UN-Sonderberichterstatter
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INT / Menschenrechte: „LGBTIQ-Rechte“ vor anderen Menschenrechten?

IEF, 25.01.2023 – Ein UN-Sonderberichterstatter plädiert für mehr Schutz von „LGBTIQ-Rechten“ zulasten der Religionsfreiheit und anderer Menschenrechte.

Victor Madrigal-Borloz heißt der Mann, der nun schon seit 2017 UN-Sonderberichterstatter für den Schutz vor Gewalt und Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität ist. Sein Mandat wurde kürzlich um eine weitere Laufzeit von drei Jahren verlängert. Der Jurist aus Costa Rica möchte unter anderem die offizielle Anerkennung der Gendertheorie in den Menschenrechten erwirken, wie er in einem Bericht aus 2021 bereits unterstrich. Transfrauen aus dem Frauensport auszuschließen, weitreichendere Elternrechte in Bezug auf Sexualerziehung der eigenen Kinder und den Schutz von biologischen Frauen bezeichnet Madrigal-Borloz als „Anti-Gender-Narrative“, die für sein Vorhaben nicht förderlich und unbegründet seien. Ein Dorn im Auge seien ihm vor allem “ultrakonservative” Politiker und religiöse Gruppen, besonders die katholische Kirche, die „Personen entmenschlichen und Stigma und Intoleranz unter ihren Anhängern verbreiten“ würde.

Neuer Bericht sieht Religionsfreiheit als Problem

Derzeit arbeitet Madrigal-Borloz an einem neuen Bericht über die „Religions- und Weltanschauungsfreiheit im Verhältnis zur sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität“. Stellungnahmen dazu konnten bis zum 15. Jänner eingebracht werden. Als Gründe für den neuen Bericht führte der Jurist an, dass religiöse und spirituelle Narrative in der Vergangenheit oft dazu verwendet worden seien, um institutionelle und persönliche Gewalt und Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität zu fördern, zu ermöglichen und zu dulden. Diese sich daraus entwickelten Praktiken seien durch kein anderes Menschenrecht zu rechtfertigen, zumal die Rechte marginalisierter Bevölkerungsgruppen dadurch umgangen würden. Ziel des Berichts sei daher die rechtliche Stärkung der Menschenrechte von LGBT+-Personen an der Schnittstelle zur Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit und das Aufzeigen eines inhärenten Widerspruchs zwischen der Religionsfreiheit und dem Schutz vor Gewalt und Diskriminierung basierend auf der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität. Ferner soll der Zugang zu Glauben und Spiritualität von LGBT+ Personen im Einklang mit ihrem eigenen Recht auf Glaubens- und Religionsfreiheit beleuchtet werden. Schließlich soll der Bericht Empfehlungen an Staaten und Verantwortungsträger enthalten, damit diese „ihren Menschenrechtsverpflichtungen nachkommen und LGBT+-Personen schützen, damit diese nach Glück streben und alle ihre Menschenrechte genießen können“. Der Bericht wird in der 53. Sitzung des UN-Menschenrechtsrats im Juni 2023 präsentiert werden.

Bericht mit Skepsis erwartet

Das Religious Freedom Institute (RFI) und die International Organisation for the Family (IOF) sehen die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit unter anderem aufgrund der früheren Berichte und Positionierungen Madrigal-Borloz‘ in Gefahr. In seiner Stellungnahme unterstrich das RFI, dass die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) die Religionsfreiheit als Recht deklariere. Obwohl sie nicht bindend sei, so sei sie doch die Grundlage vieler Menschenrechtsverträge. Im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, der auf die AEMR folgte, wurde die Religionsfreiheit in einem verbindlichen Vertrag verankert, den bislang 172 Staaten ratifiziert hätten. Im Gegensatz dazu seien vermeintliche „LGBTIQ-Rechte“ nicht international anerkannt und deren Durchsetzung würde bestehende und lange etablierte fundamentale Menschenrechte verletzen. Die rechtliche Verankerung von „LGBTIQ-Rechten“ würde zudem das Prinzip der Erklärung und des Aktionsprogramms von Wien untergraben, die besagen, dass Menschenrechte und fundamentale Freiheiten voneinander abhängig seien und sich gegenseitig bestätigen sollten. Die von Madrigal-Borloz angestrebten Regelungen würden einzelne Vorstellungen vom Menschen und dessen Sexualität fördern, während sie andere Auffassungen, die von vielen religiösen Gemeinschaften unterstützt werden, ablehnen würden. Nationale Regelungen zugunsten von LGBTIQ-Personen könnten bereits jetzt durch Zwangsmaßnahmen der Regierungen durchgesetzt werden – ungeachtet der Religionsfreiheit von Organisationen und Individuen. Die Verankerung von „LGBTIQ-Rechten“ im internationalen Recht hätte wohl ähnliche Auswirkungen, befürchtet das RFI in seiner Stellungnahme und ruft zum Schutz des Rechts auf Religionsfreiheit auf.

LGBTIQ-Personen sind auch Menschen

Die IOF wies in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass die Menschenrechte allen Menschen zustünden. Die „Rechte von LGBTIQ-Personen“ würden sich also nicht aufgrund deren Zugehörigkeit zur LGBTIQ-Community, sondern aufgrund deren Status als Mensch ergeben. Und Menschen hätten gemäß Art 2 der AEMR alle Rechte und Freiheiten unabhängig von Geschlecht, Alter, Hautfarbe, Rasse, Sprache, Religion etc. Durch eine Etablierung von „LGBTIQ-Rechten“, die vor den allgemein anerkannten Menschenrechten sogar Vorrang genießen könnten, könnte eine Verzerrung der Menschenrechtsstruktur eintreten, die sich über viele Jahrzehnte hinweg herausgebildet habe. Ein zusätzlicher Schutz für LGBTIQ-Personen sei nicht notwendig, da etwa das von Art 3 AEMR normierte Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person wie auch das Folterverbot (Art 5 AEMR) und alle anderen Menschenrechte auch für LGBTIQ-Personen gelten würden, so die IOF in ihrer Stellungnahme.

Zur Gebärmutterentnahme gezwungen

Die Auswirkungen einer voranschreitenden Einschränkung der Religions- und Gewissensfreiheit zugunsten von neuen Rechten zeigen sich bereits jetzt in einigen Ländern. In Maryland, USA, schränkt ein Gesetz etwa die ärztliche Gewissensfreiheit beträchtlich ein. Das St. Joseph Medical Center der University of Maryland soll gegen das Gesetz verstoßen haben, als es sich weigerte, aufgrund religiöser Überzeugungen die Gebärmutter einer transidenten Patientin zu entnehmen, so der Richterspruch des dortigen Bezirksgerichts. Das Krankenhaus habe gegen den Affordable Care Act verstoßen und die Patientin diskriminiert, lautete der Vorwurf. Es werde zwar gemäß der religiösen und ethischen Richtlinien des National Catholic Bioethics Center geleitet, das solche Verfahren verbietet, da sie „nicht dem wahren Wohl der menschlichen Person entsprechen“. Weil das Krankenhaus allerdings finanzielle Mittel vom Bund erhält, könne es sich nicht auf die Religions- oder Gewissensfreiheit berufen, so das Urteil.

Ärzte müssen gegen ihr Gewissen handeln

Doch die Gewissensfreiheit wird nicht nur im Zusammenhang mit LGBTIQ-Rechten eingeschränkt. In New Mexiko wurde 2021 ein Gesetz erlassen, das medizinisches Personal dazu verpflichtet, Patienten bei der Inanspruchnahme von „Sterbehilfe“ zu unterstützen. Diese „Überweisungspflicht“ zwingt Ärzte, die selbst keine Suizidbeihilfe leisten wollen, dazu, Suizidwillige an Personen oder Organisationen zu verweisen, die „Sterbehilfe“ durchführen. Außerdem normiert das neue Gesetz eine Aufklärungspflicht, die unheilbar kranken Personen den assistierten Suizid als „vernünftige Option“ aufzeigen soll. Das Gesetz verstößt gegen die Religions- und Gewissensfreiheit des medizinischen Personals und widerspricht außerdem dem hippokratischen Eid, der Ärzte seit tausenden von Jahren dazu verpflichtet, „niemandem ein tödliches Medikament zu geben, wenn er darum gebeten wird, noch (…) einen entsprechenden Vorschlag zu machen“. Daher zogen die Anwälte der Menschenrechtsorganisation Alliance Defending Freedom (ADF) im Namen von Dr. Lacy, einem christlichen Arzt, vor Gericht, um das Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit zu bekämpfen. Nun wird auf die Anhörung vor Gericht gewartet.

Papst fordert Reform der UNO

Beim Neujahrsempfang für das Diplomatische Corps im Vatikan kam Papst Franziskus auf die UNO zu sprechen. Es müsse Respekt gegenüber dem Menschen und seiner natürlichen Physiognomie herrschen und vermieden werden, dass eine „neue und verworrene Sichtweise auf den Menschen“ aufgezwungen werde, kritisierte Papst Franziskus die von der UNO geförderte Genderideologie. Diese sei nämlich ein gefährlicher Trend, der nahe daran sei, zu einem „ideologischen Totalitarismus zu werden, der Intoleranz gegenüber all jenen fördert, die bestimmten Positionen, die als Fortschritt dargestellt werden, widersprechen“, so der Papst über die Forderung einiger UN-Menschenrechtsexperten, Kritiker von Abtreibung und der Genderideologie zu bestrafen. Es sei überdies äußerst bedenklich, dass „immer mehr Ressourcen dafür verwendet werden, um besonders ärmeren Ländern neue Formen einer ideologischen Kolonialisierung aufzuzwingen (…) und die Bereitstellung von Wirtschaftshilfe direkt mit der Akzeptanz solcher Ideologien“ verbunden werde. In diesem Sinne forderte Papst Franziskus eine Reform des Systems der UNO, um sie „wirklich repräsentativ für die Bedürfnisse und Empfindlichkeiten aller Völker zu machen und Vorgehensweisen zu vermeiden, die einigen Bevölkerungsgruppen zulasten anderer mehr Gewicht einräumen“.

Kein Frieden ohne Religionsfreiheit

Auch Papst Franziskus sieht die Religionsfreiheit in Gefahr. Man könne sie „nicht einfach auf die Freiheit zu beten reduzieren“, so der Papst. Stattdessen müsste jede Person die Möglichkeit haben, auch im alltäglichen Leben und im Beruf frei nach ihrem Gewissen handeln zu dürfen. Es sei falsch, die Religion für jegliche Konflikte unter den Menschen verantwortlich zu machen. Das Christentum sei viel eher eine Kraft für den Frieden, da es zur Bekehrung und zur Ausübung von Tugend ermutige, so der Papst. (TS)

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