Leihmutterschaft
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INT / Reproduktionsmedizin: Kampf um das Kind

Die Tagespost, 24.03.2023 –  Während die EU und die Haager Konferenz Leihmutterschaft erleichtern wollen, setzt sich die Casablanca-Gruppe für ein weltweites Verbot dieser Praxis ein. Von Franziska Harter

Weitgehend unbeachtet von den Augen der Öffentlichkeit tobt weltweit ein dramatischer Kampf um das Wohlergehen von Frauen und Kindern. Viel steht auf dem Spiel: Soll es global salonfähig werden, dass finanzstarke Paare gegen ein Entgelt den Körper einer in der Regel sozial schwächer gestellten Frau in Anspruch nehmen, um anschließend das von ihr ausgetragene Kind als ihr eigenes aufzuziehen? In den meisten EU-Staaten wie etwa Deutschland, Österreich und Frankreich sind sowohl die Durchführung als auch die Vermittlung der Leihmutterschaft verboten. Der Europarat und das Europäische Parlament haben sich wiederholt gegen diese Praxis ausgesprochen. Sowohl die UN-Menschenrechtskonvention als auch die UN-Kinderrechtskonvention lassen keinen Zweifel daran, dass die Praxis der Leihmutterschaft den Rechten und der Würde von Frauen und Kindern diametral entgegengesetzt ist.

Trotzdem berichtet die Regenbogenpresse wohlwollend von Hollywoodstars, die über eine Leihmutter zu Kinderglück kommen   ohne zu erwägen, was die Trennung eines Neugeborenen von seiner Gebärerin entwicklungspsychologisch für das Kind bedeutet. Derweil unterlaufen internationale Leihmutterschaftsagenturen nationale Verbote, indem sie Paaren, in deren Heimatland die Leihmutterschaft verboten ist, eine Leihmutter im Ausland vermitteln. Die Folge sind oft endlose Streitigkeiten mit den Behörden der Heimatländer, die die Elternschaft der “Bestelleltern” nicht anerkennen wollen.

Legalisierung durch die Hintertür

Die EU-Kommission hat daher einen Vorstoß zur grenzübergreifenden Anerkennung der Elternschaft gewagt. Die geplante Maßnahme gehört seit 2020 zur EU-Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen und hat im Dezember letzten Jahres Eingang in einen Verordnungsentwurf der EU-Kommission gefunden, der dort zur Anwendung kommen soll, wo es in EU-Staaten familien- und abstammungsrechtliche Unterschiede gibt. “Der Verordnungsentwurf der EU-Kommission würde in Land A eine automatische Anerkennung der Elternschaft bewirken, die in Land B festgestellt wurde”, erklärt die Juristin Antonia Holewik vom “Institut für Ehe und Familie” der Österreichischen Bischofskonferenz. “Dies würde zum Beispiel für ein deutsches oder österreichisches Paar greifen, das etwa in Griechenland, wo Leihmutterschaft erlaubt ist, eine Leihmutterschaftsvereinbarung trifft, das Kind dort austragen und sich dort die Elternschaft übertragen lässt.”

Ein ebenfalls vorgesehenes EU-weites Elternschafts-Zertifikat soll den Behördengang im Heimatland vereinfachen. “Die grenzübergreifende Anerkennung der Elternschaft würde die Praxis der Leihmutterschaft erleichtern. Und wer eine Praxis erleichtert, der fördert sie auch”, prognostiziert Holewik. “Eine weitere Folge einer solchen automatischen Anerkennung der Elternschaft wäre, dass in den Ländern mit restriktiver Gesetzgebung die Rufe nach einer Legalisierung der Leihmutterschaft lauter würden.” Nach Anhörung des Europäischen Parlaments müsste der EU-Rat den Vorschlag der EU-Kommission einstimmig annehmen. Die Chancen dafür stehen im Moment schlecht, meint Holewik: “Mindestens Ungarn und Polen werden wohl dagegen stimmen. Dass es trotzdem weiterhin Versuche geben wird, Leihmutterschaft zu normalisieren, steht aber zu erwarten, etwa in Form von Soft Law.”

Aus Holewiks Sicht wäre nur ein komplettes weltweites Verbot der Leihmutterschaft mit den Rechten von Frauen und Kindern vereinbar. “Denn auch bei der sogenannten altruistischen Leihmutterschaft sind der Körper einer Frau und das Kind Gegenstand eines Vertrags; es fließen hohe Geldbeträge und Vermittlungsagenturen verdienen ordentlich.” Dem stimmt Aude Mircovic, Direktorin des französischen Juristenkollektivs “Juristes pour l enfance” (Juristen für die Kindheit) im Gespräch mit der “Tagespost” zu: “Kein juristischer Rahmen wird jemals angemessen sein, weil nicht nur diese oder jene Modalitäten der Leihmutterschaft ein Problem darstellen, sondern das Prinzip der Leihmutterschaft selbst, das gegen die Menschenwürde verstößt: Keine Regelung kann die Tatsache akzeptabel machen, dass eine Frau dazu benutzt wird, ein Kind auszutragen, das nicht ihr eigenes ist. Keine Regelung kann die Tatsache akzeptabel machen, dass ein Kind vertraglich bestellt und ausgehändigt wird.”

Globale Antwort auf globalen Skandal

Mircovic ist Ko-Autorin der “Casablanca-Erklärung”, die Anfang März von einer internationalen Expertengruppe aus Juristen, Medizinern, Psychologen und Humanwissenschaftlern aus mehr als 70 Ländern veröffentlicht wurde. Die Unterzeichner rufen alle Staaten dazu auf, “Leihmutterschaft in allen ihren Formen, ob bezahlt oder unbezahlt, zu verurteilen und Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Praxis zu ergreifen”. Die Veröffentlichung der “Erklärung von Casablanca” erfolgte im Anschluss an ein Expertenseminar in der marokkanischen Küstenstadt. Der ehemalige Präsident des UN-Ausschusses für Kinderrechte, Luis Perdernera aus Uruguay, ermutigte die Initiative in einem Grußwort. Als Beobachterin nahm auch Suzanne Aho Assouma teil, ebenfalls Mitglied des UN-Ausschusses für Kinderrechte und dessen ehemalige Vizepräsidentin. Auch sie begrüßte die Experteninitiative und geißelte Leihmutterschaft als eine Praxis, die größtenteils auf der Ausbeutung armer Frauen beruhe.

Insgesamt beleuchteten 17 Redner aus 15 Ländern Nord- und Südamerikas, Afrikas und Europas die Praxis der Leihmutterschaft aus juristischer, historischer, philosophisch-anthropologischer und psychologischer Sicht. “Unsere Gruppe wird weiterhin Inhalte produzieren, um die öffentliche Meinung und die Regierungen unserer Staaten zu sensibilisieren”, erklärte der Chilene Bernardo Garcia Larrain gegenüber dieser Zeitung. “Wir arbeiten auf die Einberufung einer COP hin, wie es sie zum Beispiel auch für den Klimawandel gibt. Eine solche Konferenz könnte der Beginn der zwischenstaatlichen Verhandlungen über ein weltweites Verbot der Leihmutterschaft sein”, so der Jurist und Unterzeichner der Casablanca-Erklärung.

Kein juristischer Rahmen möglich

Die Casablanca-Gruppe ist auch eine Antwort auf das Bemühen der Haager Konferenz für internationales Privatrecht (HCCH), die seit einem Jahrzehnt die Möglichkeit der Erstellung eines internationalen Rahmens für die grenzüberschreitende Anerkennung der Elternschaft evaluiert. Im Dezember 2022 legte die zuständige Expertengruppe ihren Abschlussbericht vor, der in Bezug auf die Leihmutterschaft “mehrere vielversprechende Elemente”, aber auch “mehrere Probleme der Machbarkeit” eines internationalen Rahmens identifiziert. “Die Expertengruppe stellt fest, dass Leihmutterschaft nachweislich Risiken für den Schutz der Menschenrechte birgt. Auch wenn der Bericht es nicht explizit zugibt, kommt er zu dem Ergebnis, dass es unmöglich ist,  ethische  Leihmutterschaft juristisch zu garantieren”, deutet Aude Mircovic den Bericht. “Egal wie der juristische Rahmen für eine  ethische  Leihmutterschaft aussehen würde, die Frage ist aussichtslos: Denn entweder man anerkennt nur die Abstammung von Kindern, die aus einer wie auch immer definierten  ethischen  Leihmutterschaft stammen, dann verfehlt der Rahmen sein Ziel, weil die anderen Kinder auf der Strecke bleiben. Oder man anerkennt die Abstammung und Elternschaft in allen Fällen, dann ist ein Rahmen ohnehin überflüssig.”

EU und Haager Konferenz stehen in Bezug auf Leihmutterschaft in Austausch, wie aus einem Nebensatz in dem Verordnungsentwurf der EU-Kommission hervorgeht, die angibt, an “Expertentreffen zum Eltern-/Leihmutterschaftsprojekt der Haager Konferenz” teilgenommen zu haben.
Der Rat für allgemeine Angelegenheiten und die Politik der Haager Konferenz beauftragte nun auf seiner Tagung vom 7. bis zum 10. März die Expertenkommission, Rahmenbestimmungen für ein neues juristisches Instrument zur internationalen Anerkennung der Elternschaft   inklusive in Fällen von Leihmutterschaft   weiter zu prüfen. Ob dieses Mal mit konkreteren Ergebnissen, bleibt abzuwarten.

Für Mircovic und ihre Mitstreiter kann nur ein globales Verbot die ebenfalls globale Vermarktung von Frauen und Kindern unterbinden. “Man kann noch so viele Arbeitsgruppen einrichten und noch so viele Berichte übereinanderstapeln, die Leihmutterschaft bleibt ein Akt der Verfügung über ein Kind. Über ein menschliches Wesen durch einen Vertrag zu verfügen, unabhängig von der Liebe, die ihm versprochen wird, bedeutet, es wie ein Objekt zu behandeln”, schließt Aude Mircovic, die auf die Definition des Sklaven im internationalen Sklavereiabkommen von 1926 verweist.

Dass ein internationales Verbot der Leihmutterschaft in greifbarer Nähe liegt, daran zweifelt Aude Mircovic nicht. “Die Abschaffung der Leihmutterschaft wird weitaus weniger schwierig sein als die Abschaffung der Sklaverei, denn diese war viel weiterverbreitet, als es die Leihmutterschaft heute ist.” Auch Antonia Holewik ist zuversichtlich. Bedingung ist für sie, die Deutungshoheit über den Begriff des Kindeswohls zurückzugewinnen, “denn auch die EU-Kommission argumentiert ausgiebig damit. Dabei berücksichtigt sie viele Aspekte des Kindeswohls gerade nicht, etwa das Recht auf die Kenntnis der eigenen Abstammung und das Recht, nicht gehandelt zu werden”. Sie gehört in Österreich zum Kollektiv “Stoppt Leihmutterschaft”, in dem sich Juristen, Mediziner und Psychologen aus unterschiedlichen weltanschaulichen Beweggründen zusammenfinden. “Auch wenn etwa Feministen und Christen in anderen Bereichen nicht immer auf einer Linie liegen, hier eint uns alle der Einsatz für die Rechte von Frauen und das Wohl der Kinder”, so ihre Beobachtung.

Dieser Artikel wurde dem IEF dankenswerterweise von der Tagespost bereitgestellt.

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