psychische Belastung
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INT / Beratung: Psychische Belastung bei Kindern besorgniserregend

IEF, 13.01.2022 – Eine neue weiterführende Studie der Donau-Universität Krems zur psychischen Gesundheit von Schülern kommt zu beunruhigenden Ergebnissen.

Laut einer kürzlich veröffentlichten weiterführenden Studie des Departments für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit der Donau-Universität Krems zur psychischen Gesundheit zeigen fast zwei Drittel der Schülerinnen und ein gutes Drittel der Schüler eine mittelgradige depressive Symptomatik. Die psychische Belastung der Betroffenen stuft Autor Christoph Pieh, Universitätsprofessor für Psychosomatische Medizin und Gesundheitsforschung vom Department für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit, gegenüber dem Standard als besorgniserregend ein. Dass Kinder und Jugendliche besonders unter der COVID-19-Pandemie leiden, hat schon die erste Studie der Donau-Universität Krems gezeigt – das IEF hat berichtet. Doch depressive Symptome, Angstsymptome aber auch Schlafstörungen haben sich im Beobachtungszeitraum verfünf- bis verzehnfacht, wie die aus diesem Anlass vorzeitig veröffentlichte weiterführende Studie alarmiert.

Schockierender Anstieg von Suizidgedanken

Schockierend sei vor allem der Anstieg der wiederkehrenden suizidalen Gedanken, unter denen rund ein Fünftel der Mädchen und 14 Prozent der Burschen der in Österreich seit Herbst untersuchten Schüler litten. Unter den etwa 1.500 Befragten im Alter von 14 bis 20 Jahren denkt demzufolge ein großer Anteil entweder täglich oder an mehr als der Hälfte der Tage an Selbstmord, zeigt sich Pieh erschüttert. Die Belastungsgrenze der Jugendlichen sei weit überschritten, betont der Experte. Hilfe in Anspruch zu nehmen sei ein Zeichen der Stärke und gerade in schweren Fällen dringend anzuraten, appelliert der Studienautor auch in einer Presseaussendung. Es sei höchste Zeit, sofort mehr für die psychische Gesundheit der Jugendlichen zu tun.

Die psychische Belastungssituation in Österreich spiegelt dabei die weltweite Lage, wie eine Studie des UN-Kinderhilfswerks UNICEF vom Herbst 2021 in 21 Ländern ergab. Aufgrund der anhaltenden psychischen Ausnahmesituation fühle sich jeder fünfte Mensch im Alter zwischen 15 und 24 Jahren „häufig depressiv“ und habe „wenig Interesse daran, Dinge zu tun“.

Neues Selbsthilfeprogramm IstOkay.at

Ein neues Selbsthilfeprogramm namens ‚IstOkay.at‘, das von der Donau-Universität Krems in Kooperation mit der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Medizinischen Universität Wien für die Altersgruppe von 14 bis 20 Jahren entwickelt und betreut wurde, versucht dieser Entwicklung entgegenzusteuern.  Die evidenzbasierten Empfehlungen auf der neuen Website orientieren sich an aktuellen Behandlungsleitlinien der unterschiedlichen Störungen. Unterstützt wird das Projekt vom Land Niederösterreich mit € 27.600 und steht seit 24.12.2021 kostenlos zur Verfügung. Angeboten werden unter anderem Video-Podcasts zu unterschiedlichen Themen. Jugendliche könnten die vorgestellten Techniken unkompliziert selbstständig online erlernen und in weiterer Folge in den Alltag integrieren.

„Ich möchte hier wirklich einen Appell an die jungen Menschen richten: Es ist normal, dass man Sorgen oder Ängste hat. Wichtig ist einfach, sich diese einzugestehen und Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das ist ein Zeichen der Stärke und der Größe. Nutzt daher diese Plattform, denn sie kann euch wirklich helfen“, motiviert Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner Betroffene, dieses niederschwellige Angebot in Anspruch zu nehmen.

Eltern sollen auf Warnzeichen achten

Zu psychischen Spätfolgen durch die Pandemie äußerte sich der Präsident des österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie, Peter Stippl, in der Sendung „Nachgefragt“ und alarmiert Eltern, auf Warnzeichen wie beispielsweise Schlafstörungen zu achten und rechtzeitig zu reagieren. Gegenüber dem Institut für Ehe und Familie (IEF) mahnt er eindringlich, die Sorgen, insbesondere die fallweise depressive Haltung, Energielosigkeit und Traurigkeit der Kinder und Jugendlichen ernst zu nehmen. Besonders alarmierend sei, wenn es Jugendlichen an Zukunftsvision fehle. „Ich habe durch die empathische Arbeit mit jugendlichen Klienten in meiner Praxis verstehen gelernt, wie weh Einschränkungen, nicht erfüllte Vorfreude, Zusagen und Versprechungen den jungen Menschen tun. Vor allem die Unsicherheit, z.B. wie wird die Matura sein, kann ich ein Studium beginnen, ist eine Lehre möglich, wird es einen Urlaub geben? – die Tanzschule, die Bälle, die Jugendwochen, der Schikurs – so viel wurde kurzfristig abgesagt…das macht traurig. Die Kinder müssen ernst genommen werden – der ‚Stärkere‘ (Eltern, Erwachsene) muss dem Kind entgegenkommen, es dabei unterstützen, über seine Gedanken und Sorgen zu reden. Die Erwachsenen können gut helfen, dass der Blick kreativ darauf gewendet wird, was noch möglich ist, was Sinn macht, was kurzfristige Ziele sein können. So erwerben die Kinder und Jugendlichen Bewältigungskompetenz, die sie ihr ganzes Leben gut brauchen können!“

Zum Thema der psychischen Belastungssituation bei Jugendlichen findet am 3.02.2022 um 20.15 Uhr eine Livesendung auf Puls4 statt, bei der die beiden Experten Stippl und Pieh gemeinsam mit Jugend-Staatssekretärin Claudia Plakolm diskutieren.

Keine Scheu, Hilfen in Anspruch zu nehmen

Johannes Reinprecht, Direktor des IEF und selbst mehrfacher Familienvater, zeigt sich über die erschreckende Situation unter Kindern und Jugendlichen sehr betroffen. Er ermutigt Jugendliche und deren Familien, ohne Scheu Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen und verweist dabei auch auf den eigenen Beratungsdienst, der mit Dr. Stippl in Kooperation steht.

Das Beratungsteam bietet professionelle und kostenfreie Krisenberatung in methodisch geführten, persönlichen Gesprächen. Bei Bedarf empfehlen wir Fachleute unseres Vertrauens aus den Bereichen Familienrecht, Psychologie, Psychotherapie, Sozialarbeit, Seelsorge, Mediation, Pädagogik, Schwerpunktberatung (z.B. Migration, Sucht) und Medizin. Sie erreichen uns unter dem IEF-Krisentelefon 01/34 84 777, mittels Videotelefonie sowie per E-Mail unter beratung@ief.at oder finden mittels moderner Onlineberatungs-Tools unter http://www.ief.at/onlineberatung kostenfreie Soforthilfe. Unter www.ief.at/coronahilfe finden sich viele praktische Tipps und erprobte Ratschläge für die belastende Zeit des Corona-Ausnahmezustands. (EF)

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