INT / Bioethik: Die Mitochondrien-Ersatztherapie oder wie aus dem Genmix von drei Personen ein gesunder Embryo entstehen soll
IEF, 24.07.2018 – Bei der Mitochondrien-Ersatztherapie handelt es sich um einen Eingriff in die Keimbahn, wodurch die genetischen Modifizierungen an alle künftigen Nachkommen weitergegeben werden und ist zur Zeit nur in England zugelassen. Nun erwägen weitere Staaten die Legalisierung dieses Verfahrens.
Dabei lag bis dato keine fundierte Risikoabschätzung der Methode vor. Wie die NZZ berichtet sollen die Engländer ihre Entscheidung über die Zulassung der Mitochondrien-Ersatztherapie im Jahr 2015 lediglich auf Studien an Eizellen von nur 15 Frauen, drei Makaken und zehn Mäusen gestützt haben. Die Evolutionsbiologen Dr. Ralph Dobler und Prof. Klaus Reinhardt von der TU Dresden haben nun erstmals alle bisher publizierten Ergebnisse und Studien zur Mitochondrien-Ersatztherapie analysiert. Darunter fanden sich Studien – insgesamt 48 an der Zahl – an menschlichen und tierischen Eizellen, sowie Studien mit Mäusen, Ratten, Kühen, Affen und Insekten.
Bei der Mitochondrien-Ersatztherapie wird der gesunde, befruchtete Zellkern der Mutter in eine Eizelle mit gesunden Mitochondrien, die von einer Eizellen-Spenderin stammt, verpflanzt. Da Mitochondrien ebenfalls Träger von Genmaterial sind, wird dadurch ein Embryo erzeugt, der das Erbgut von drei Personen in sich trägt. Und das ist nicht nur ethisch höchst bedenklich. Wie Deutschlandradio berichtet war den Wissenschaftlern von Anfang an bewusst, dass das Verfahren evolutionsbiologisch auch problematisch sein kann. Die Mitochondrien- und die Kern-DNA entwickelten sich nämlich in Bezug zueinander. Ein Austausch der Mitochondrien könne ihr Zusammenspiel stören, ohne dass die Folgen für den Menschen gänzlich abschätzbar wären. In einigen Studien wurde die Entwicklung bei Tieren nach einer Mitochondrien-Ersatztherapie bis zur Geburt und zum Teil darüberhinaus untersucht. Dabei zeigte sich, dass die unerwünschten Nebenwirkungen von Entwicklungsverzögerungen, über Unfruchtbarkeit bis hin zu einer erhöhten Sterblichkeit reichten.
Dobler und Reinhardt seien damit die ersten, die eine fundierte Risikoabschätzung der Mitochondrien-Ersatztherapie vorgenommen haben. Ein beschädigtes Mitochondrien-Erbgut bei der Mutter führe nämlich nicht zwangsläufig zu einer Krankheit beim Kind. Statistisch gesehen erkrankt eins von 50 Kindern an den Folgen einer sogenannten Mitochondropathie. Nach einer Mitochondrien-Ersatztherapie seien Folgeerkrankungen hingegen im Verhältnis von 1 zu 130 aufgetreten.
In Mexiko, wo ein Keimbahneingriff nicht ausdrücklich verboten sei, wäre bereits 2016 ein Kind nach einer Mitochondrien-Ersatztherapie zur Welt gekommen. Eine Fruchtbarkeitsklinik in der Ukraine behauptet zudem, die Eizellen von 21 Frauen behandelt zu haben. Sieben In-Vitro-Fertilisationen sollen dabei erfolgreich verlaufen sein und die betroffenen Frauen seien entweder noch schwanger oder hätten ihr Kind bereits geboren. Genauere Angaben zum Gesundheitszustand der Kinder fehlen jedoch. Neben England, das bis dato das einzige Land ist, dass die Mitochondrien-Ersatztherapie ausdrücklich zugelassen hat, wird derzeit in Singapur und Australien über die Legalisierung der Therapie debattiert.
Das IEF hat bereits am 19.12.2016 im Zusammenhang mit der Entscheidung der Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA) in England über die Mitochondrien-Ersatztherapie berichtet. Den Beitrag können Sie hier nachlesen.