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INT / Politik: Die Lücke zwischen (Kinder-)Wunsch und Wirklichkeit

IEF, 3.4.2019 – Frauen haben weniger Kinder als sie ursprünglich wollten. Dieses bekannte Phänomen wurde nunmehr durch eine groß angelegten Studie bestätitgt, die vor kurzem im Fachjournal „Population Research and Policy Review“ veröffentlicht wurde. In Österreich – wie auch in anderen europäischen Ländern – klafft insbesondere bei Akademikerinnen die Lücke auf.

Die beiden Demografinnen Eva Beaujouan von der Wirtschaftsuniversität Wien und Caroline Berghammer von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) haben für ihre Studie den in früheren Umfragen angegebenen Kinderwunsch und die schließlich erreichte Kinderzahl von 12.574 Frauen in 19 Ländern Europas sowie in den USA miteinander verglichen. Ihre Ergebnisse bestätigen bereits Bekanntes nun mit frischen Zahlen: Der sogenannte Fertility Gap, also die Lücke zwischen Kinderwunsch und tatsächlicher Kinderzahl, existiert tatsächlich, wobei dabei sowohl regionale Unterschiede als auch solche nach dem Bildungsstand bestehen.

Akademikerinnen am stärksten betroffen

Für Österreich haben die Wissenschaftlerinnen herausgefunden, dass die in den 1990er Jahren befragten heimischen Frauen im Durchschnitt angegeben hatten, zwei Kinder zu wollen – tatsächlich haben sie aber durchschnittlich nur 1,7 Babys zur Welt gebracht. Der Gap ist deutlich – aber weniger groß als in manchen anderen Ländern, was laut Studienautorinnen u.a. daran liegt, dass die österreichischen Frauen von vornherein den Wunsch nach wenigen Kindern hätten. Am größten ist der Unterschied bei den heimischen Akademikerinnen: Die Befragten wünschten sich im Durchschnitt 1,8 Kinder, bekamen jedoch durchschnittlich nur 1,5. Auch in den meisten anderen untersuchten Ländern ist bei höher gebildeten Frauen der Unterschied zwischen Wunsch und Wirklichkeit am höchsten.

Kinderlosigkeit: Nur fünf Prozent wollten keinen Nachwuchs, tatsächlich sind 20 Prozent der Frauen kinderlos

Noch eklatanter ist die Kluft bei Kinderlosigkeit – nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland, Spanien, Italien oder der Schweiz: Ursprünglich wollten nur fünf Prozent der befragten Frauen keine Kinder, tatsächlich ist die spätere Kinderlosigkeit mit rund 20 Prozent vier Mal so hoch.  Auch hier ist wieder die Lücke bei den höher gebildeten Frauen am größten: Auch von ihnen gaben fünf Prozent an, keine Kinder zu wollen, letztlich blieben jedoch 26 bis 30 Prozent der Akademikerinnen kinderlos. In Staaten wie Norwegen, Belgien, Tschechien und Ungarn gab es bei der Kinderlosigkeit dagegen kein Bildungsgefälle.

Größte Fertility Gaps in Südeuropa

Die insgesamt größten Unterschiede zwischen Wunsch und Wirklichkeit wurden in Südeuropa festgestellt. In Italien, Griechenland und Spanien lagen die Fertility Gaps bei mehr als 0,6 Kindern pro Frau. Als Gründe sehen die Studienautorinnen die relativ hohen Kindererwartungen aufgrund der dort vorherrschenden traditionell großen Familien sowie instabile Arbeitsmärkte und wenig Unterstützung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die geringsten Unterschiede zwischen Wunsch und Wirklichkeit fanden die Demografinnen in Frankreich und den USA – wobei in den USA ein hoher Anteil an “Übererfüllerinnen” (de facto Teenager-Mütter) dafür verantwortlich sein könnte.

Familienpolitische Maßnahmen bei den Akademikerinnen ansetzen

Auch die aus der Studie gezogenen familienpolitischen Schlüsse der Autorinnen sind nicht neu. Die beiden Wissenschaftlerinnen forderten in einer Aussendung, dass familienpolitisch bei den Akademikerinnen angesetzt werden sollte, da bei ihnen die Lücke zwischen Kinderwunsch und Anzahl tatsächlich geborener Kinder hierzulande am größten ist. Besonders wichtig seien Maßnahmen, die eine Kombination von Karriere und Kindern ermöglichen, so etwa ein gut ausgebautes Kinderbetreuungssystem, einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld, wie es in Österreich ohnehin bereits existiert, und eine höhere Flexibilität von Arbeitszeiten und Arbeitsort. Relevante Maßnahmen sollten aber auch Männer berücksichtigen, etwa durch die arbeitsmarktpolitische Förderung der Väterbeteiligung in der Familie. (ER)

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