INT / Reproduktionsmedizin: Illusion der ewigen Fruchtbarkeit – Kinderkriegen mit 40+
IEF, 04.12.2018 – Die natürliche Grenzziehung für das Kinderkriegen wird durch den wissenschaftlichen Fortschritt ausgedehnt, ob progressive Methoden aber halten können, was sie versprechen, ist fraglich. Eine Studie aus der Schweiz, des Swiss Medical Forums, bringt neue Erkenntnisse.
Entgegen der anzunehmenden Erwartung, dass durch In-vitro-Fertilisation eine Schwangerschaft uneingeschränkt bis zur Menopause möglich sei, betont etwa Egbert te Velde, emeritierter Professor für Reproduktionsmedizin aus Utrecht, dass bereits im Alter von 42 Jahren nur noch 50% der Frauen – auch mit Unterstützung von IVF, tatsächlich ein Kind bekommen. Was allerdings kaum bekannt ist, sind die erhöht auftretenden Komplikationen einer Schwangerschaft im fortgeschrittenen Alter. Weitaus überschätzt würden hingegen die Erfolge der modernen Reproduktionstechnik.
Dynamisch zum Alter steigende Risiken sind unter anderem Adipositas, Diabetes mellitus oder arterielle Hypertonie. Ebenfalls wahrscheinlicher wird ein Gestationsdiabetes, da Insulinsensitivität und Betazellfunktion mit dem Alter abnehmen. Bluthochdruck steigert des Weiteren das Risiko für Präeklampsie (Schwangerschaftsvergiftung), vorzeitige Plazentalösung und eine intrauterine Wachstumsverzögerung.
Auch hinsichtlich der steigenden Wahrscheinlichkeit chromosomaler Anomalien gestalten sich Schwangerschaften im Alter von über 40 Jahren als schwierig, so Dr. Rebecca Moffat von der Frauenklinik des Universitätsspitals Basel und ihre Kollegen. Bereits im Alter von 42 sind 80 % aller Eizellen aneuploid, diese unbalancierte Verteilung der Chromosomen gilt als bedeutendste Ursache für altersbedingte Infertilität und steigende Abortrate. Entgegen aller Erwartungen können solche Probleme durch reproduktionsmedizinische Technologie nicht beseitigt werden – die fertile Lebensspanne wird lediglich um wenige Jahre verlängert. Selbst bei optimalen Bedingungen liegt die Lebendgeburtsrate nach künstlicher Befruchtung gerade einmal bei 20-25 %.
Um Risiken zu minimieren, wird immer öfter auf das Vorratseinfrieren eigener Eizellen (social egg freezing) zurückgegriffen. Man erhofft sich, dass durch Eizellen, die vor dem 35. Lebensjahr gewonnen wurden, in späteren Jahren Aneuploiden oder Fehlgeburten von Kindern vermieden werden können. Allerdings warnen die Autoren der Studie davor, dass sich Frauen auf Basis des social egg freezing in falscher Sicherheit wiegten. Die Chancen, durch IVF tatsächlich ein Baby zu bekommen, liegen weiterhin nur bei etwa 30% und nehmen mit steigendem Alter ab. (FF)