Roberto Speranza auf eine Liberalisierung der Suizidbeihilfe gedrängt. „Ich persönlich bin seit langem von der Notwendigkeit und Dringlichkeit einer gesetzgeberischen Maßnahme in dieser Angelegenheit überzeugt“, gab Speranza zu verstehen. Speranzas Bestrebung wurde vor allem durch den Brief eines 43-jährigen Mannes ins Rollen gebracht, der aufgrund eines Verkehrsunfalls gelähmt und schwer krank ist. „Ich möchte in Würde sterben, bitte lassen Sie mich jetzt gehen“, hieß es unter anderem in dem Brief an den Gesundheitsminister.
Warnung aus dem Vatikan
„Meine Besorgnis ist wirklich groß“, meldete sich der Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben, Erzbischof Vincenzo Paglia, über die neuesten Bestrebungen zu Wort. Man gehe ganz nach dem Motto „Wer nicht gesund geboren wird, darf nicht geboren werden“, vor und damit gehe ein neues Gesundheitskonzept einher, für das diejenigen, die geboren werden und nicht gesund sind, sterben müssen. Mit solchen Gedankengängen vergifte man die Kultur, so Paglia. Aufgabe der Kirche sei hier jedenfalls, alle daran zu erinnern, dass die Zerbrechlichkeit, die Schwäche, ein konstitutiver Teil der menschlichen Natur und der gesamten Schöpfung seien. Eine Missachtung des Grundrechts auf individuelle Freiheit und Verantwortung, wie der Initiator der Petition, Marco Cappato, meinte. Niemand werde gezwungen, Euthanasie in Anspruch zu nehmen. Außerdem werde man heimliche Euthanasie verhindern können, so Cappato.
„Niederlage der Menschen“
Indes zeigte sich auch die katholische Kirche in Italien besorgt. „Wer sich in einem Zustand extremen Leids befindet, dem sollte geholfen werden, den Schmerz zu bewältigen, Angst und Verzweiflung zu überwinden“, lautete eine Stellungnahme der italienischen katholischen Bischöfe. Die „Entscheidung für den Tod“ sehen die Bischöfe als „Niederlage des Menschen“ und als Sieg einer „individualistischen, nihilistischen“ Gesellschaft. Einen Platz für Hoffnung oder intakte zwischenmenschliche Beziehungen gäbe es nicht in diesem Konzept. Der Schutz der Menschenwürde müsse daher in der kirchlichen Arbeit an immenser Bedeutung gewinnen, so die Bischöfe.
Mit der Volksabstimmung wird 2022 gerechnet. Sollte diese pro „Sterbehilfe“ ausfallen, müsste ein Gesetzesauftrag an das Parlament gestellt werden. (TS)