INT / Menschenrechte: Interessenskonflikte bei UN-Einrichtungen
IEF, 24.09.2021 – Neuer Bericht offenbart, wie die UN-Sonderverfahren von privaten Akteuren für ihre Ziele missbraucht werden.
Der globale Einfluss der UN-Sonderberichterstatter
Der UN-Menschenrechtsrat bestimmt im Rahmen der Sonderverfahren Berichterstatter – entweder Arbeitsgruppen oder unabhängige Experten – zur Untersuchung der Menschenrechtslage in bestimmten Ländern oder zu bestimmten Themen. Im Moment gibt es 44 thematische Mandate und 11 länderspezifische Mandate, deren Aufgaben Ländermissionen, Entgegennahme von Individualbeschwerden, Befragung von Betroffenen und Dialog mit staatlichen Stellen umfassen. Im Rahmen ihrer Tätigkeit haben Mandatsträger auch Berichte für den UN-Menschenrechtsrat über die jeweilige Menschenrechtssituation zu verfassen. Zu den thematischen Mandaten zählen unter anderem Themen wie Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Diskriminierung von Frauen und Mädchen, extreme Armut, Kinderhandel und Bildung. Die von den Sonderberichterstattern verfassten Berichte sind zwar rechtlich nicht bindend, werden jedoch von anderen UN-Organen und Organisationen sowie Internationalen Gerichtshöfen als autoritative juristische Referenztexte in dem jeweiligen Themenbereich betrachtet. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) beispielsweise soll sich in 140 von seinen Urteilen auf die Berichte von UN-Sonderberichterstattern bezogen haben.
Ungenügende Finanzierung holt private Förderer auf den Plan
Seit geraumer Zeit gibt es Bedenken betreffend die Unabhängigkeit der UN-Experten, das Überschreiten ihres Mandats und die Annahme direkter finanzieller Förderungen von privater Seite. Das European Center for Law and Justice (ECLJ) hat dazu recherchiert und einen Bericht mit dem Titel „The Financing of UN Experts in the Special Procedures of the Human Rights Council” verfasst. Die Ergebnisse basieren auf Gesprächen mit UN-Sonderberichterstattern, die ihr Amt zwischen 2010 und 2020 ausgeübt haben, der Analyse der Finanzierungsoffenlegung durch das Büro des UN-Hochkommissars für Menschenrechte (OHCHR), der Sonderberichterstatter und der größten Spenderstiftungen, nämlich der Ford bzw. Open Society Foundations.
Das ECLJ hält in dem Bericht fest, dass die ungenügende und ungeregelte finanzielle Situation der UN-Sonderberichterstatter in den letzten Jahren, die externe Finanzierung des Verfahrens begünstigt hat. Insgesamt kämen 40% des für die Sonderverfahren benötigten Budgets aus externen Quellen. Manche der Spenden gingen dabei über das Büro des UN-Hochkommissars, der die Leistungen gleichmäßig an alle Sonderberichterstatter verteilen sollte. Andere hingegen würden den Sonderberichterstattern direkt – also ohne Einbeziehen der UN-Administration – gewährt. Diese direkten Zuschüsse hätten sich in den Jahren 2015-2019 mehr als verdoppelt und bestünden nicht nur aus Geldleistungen, sondern auch anderen Ressourcen, wie Büroplätzen und der Zurverfügungstellung von Assistenten und Mitarbeitern.
Unbeachtetes Verbot der Vorteilsannahme
Es gibt einige interne UN-Vorschriften, die die Arbeit der Sonderberichterstatter regeln. Unter anderem sollen sie während ihrer Tätigkeit keine Ehrungen, Gefallen, Geschenke oder Entgelte von Regierungen und Nicht-Regierungsstellen annehmen (ST/SGB/2002/9). In einer späteren Resolution (A/HRC/RES/16/21) hat der Menschenrechtsrat die freiwilligen Zuschüsse von Mitgliedstaaten, aufgrund des kontinuierlichen Bedarfs für die externe Finanzierung der Sonderverfahren, anerkannt. Allerdings mit der Einschränkung, dass diese Zuschüsse nicht zweckgebunden sein dürfen und an das Büro des UN-Hochkommissars für Menschenrechte (OHCHR) ausbezahlt werden sollen. In der Resolution finden private Spender jedoch keine Erwähnung.
Private Stiftungen nehmen gezielt Einfluss auf die Arbeit der Sonderberichterstatter
Aus den Interviews mit Sonderberichterstattern ging laut dem ECLJ-Bericht hervor, dass private Spender die Arbeit der Sonderberichterstatter beeinflussen und damit ihre Unabhängigkeit in Frage stellen würden. Dies geschehe einerseits über die Auswahl der Experten und andererseits über die Bestimmung ihrer Arbeitsschwerpunkte und Berichtsinhalte. Der ECLJ-Bericht führt dafür einige konkrete Beispiele an. So soll etwa die Open Society Foundation 2017 $100.000 an das Center for Women’s Global Leadership (CWGL) gezahlt haben, damit dieses den Sonderberichterstatter zu Sklaverei, einschließlich ihrer Ursachen und Folgen, dahingehend beeinflusse, häusliche Arbeit als eine Form von Sklaverei anzuerkennen. Andererseits soll die CWGL Melissa Upreti, Vorsitzende der UN Working Group on Ending Discrimination against Women, gleichzeitig zur Leiterin ihrer Abteilung „Programmes and Global Advocacy“ bestellt haben so – wie ECLJ konstatiert – ihre Tätigkeit in der UN-Arbeitsgruppe zu beeinflussen.
Die ECLJ kritisiert außerdem, dass es bei den UN-Sonderverfahren an Kontrollmechanismen fehle, zumal die Sonderberichterstatter zwar angehalten, aber nicht verpflichtet wären, ihre Finanzierungsquellen offenzulegen. Nicht offengelegt würden zudem die vertraglichen Fördervereinbarungen zwischen den Privatstiftungen und den Sonderberichterstattern, in denen die Ziele und Bedingungen der Bezuschussung festgelegt werden.
Stiftungen und einzelne Regierungen tragen zur Ungleichbehandlung einzelner Mandate bei
Es gibt auch keine gleichmäßige Verteilung der externen Bezuschussung der Sonderberichterstatter. Private Stiftungen würden es sich aussuchen, welche Mandate sie in welchem Ausmaß unterstützen wollen. So würden sich große Unterschiede zwischen den einzelnen Mandatsträgern in Bezug auf die Budgetgröße und die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen ergeben. Einige hätten große Teams und Budgets in Höhe von hunderttausenden von Dollars. Andere könnten sich Mitarbeiter nicht leisten und hätten kaum genug Mittel für ihr Mandat.
Verflechtungen zwischen privaten Stiftungen und UN-Experten
Auch die Auswahl der Experten für die Sonderverfahren durch den Menschenrechtsrat lasse laut ECLJ einiges zu wünschen übrig. So würde etwa ein Viertel der seit 2010 tätigen Sonderberichterstatter für eine der Hauptgeldgeberstiftungen arbeiten, was ihre Unabhängigkeit als UN-Experten noch weiter in Frage stellen würde.
UN-System krankt allgemein an undurchsichtiger Finanzierung
Auch von Seiten des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte mangle es an Transparenz hinsichtlich der Verwendung des für die Sonderverfahren bestimmten Budgets. Laut einigen Experten soll das OHCHR die Experten über die Höhe des ihnen zustehenden Budgets im Dunkeln lassen. Das Budget des OHCHR selbst würde sich zu mehr als 60% aus freiwilligen Beiträgen vieler westlicher Länder (Schweden, Norwegen, Dänemark, Finnland, Deutschland, Schweiz, USA) und privater Stiftungen und Unternehmen, wie den Ford, Open Society und Call for Code Foundations, sowie Microsoft, Counterpart International und Wellspring Philantropic Fund zusammensetzen. Beinahe 70% dieser Zuschüsse wären vom Geldgeber für ein ausgewähltes Programm bestimmt und damit zweckgebunden.
Dringend nötige Reformen der UN-Sonderverfahren
Das ECLJ legt in seinem Bericht einige Reformvorschläge vor, um die Arbeit und vor allem die Unabhängigkeit der Sonderberichterstatter zu verbessern. So empfiehlt das ECLJ dem OHCHR eine klare Budgetpolitik zu verfolgen und die Mandatsträger jährlich über die Höhe der ihnen zustehenden Geldmittel zu informieren. Außerdem sollten externe Förderungen an das OHCHR und nicht an die Sonderberichterstatter selbst ausbezahlt werden. Schließlich wird eine Verpflichtung über die Offenlegung der Fördervereinbarungen gefordert.
Der ECLJ-Bericht wurde bereits beim jährlichen Treffen der UN-Sonderberichterstatter in Genf diskutiert und dem UN-Menschenrechtsrat vorgestellt. (AH)