INT / Reproduktionsmedizin: Jeder Sechste weltweit von Unfruchtbarkeit betroffen
IEF, 01.05.2023 – Die Weltgesundheitsorganisation kritisierte die hohen Kosten von Kinderwunschbehandlungen.
Ein am 4. April veröffentlichter Bericht der in Genf angesiedelten UN-Organisation für Weltgesundheit (WHO) präsentiert eine Metastudie zur globalen Prävalenz von Unfruchtbarkeit. Für den Bericht wurden 133 von weltweit mehr als 12.000 Studien aus den Jahren 1990 bis 2021 ausgewählt und ausgewertet. „Unfruchtbarkeit ist nicht diskriminierend“, resümiert Tedros Ahanom Ghebreyesus, der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation. Die Definition der WHO lautet: „Unfruchtbarkeit ist eine Erkrankung des männlichen oder weiblichen Fortpflanzungssystems, die dadurch definiert ist, dass nach 12 Monaten oder mehr regelmäßigen ungeschützten Geschlechtsverkehrs keine Schwangerschaft eintritt.“
WHO fordert „erschwingliche Wege zur Elternschaft für alle“
Die hohe weltweite Rate an zumindest zeitweise unfruchtbaren Männern und Frauen zeige laut WHO die Notwendigkeit, das Thema in den Blick zu rücken und die Behandlungskosten zu senken. Die WHO fordere eine Verbesserung des Zugangs zu Reproduktionstechnologien, „damit sichere, wirksame und erschwingliche Wege zur Elternschaft für alle, die dies wünschen, zur Verfügung stehen“, bekräftigt Ghebreyesus. „Trotz des Ausmaßes des Problems sind Lösungen für die Prävention, Diagnose und Behandlung von Unfruchtbarkeit – einschließlich der assistierten Reproduktionstechnologie wie der In-vitro-Fertilisation (IVF) – nach wie vor unterfinanziert und für viele aufgrund hoher Kosten, sozialer Stigmatisierung und begrenzter Verfügbarkeit nicht zugänglich“, so die WHO in ihrem Beitrag vom 4. April.
Reproduktionsmarkt und künstliche Fortpflanzung statt Gesundheit
Es ist bezeichnend, dass die Weltgesundheitsorganisation nicht nach den Ursachen der steigenden Unfruchtbarkeit fragt und nach Möglichkeiten, diese zu bekämpfen. Sie pocht vielmehr auf erschwingliche und damit noch zugänglichere Methoden der künstlichen Befruchtung. Dabei bringt IVF neben einer geringen Erfolgsrate auch gesundheitliche Folgen für die daran beteiligte Frauen und Kinder mit sich. Die WHO widerspricht damit ihrem Grundauftrag und fördert statt der Gesundheit aller Menschen die Anliegen des stetig wachsenden Reproduktionsmarktes und einer Ideologie, die die Fortpflanzung immer mehr ins Labor verlegen will.
IVF-Geschäft mit der Verzweiflung kinderloser Paare
Laut einer ausführlichen Analyse des Instituts für medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE) aus dem Jahr 2017 galt ursprünglich der nicht therapierbare Eileiterverschluss als uneingeschränkte Indikation für In-vitro-Fertilisation (IVF). Mit der Zeit habe sich das Spektrum der Indikationen für reproduktionsmedizinische Eingriffe geweitet. Der Einsatz von assistierten Reproduktionstechnologien habe in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten exponentiell zugenommen. IVF werde vielen kinderlosen Paaren als Lösung für ihren Kinderwunsch präsentiert, wobei diese oft unzureichend über die Konsequenzen informiert werden würden. 75 bis 80 Prozent aller Paare, die einen oder mehrere IVF-Versuche unternahmen, seien dennoch kinderlos geblieben.
Nach Ansicht des emeritierten IVF-Pioniers Robert Winston werden Paare „in die IVF hineingezogen“, ohne über die geringen Erfolgsraten aufgeklärt zu werden. IVF sei zu einem Geschäft geworden, das für private britische Kinderwunschkliniken wirtschaftlich durchaus lukrativ sei. Die „Verzweiflung“ von Paaren, die sich ein Kind wünschen, kombiniert mit der „Gier“ privater Praxen ergebe eine „gefährliche Mischung“, so Winston (das Institut für Ehe und Familie (IEF) hat berichtet).
Risiken und Nebenwirkungen
Für die Gewinnung reifer Eizellen müsse sich die Frau einer aufwendigen hormonellen Stimulationsbehandlung unterziehen. Eine mögliche Nebenwirkung der Hormonbehandlung sei das ovarielle Hyperstimulationssyndrom (OHSS), bei dem es zu Durchblutungsstörungen der Nieren, Atembeschwerden und Wasseransammlungen im Bauchraum kommen kann. „Zu den Komplikationen bei der Eizellentnahme gehören weiters Verletzungen, Blutungen und Infektionen,“ so Susanne Kummer, Direktorin von IMABE.
Zudem komme es häufig zu einer Mehrlingsschwangerschaft, die mit Risiken für Mutter und Kinder verbunden sei. Oft würden Mediziner empfehlen, mit einer gezielten Reduktion, also der Tötung von mindestens einem ungeborenen Kind, die Entwicklungschance für die anderen Föten zu erhöhen. In der Vergangenheit konnte auch ein deutlich erhöhtes gesundheitliches Risiko für künstlich gezeugte Kinder festgestellt werden. Zu den Risiken würden ein niedriges Geburtsgewicht, schwere Behinderungen, sowie Frühgeburtlichkeit und Atemnot der Neugeborenen gehören. Durch IVF gezeugte Einlinge hätten ein 1,3- bis 4,3-faches Risiko zu früh, mit einem zu geringen Geburtsgewicht und neurologischen Beeinträchtigungen geboren zu werden, so der Deutsche Ethikrat in einer Stellungnahme zur Präimplantationsdiagnostik.
Studien liefern zunehmend Hinweise darauf, dass bei einer IVF im Vergleich zu spontanen Schwangerschaften ein erhöhtes Risiko für schwere Dammrisse während der Geburt, Uterusrupturen (Gebärmutterriss) oder die Notwendigkeit von Bluttransfusionen festgestellt werden. Als besonders riskant und anfällig für schwerwiegende Komplikationen würden Schwangerschaften nach einer Eizellspende, bei der der Frau eine fremde, befruchtete Eizelle eingesetzt wird, identifiziert werden. In 30 Prozent aller Schwangerschaften nach einer Eizellspende müssten Frauen entweder auf die Intensivstation eingeliefert werden, benötigten Bluttransfusionen oder müssten eine ungeplante Gebärmutterentfernung vornehmen lassen (das IEF hat berichtet).
Ein Forscherteam der American Heart Association untersuchte gesundheitliche Langzeitfolgen von Kindern und Jugendlichen, die durch künstliche Befruchtung gezeugt wurden. Festgestellt wurde, dass die hormonelle Stimulation zur Herbeiführung einer Hyperovulation der Mutter für langfristige Gesundheitsprobleme bei den Nachkommen verantwortlich sei. Eine aktuelle Arbeit, die im Journal of the American College of Cardiology veröffentlicht wurde, widerspricht der These, künstlich gezeugte Kinder seien genauso gesund wie Kinder, die natürlich gezeugt wurden. Jugendliche, die aufgrund einer IVF-Behandlung zur Welt kamen, hätten dabei schon früh Gefäßprobleme.
Eine Studie aus Skandinavien untersuchte die Häufigkeit von Krebserkrankungen bei Kindern. So konnte festgestellt werden, dass Kinder, die mittels IVF zur Welt kamen und sich aus tiefgefrorenen (kryokonservierten) und dann aufgetauten Embryonen entwickelt hatten (Frozen-thawed Embryo Transfer – FET), ein erhöhtes Krebsrisiko aufwiesen. Die Häufigkeit der Kinder bis 18 Jahre nach FET an Krebs zu erkranken, lag bei 30,1 zu 100.000.
Vielfältige Gründe für Fruchtbarkeitsstörungen
Wie bereits erwähnt, untersucht der zitierte Bericht der WHO nicht die Ursachen der zunehmenden Unfruchtbarkeit. Laut Winston gebe es unzählige Ursachen, wobei den meisten Kliniken die Kompetenz zur Diagnosestellung fehle. IVF sei nicht immer die beste Behandlungsmöglichkeit, allerdings die profitabelste, kritisiert er.
Statistisch liegen die Ursachen für Unfruchtbarkeit zu jeweils 30 Prozent bei der Frau bzw. beim Mann oder bei beiden gemeinsam; in 10 Prozent der Fälle bleiben die Gründe ungeklärt. Biologisch eindeutig ist der Zusammenhang zwischen dem Alter der Frau und ihrer abnehmenden Fruchtbarkeit. „Je älter eine Frau ist, desto höher ist das Risiko, dass die Reifung der Eizellen gestört und die Eizellreserve eingeschränkt sein kann“, belegt das Universitätsspital Zürich. Außerdem gehe die Anzahl sowie die Qualität der Eizellen mit dem Alter zurück, während die Wahrscheinlichkeit für Chromosomenschäden, Fehlgeburten und Komplikationen steige. „Waren Frauen in Österreich im Jahr 1985 bei der Geburt ihres ersten Kindes im Durchschnitt 24 Jahre alt, stieg das Alter der Erstgebärenden im Jahr 2013 auf 29 Jahre“, erklärt Kummer.
Wissenschaftler aus New York veröffentlichten einen Bericht über die sinkende Fertilitätsrate bei dem sie untersuchten, inwiefern sich die Chemikalien PFAS auf den Hormonzyklus auswirken. PFAS steht für per- und polyfluorierte Chemikalien, umgangssprachlich auch “ewige Chemikalien” genannt, denn sie werden langsam abgebaut und sind fast überall zu finden. Durch ihre Wirkung auf Frauen werde die Chance auf eine erfolgreiche Schwangerschaft gesenkt, berichtet die britische Tageszeitung The Guardian: Die Wahrscheinlichkeit innerhalb eines Jahres schwanger zu werden, sinke bei hoher Konzentration im Blut um 40 Prozent. (TB)